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Kleiner Eimer statt große Tonne Die Gastronomie produziert täglich Müllberge - dieses Café macht alles anders

"Weil die Erde wunderschön ist" steht an der Wand. 
"Weil die Erde wunderschön ist", steht an der Wand. 
© Daniel Pelka
Nicht nur im Haushalt, auch in der Gastronomie entstehen täglich Müllberge. Ein Café in Hamburg will das ändern - und versucht, (fast) keinen Müll zu produzieren. Kann das gelingen?

Der Cappuccino wird in alten Marmeladengläsern serviert. Das Geschirr, das Besteck, die Möbel und die Tische sind vom Flohmarkt oder aus zweiter Hand. Die Salzstreuer sind aus Limonadenflaschen, die Blumenvasen aus alten Dosen. Die Milch kommt in Pfandkanistern, die immer wieder neu befüllt werden. Die Kaffeebohnen in Metallcontainern, die als Tisch umfunktioniert werden können. Das Obst, Gemüse und Brot fürs Frühstück wird lose angeliefert. Die restlichen Produkte gibt es in Mehrwegbehältern oder in Kartons, die wiederverwertet werden. Im Café "In guter Gesellschaft" in Hamburg entsteht (fast) kein Müll.

Wenn wir uns überlegen, wie viel Müll allein im Haushalt pro Tag produziert wird, ist der Gedanke an ein Zero-Waste-Café unvorstellbar. Das Erstaunliche: Es ist leichter, als man denkt. Der Schlüssel zum Erfolg ist einen Schritt zurückzugehen, ein bisschen mehr Zeit zu investieren und sich an die Tricks von Oma und Opa zu halten.

Kaffee aus Marmeladengläsern, Geschirr vom Flohmarkt.
Kaffee aus Marmeladengläsern, Geschirr vom Flohmarkt.
© Daniel Pelka

Müll in der Gastronomie

Mehr als 600 Kilogramm Haushalts- und Verpackungsabfälle produziert jeder Einwohner in der Bundesrepublik im Jahr. Das geht aus den Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat hervor. Darunter werden auch die Abfälle der Gastronomie gezählt, die bislang noch nicht einzeln ausgewertet wurden. Und wenn man sich am Ende der Woche seinen Hausabfall ansieht, kann man sich in etwa vorstellen, wie viel Müll erst in der Gastronomie anfällt.

Alana Zubritz und Ina Choi-Nathan betreiben das erste Zero-Waste-Café "In guter Gesellschaft" in Hamburg, das bislang erst zweite in Deutschland. Pro Woche fällt bei Alana und Ina im Café ein Eimer Restmüll an. Der Eimer fasst ein Kilogramm. Darin sammelt sich der Müll aus der Damentoilette, liegen gelassene Taschentuchverpackungen, Wachsreste der Kerzen, Zigaretten von draußen. Ansonsten landen Essensreste und Kaffeesatz im Biomüll, Papier von Verpackungen und Zeitungen im Altpapier.

Mehr zum Thema finden Sie im stern Nr. 16
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Bloß kein erhobener Zeigefinger

Ina war bislang in der freien Wirtschaft als Betriebswirtin tätig, Alana kommt aus dem Designbereich mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit. Trotz der Philosophie ist das Café nicht nur was für Ökos oder Alternative, sondern für die breite Masse. Mit einem erhobenen Zeigefinger bedienen die zwei Frauen ihre Gäste nicht, sie wollen lieber das Bewusstsein schärfen.

"Wer Dinge macht, produziert Müll. Das ist auch okay, aber man kann diesen Müll reduzieren", sagt Alana, die Nachhaltigkeitsseminare gibt. "Im Café ist das viel einfacher als zu Hause. Es gibt bestimmte Speisen und Getränke und auch bestimmte Lieferanten, die zur Müllvermeidung beitragen können." Nudeln und Reis bieten Alana und Ina deshalb nicht an, weil es diese Produkte bislang nicht unverpackt gibt. Dafür kriegen sie Frischware wie Obst und Gemüse lose, sowie Brot, Käse und Eier. Daraus zaubern sie frische Salate, Suppen, belegte Brote, hausgemachte Aufstriche, Dips und Marmeladen und auch Porridge. Alles rein vegetarisch.

Frau mit einer Darstellung der fünf Prinzipien des Zero Waste

Pappbecher gibt es nicht

Wer Kaffee für unterwegs haben will, kriegt keinen Pappbecher, der später im Müll landet. Alana und Ina haben ihr eigenes Pfandsystem entwickelt. Zwei Euro kostet der To-go-Becher, den man behalten oder beim nächsten Mal neu befüllen lassen kann. Das hilft enorm, wenn man bedenkt, dass in Deutschland pro Stunde 320.000 Coffee-to-go-Becher im Müll landen, wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bereits 2015 ermittelt hat.
Darüber hinaus produzieren die Gastronominnen auch Pflanzenmilch als Kuhmilch-Alternative selber. Die gibt es sonst nur im Tetrapak. Abfall, mit dem sie sich nicht rumschlagen wollen. "In der Gastronomie ist es nicht schwer, Müll zu vermeiden", sagt Ina. "Man muss nur viel selber machen - und um die Ecke denken."

"Zero Waste bedeutet übrigens nicht, gebrauchte Möbel zu haben und sich keine neue kaufen zu dürfen", sagt Ina. Für die beiden Frauen war aber genau dieser Aspekt umso wichtiger. Sie sehen sich als Vorreiter, sie wollen andere Gastronomen inspirieren - und zeigen, dass es gar nicht so schwer ist, Müll zu vermeiden.

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