Vor der möglicherweise entscheidenden Tarifrunde für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen haben heute Warnstreiks in Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und dem Saarland begonnen. Damit wollten die Gewerkschaften den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen.
Angesichts verhärteter Fronten sind die Tarifparteien skeptisch. Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, bezeichnete das bisherige Angebot der Arbeitgeber als "Mogelpackung". Damit werde nicht einmal die Inflationsrate ausgeglichen, kritisierte er im Deutschlandfunk. Der Schuldenabbau der öffentlichen Hand könne nicht über Löhne abgewickelt werden. Die Streikbereitschaft sei groß, so Bsirske, und in der Bevölkerung nehme er "eine große Sympathie dafür wahr, dass Menschen anfangen, sich zu wehren."
"Überzogene Forderungen"
Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer zeigte sich ob der andauernden Streiks im Berliner Nahverkehr verstimmt und kritisierte die Forderungen der Gewerkschaft als zu hoch: "Ich habe volles Verständnis, dass Verdi sich dafür einsetzt, dass die Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst besser bezahlt werden, aber die Höhe der Forderungen ist deutlich überzogen. Es würde große wirtschaftliche Schwierigkeiten geben, […] wenn ich da nur an die Krankenhäuser denke", sagte er stern.de. Die Ärzte-Vertretung Marburger Bund kündigte für den 13. März Warnstreiks in rund 700 kommunalen Kliniken an.
Derweil protestierten tausende Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes mit Sternmärschen und Warnstreik- Kundgebungen in Nürnberg, Fürth und Erlangen für mehr Lohn- und Gehalt. Neben einem Warnstreik der Würzburger Versorgungsbetriebe kam nahezu der gesamte innerstädtische Bus- und Straßenbahnverkehr zum Erliegen. Etwa 120.000 Fahrgäste waren von den Arbeitsniederlegungen betroffen. Dennoch blieb das befürchtete Verkehrschaos aus.
Schaden für Deutschland
Betroffen waren auch zahlreiche Kindertagesstätten und die Verwaltung vieler Städte. CDU-Innenpolitiker Mayer warnte angesichts der angekündigten Streiks bei der Bahn vor einem Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland. "Ich hoffe, dass im Sinne aller Beteiligten und vor allem der unbeteiligten Bevölkerung, die nur leidtragende des Streiks ist, sich die Tarifpartner möglichst schnell zusammenfinden und zu einem Ergebnis finden", sagte er stern.de.
Derweil erscheint eine Einigung wegen der verhärteten Fronten zwischen Arbeitgebern und Verdi sowie dem Beamtenbund als unwahrscheinlich. Am Mittag gehen in Potsdam die Tarifverhandlungen für die 1,3 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen in die fünfte und vorerst letzte Runde, ohne das sich eine Annäherung abzeichnete. Auch für Freitag sind Verhandlungen geplant.
"Wir bewegen uns. Auf die Straße"
Die Gewerkschaft gibt sich kämpferisch. "Über Kompromisse unterhalten wir uns nicht hier und nicht heute", sagte der bayerische Verdi-Bezirksleiter Josef Falbisoner auf einer Kundgebung. "Wenn sich die Gegenseite heute nicht bewegt, werden wir uns weiterbewegen - nämlich täglich auf die Straße." Dagegen sieht der Verhandlungsführer der Kommunen, Thomas Böhle, kaum Handlungsspielraum. "Wir rechnen im Jahr 2008 mit einem Überschuss von knapp unter vier Milliarden Euro. Die Verdi-Forderung kostet 4,5 Milliarden Euro", sagte er in der ARD. "Wenn wir das erfüllen wollten, dann müssten wir entweder neu in die Verschuldung gehen, oder viele kommunale Arbeitgeber hätten gar keine andere Wahl, als Stellen abzubauen."
Die Gewerkschaften verlangen acht Prozent, mindestens aber 200 Euro pro Monat mehr. Die Arbeitgeber haben fünf Prozent mehr Lohn über zwei Jahre angeboten. Gleichzeitig soll die Wochenarbeitszeit im Westen verlängert werden.
In Berlin geht nichts mehr
Am Mittwoch hatte der Warnstreik mit insgesamt 100.000 Teilnehmern einen Höchststand erreicht. Vor allem der Verkehr war massiv beeinträchtig. Wegen Warnstreiks an Flughäfen fielen Hunderte Flüge aus, Zehntausende Passagieren kamen überhaupt nicht oder verspätet an ihr Ziel. In Nordrhein-Westfalen war auch der Nahverkehr bestreikt worden. In Berlin setzten am Donnerstag die Beschäftigten des Verkehrsbetriebes BVG ihren Ausstand fort. Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen blieben in den Depots. Pendler mussten auf Autos, Fahrrad oder S-Bahn ausweichen.