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Unter dem Existenzminimum Armutsrisiko Kinder - wie Familien trotz Durchschnittsverdienst ins Minus rutschen

Familie mit mehreren Kindern
Familien mit drei oder mehr Kindern leiden unter der hohen Steuerlast.
© Buccina Studios / Getty Images
Familien mit drei oder mehr Kindern sind deutlich stärker vom Armutsrisiko bedroht, zeigt eine Untersuchung. Durch Steuern und Abgaben bleibt am Ende wenig übrig - das ändert auch nicht das Kindergeld.

Kinder muss man sich leisten können: Schätzungen zufolge kostet ein Kind bis zum 18. Lebensjahr rund 130.000 Euro - und da sind Einkommensausfall durch Mutterschutz und Erziehungsauszeit noch nicht miteingerechnet. Will der Spross auch noch studieren, wird es noch teurer. 

Doch nicht die Kosten für das Kind, die enorme Steuerlast schmälert die Nettoeinkommen. Und so rutschen Familien mit drei oder mehr Kindern schneller in die Armutsfalle, kritisieren der Familienbund der Katholiken und der Deutsche Familienverband, die gemeinsam eine Untersuchung beauftragt haben. Demnach reicht ein mittleres Einkommen zwischen 30.000 und 50.000 Euro brutto jährlich nicht aus. Zieht man Steuer und Abgaben ab - und dann das gesetzlich garantierte Existenzminimum, rutschen Familien schnell in die roten Zahlen, berichtet die "Welt am Sonntag"

Jahresbrutto: Was den Familien übrig bleibt

Als Modellrechnung wurde eine vierköpfige Familie (verheiratet, zwei Kinder) mit einem Jahresbrutto von 35.000 Euro einer Familie mit drei Kindern gegenübergestellt. Demnach bleiben der kleineren Familie nach Abzug aller Steuern und Sozialabgaben und plus dem Kindergeld 30.797 Euro im Jahr. Bei der fünfköpfigen Familie sind es 42.030 Euro. 

Der nächste Rechenschritt der Untersuchung ist allerdings auch der wesentliche, denn von diesen Beträgen wird das jeweilige Existenzminimum abgezogen. Dieser Betrag, der bei der Lohnsteuer als Freibetrag eingesetzt wird, liegt für Erwachsene bei 9168 Euro jährlich, bei Kindern beträgt er 7620 Euro. Addiert man dieses Existenzminimum, ergibt sich ein großen Minus bei der vierköpfigen Familie: Für das Jahr 2019 liegt sie 2779 Euro unter dem Strich. 

Durchschnittseinkommen in Deutschland

Dabei ist 35.000 Euro pro Jahr gemessen am Durchschnitt gar nicht so wenig. Laut der "WamS" lag der Durchschnitt bei 35.189 Euro. Die Bundeszentrale für politische Bildung zeigt, dass die größte Gruppe (20,6 Prozent) der Haushalte zwischen 1700 und 2600 Euro monatlich netto zur Verfügung hat.

Für eine Familie scheint dieser Betrag nicht zu reichen - oder anders gesagt: Nicht mehr zu reichen. Denn im Jahr 2014 lag das Minus der vierköpfigen Familie nur bei 807 Euro. 

Familien mit vier oder fünf Kindern rutschen ins Minus

Die fünfköpfige Familie behält 2019 (bei 50.000 Euro brutto Jahreseinkommen) ein hauchdünnes Plus von 834 Euro im Jahr übrig. Monatlich kann diese Familie knapp 70 Euro über dem Existenzminimum leben. Auch hier zeigt sich, dass das Plus im Laufe der Jahre immer weiter zurückging. Im Jahr 2014 erzielte die Familie ein verfügbares Haushaltseinkommen von 3145 Euro im Jahr. Familien mit vier oder fünf Kindern rutschen auch bei einem Jahresbrutto von 50.000 Euro ins Minus.

Grund für diese Entwicklung seien neben den gestiegenen Abgaben und Steuern auch das Existenzminimum, das gewachsen sei.  2010 lag der Betrag bei rund 8000 Euro, 2014 bei 8354 Euro und 2020 soll er auf 9408 Euro ansteigen. Der steuerfreie Betrag muss steigen, schließlich steigen ja auch die Preise. Allerdings zeigt die Untersuchung auch: Verharren die Einkommen auf dem gleichen Level wie früher, sind Familien von Armut bedroht.

Kindergeld hilft wenig

Die beiden Verbände sehen das Kindergeld nicht als Förderung dienlich. Denn das Kindergeld wird nach Paragraf 31 des Einkommenssteuergesetzes nicht als Bonus für Kinder gezahlt, sondern um die verfassungswidrige Besteuerung von Eltern auszugleichen. Hintergrund dieser verwirrenden Rechnung: Kinder werden bei der Lohnsteuerbemessung nicht berücksichtigt. Diese Ungerechtigkeit soll das Kindergeld ausgleichen. Allerdings  hilft nur der Anteil des Kindergelds, der über die zu viel bezahlte Lohnsteuer hinausgeht - alles andere ist ein Verlustgeschäft für Familien.

Helfen könnten kinderzahlabhängige Entlastungen bei der Sozialversicherung, ohne das Ansprüche dadurch verringert werden. Außerdem fordern die Verbände, dass das Existenzminimum der Kinder auf den Betrag von Erwachsenen angehoben wird. Was die Verbände nicht sagen: Die Mehrkindfamilie scheint in Deutschland zum Auslaufmodell zu werden.  In mehr als der Hälfte (53 Prozent) der Familien gibt es inzwischen nur noch ein Kind, bei 36 Prozent leben zwei Kinder in der Familie. Drei Kinder können sich nur acht Prozent der Familie leisten. Und der Anteil derer, die sogar vier (zwei Prozent) oder fünf (ein Prozent) Kinder leben, ist sehr gering. Das war mal anders: 1975 hatten 13 Prozent der Familien drei Kinder, sechs Prozent sogar vier. 

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