Existenzgründung Abstauber-Effekt durch Ich-AG

Die schlechten Nachrichten für die Bundesregierung hören nicht auf. Jetzt ist bekannt geworden, dass sich die Hartz-II- und Hartz-IV-Gesetze gegenseitig aushebeln. Bislang zum Vorteil der Arbeitslosen.

Die Bundesregierung erwägt, so genannte Ich-AGs künftig nur noch dann staatlich zu fördern, wenn der angehende Selbstständige einen Geschäftsplan vorlegt. Deshalb will das Bundeswirtschaftsministerium die Kriterien für die Förderung überprüfen, um einen Missbrauch bei der Existenzgründung durch Arbeitslose zu verhindern.

Das Ministerium reagierte damit auf Berichte, wonach mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Hartz-IV-Gesetz immer mehr Arbeitslose eine Ich-AG gründen wollten, ohne tatsächlich eine echte Selbstständigkeit anzustreben. Es sei nicht auszuschließen, dass hier eine "Ökonomie des Abstaubens" zum Zuge komme, sagte Frank Wießner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg der Nachrichtenagentur dpa.

Die Ich-AGs waren zum Jahresanfang 2003 als neues Instrument eingeführt worden, um Arbeitslosen mit Hilfe von Zuschüssen eine Existenzgründung zu erleichtern. Voraussetzung ist bislang nur, dass der Existenzgründer bisher Arbeitslosengeld oder -hilfe bezogen hat oder in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschäftigt war. Der Staat fördert mit der Ich-AG Existenzgründungen von Arbeitslosen, ohne dass diese bisher eine ausgefeilte Geschäftsidee vorlegen müssen. Im ersten Jahr gibt es Zuschüsse bis zu 600 Euro monatlich, im zweiten 360 und im dritten Jahr 240 Euro. Der Zuschuss wird längstens für drei Jahre gezahlt.

"Wer bisher Arbeitslosenhilfe bekommt, künftig aber kein Arbeitslosengeld II, kann die Ich-AG verlockend finden", sagte Wießner. Dies könnte für Arbeitslose gelten, die durch die Reform zum 1. Januar 2005 aus der Unterstützung herausfallen, etwa durch die Anrechnung von Vermögen oder Einkommen des Ehepartners.

"Beide Gesetze hebeln sich gegenseitig aus", sagte Wießner zu der im Hartz-II-Gesetz eingeführten Förderung zur Selbstständigkeit und der in Hartz IV vorgesehene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Nach Schätzungen könnten 400.000 bis 500.000 Bezieher von Arbeitslosenhilfe durch die verschärften Regelungen in Zukunft kein Arbeitslosengeld II erhalten. Für diesen Kreis wäre die Gründung einer Ich-AG interessant, auch wenn sie nicht ernsthaft an einer Existenzgründung interessiert sind. "Das Kriterium der Bedürftigkeit wird damit faktisch unterlaufen", sagte Wießner.

Generelle Kritik an der Existenzgründungshilfe in Form der Ich-AG wies Wießner allerdings zurück. Der Vorwurf der Ineffizienz sei zumindest voreilig. "Die Daten geben so etwas nicht her", sagte der Experte, dessen Institut zur Bundesagentur für Arbeit gehört.

Arbeitsloseninitiativen raten Medienberichten zufolge bereits dazu, die "risikolose" Förderung einer Ich-AG in Anspruch zu nehmen. Ein Missbrauch läge dann vor, wenn die Erwerbslosen eine Selbstständigkeit gar nicht geplant hätten.

DPA · Reuters
DPA/Reuters

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