Nach den Bauernprotesten und Lokführer-Streiks protestieren heute die Güterbahner. In Berlin und bundesweit rollen sie gegen die massiven Kürzungen im Verkehrsetat über die Schienen. Die geplanten Einschnitte bei Fördergeldern treffen vor allem die Güterbahnen und bedrohen sie in ihrer Existenz, sagt Ludolf Kerkeling. Er ist Vorstand der Havelländischen Eisenbahn, einer mittelgroßen Güterbahn mit 70 Millionen Umsatz und 300 Mitarbeitern. Als Verbandschef des Netzwerks Europäischer Eisebahn kämpft der 61-Jährige für mehr Schienenverkehr im Autoland Deutschland.
Herr Kerkeling, die Bauern versperren mit ihren Traktoren die Straße. Die Lokführer der Güterbahnen werden heute auf ihre Signalhörner drücken, wenn sie durch den Bahnhof fahren und mittags fünf Minuten lang hupen. Warum blockieren Sie nicht die Schiene, so merkt das doch keiner?
Wir haben das diskutiert, uns aber für diese Form entschieden, um den Bürgern und Bürgerinnen nach den letzten Wochen nicht noch mehr zuzumuten. Wenn wir damit nicht durchdringen, müssen wir beim nächsten Mal zu anderen Mitteln greifen.
Warum der Protest?
Die Bundesregierung streicht uns quasi über Nacht das Fördergeld zusammen, 298 Millionen Euro soll unsere Branche weniger bekommen. Das sind fast 80 Prozent aller Kürzungen im Verkehrsetat. Das ist ein Kahlschlag. Das geht an die Substanz vieler Betriebe. Gestrichen wird auch bei der Förderung von Gleisanschlüssen, Anlagen und Innovationen im Güterverkehr.
Welche Kürzung trifft die Güterverkehrsunternehmen am schlimmsten?
Die Trassenpreisförderung. Sie soll in diesem Jahr zur Hälfe gestrichen wird. Das ist ein Schock. Wir hatten eine Zusage, dass es 2024 weiterhin die volle Förderung geben würde. Auf dieser Basis haben wir Verträge mit unseren Kunden gemacht – und zwar für das ganze Jahr. Diese Verträge gelten nun, wir können nicht nachträglich die Preise für unsere Industriekunden erhöhen. Wirtschaftlich ist das ein Desaster.
Um wie viel geht es?
Diese Trassenkosten machen rund 10 bis 15 Prozent der gesamten Kosten eines Güterverkehrsbetriebs aus, mit der Förderung also rund 7 bis 8 Prozent. Wenn die nun wegfällt, fehlt uns viel Geld. Viele in unserer Branche fahren auf Kante. Selbst Unternehmen, die wirklich gut aufgestellt sind, machen Umsatzrenditen von zwei, zweieinhalb Prozent. Viele sind schlechter. Ohne die Förderung sind von allen die Zahlen rot. Diese Förderung ist aus unserer Sicht auch keine echte Subvention, sondern ein Nachteilsausgleich, den wir gegenüber der Straße haben und diese Nachteile sind leider nicht beseitigt.
Ist die Kürzung existenzbedrohend?
Für kleinere Unternehmen ja – und die sind bei uns in der Mehrzahl. Für ein paar Dutzend Betriebe geht es dann schon um ihre Existenz. Die größeren werden es überleben, aber selbst dort kann ich Marktaustritte nicht ausschließen, weil solche willkürlichen Kürzungen das Vertrauen in den Markt zerstören.
Die pünktlichsten Bahn-Länder Europas – wo bleibt die Deutsche Bahn?

Die Daten von Zugfinder.net können sich von den Pünktlichkeitswerten unterscheiden, die die Unternehmen selbst herausgeben, da das Portal alle Zugverbindungen in einem Land erfasst und nicht nur das jeweilige Zugunternehmen.
Die DB will zudem auch noch die Trassenpreise anheben, also die Wege-Gebühr, die sie erhebt, damit Züge über das DB-Schienennetz fahren können.
Die Erhöhung des Trassenentgeltes zusammen mit dem Wegfall der Trassenpreisförderung ergibt eine Steigerung von 113 Prozent! Pro Zugkilometer würden sich die Kosten für einen Standard-Güterzug von Ende 2023 bis zum Start des Fahrplanjahrs 2025 von effektiv 1,22 Euro pro Zugkilometer auf bis zu 2,60 Euro erhöhen. Teurer ist es nirgends sonst in Europa! Das wäre verheerend.
Das wars dann mit der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene?
Ja, die Straßen werden noch verstopfter sein, die Emissionen wieder steigen. Denn mit der Preissteigerung verlieren wir Transportvolumen an den Lkw. Die meisten Unternehmen achten beim Transport am Ende doch immer noch vor allem auf den Preis. Nur sehr wenigen ist das grüne Label wichtig.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte versprochen, dass mehr Geld in die Bahn statt in die Straße fließt. Mit Blick auf die Kürzungen – ist das Versprechen noch gültig?
Wir müssen leider feststellen, dass die geplanten Kürzungen den Schienengüterverkehr deutlich überproportional treffen. Auch bei Investitionen in Aus- und Neubau der Schiene wird zusammengestrichen, so dass das Investitionsvolumen der Schiene für Neu- und Ausbau nun wieder unter dem der Straße liegt. Alle demokratischen Parteien und die Regierung haben jahrelang einen Finanzierungshochlauf versprochen. Jetzt soll das Budget bei gestiegenen Baukosten um fast ein Drittel sinken, das ist ein Minus von 610 Millionen Euro. Bei der Straße ändert sich nichts.
Die DB hat sich mit ihrer neuen Struktur, der DB InfraGO AG, dem Gemeinwohl verpflichtet.
Man hat nun zwei Aktiengesellschaften zu einer verschmolzen. Die neue Gesellschaft gehört zu 100 Prozent einer Aktiengesellschaft. In der Satzung sind einige wenige vage Ziele neben der Gewinnerzielungsabsicht aufgenommen. Bislang konnte mir noch niemand erklären, warum wir davon eine Gemeinwohlorientierung erwarten können. Schon der Begriff "Gemeinwohlorientierung" wurde bislang nicht definiert. Dabei sind die Probleme der Infrastruktur offensichtlich, werden aber durch diese Maßnahme nicht gelöst. Und nun kürzt der Bund auch noch die Mittel. So wird nichts besser aber alles schlechter.
Dieser Artikel erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Capital", das wie der stern Teil von RTL Deutschland ist.