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Innovative Idee Windelmüll ist ein gigantisches Problem. Hat "Pampers" jetzt endlich die Lösung gefunden?

Ein Baby in Windeln
Idee von "Pampers"-Hersteller "Procter & Gamble": Aus stinkenden Windeln soll künftig Katzenstreu werden.
© PredragImages / Getty Images
Benutzte Windeln machen einen großen Teil unseres Hausmülls aus. Mit einer innovativen Idee will der "Pampers"-Hersteller das große Problem nun lösen. Es wäre eine kleine Revolution.

2017 wurden nach amtlicher Statistik in Deutschland 785.000 Babys geboren. Das ist die gute Nachricht. Doch jedes Kleinkind verbraucht in den ersten 2,5 bis 3 Lebensjahren durchschnittlich etwas mehr als vier Windeln pro Tag. Das macht pro Kind rund 1600 Windeln im Jahr und bei 785.000 Neugeborenen knapp 1,3 Milliarden Windeln jährlich – und das ist nur ein einzelner Jahrgang von Neugeborenen. Zudem ist in dieser Rechnung die Anzahl der verbrauchten Erwachsenenwindeln – zum Beispiel von Senioren oder Menschen mit Behinderung – noch nicht mit einbezogen.

Windelmüll ist ein Riesenproblem – gibt es nun die Lösung?

Schaut man sich diese Zahl an, wird eines schnell klar: Windelmüll ist ein Riesenproblem. Das liegt auch daran, dass Windeln zu einem großen Teil aus Plastik (außen) und saugfähigem Zellstoffmaterial (innen) bestehen. Beides ist biologisch nicht abbaubar. Das US-Unternehmen "Procter & Gamble", Hersteller der weltweit meistgenutzten Einmalwindel "Pampers", will nun eine kleine Revolution gestartet haben. In der norditalienischen Stadt Treviso hat die erste Windel-Recycling-Anlage die Arbeit aufgenommen. Die Idee: Aus stinkenden Windeln voll mit Urin und Stuhl werden Katzenstreu und Schulbänke.Wie Björn Sievers von "Procter & Gamble" auf stern-Anfrage erklärt, kam die Idee zu der Wiederaufbereitungsanlage 2008 währen der italienischen Müllkrise. 2011 begann die Entwicklung erster Prototypen. Im Oktober 2017 war es dann soweit: Die weltweit erste Recyclinganlage für Windeln wurde eingeweiht. 10.000 Tonnen Windel-Müll kann die Anlage jährlich recyceln. Laut Sievers entspricht das in etwa der Menge von Windelmüll, der jährlich pro einer Million Einwohner anfällt. Doch bis aus "Pampers"-Windeln Katzenstreu wird, muss einiges passieren.

Recycling-Anlage für Windelmüll von Innen
So sieht die Recycling-Anlage für Windeln aus. Sie steht in der italienischen Stadt Treviso.
© "Procter & Gamble"

"Es lassen sich nahezu 100 Prozent der Rohstoffe zurückgewinnen"

Wie das Unternehmen erklärt, geschieht das in einem zweistufigen Verfahren. Die benutzten Windeln werden zunächst mit Hochdruckdampf und mit hoher Temperatur sterilisiert. So sollen auch Gerüche entfernt werden. Anschließend werden die verschiedenen Bestandteile des Produkts mechanisch voneinander getrennt. So sollen aus einer Tonne Windelmüll etwa 150 Kilogramm Zellulose, 75 Kilogram Kunststoff und 75 Kilogramm absorbierendes Polymer gewonnen werden. "Es lassen sich nahezu 100 Prozent der eingesetzten Rohstoffe einer trockenen Windel zurückgewinnen", erklärt Sievers. Das so aufbereitete saugfähige Material werde dann zum Beispiel zu Katzenstreu verarbeitet. Der gewonnene Kunststoff werde unter anderem für die Herstellung von Schulbänken genutzt.

Aufbereiteter Windelmüll
Durch das neue Verfahren werden sowohl die äußeren (links) als auch die inneren (rechts) Bestandteile der Windel recycelt
© "Procter & Gamble"

Das klingt erst einmal sehr gut – besonders in Zeiten, in denen wir mit der starken Belastung durch Plastikmüll zu kämpfen haben. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass es weltweit erst eine Fabrik gibt, die Weltbevölkerung stetig steigt und es aktuell noch kein System gibt, wie die gebrauchten Windeln eingesammelt werden können. "Unser Ziel ist es, Windel-Recycling in zehn Metropolregionen weltweit bis 2030 aufgebaut zu haben", sagt Sievers. Ein ambitioniertes Ziel. Doch die größte Herausforderung, daraus macht auch der "Pampers"-Produzent keinen Hehl, ist die Sammlung des Windelmülls. In Deutschland müssen Windeln im Hausmüll entsorgt werden. Wie also könnte die Sammlung benutzter Windeln ablaufen? "Wir sondieren gerade unterschiedliche Möglichkeiten, zum Beispiel das Einsammeln in Kindertagesstätten", erklärt Sievers. 

Innovative Idee: Windelmüll ist ein gigantisches Problem. Hat "Pampers" jetzt endlich die Lösung gefunden?

Windel-Recycling: Naturschützer sind skeptisch

Naturschützer sehen genau darin das Problem. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" erklärte Rolf Buschmann, Experte für Abfall beim BUND, dass "die Logistik ein ungelöstes Problem" sei. Das könne nach Ansicht des BUND-Experten bei Krankenhäusern und Seniorenheimen funktionieren, aber eine flächendeckende Sammlung bei privaten Haushalten hält er für "wahrscheinlich nicht machbar". Er plädiert stattdessen dafür, sich eines altbewährten Mittels zu Bedienen: der Stoffwindel. Bevor es die bis heute sehr erfolgreiche Einmalwindel gab, wurde fast ausschließlich auf die waschbare Stoffalternative gesetzt. Der Umweltnutzen – im Vergleich zur Einmalwindel – ist allerdings umstritten. Stoffwindeln müssen schließlich regelmäßig auf hohen Temperaturen gewaschen werden. Seit einigen Jahren gibt es außerdem auch biologisch abbaubare "Öko-Windeln" auf dem Markt. Durchschlagenden Erfolg hatten sie bislang noch nicht.

Trotz der Recyclingmöglichkeiten wird Windelmüll also auch in Zukunft weiter ein großes Problem darstellen. Trotzdem geht "Pampers"-Hersteller "Procter & Gamble" mit seiner Fabrik in Italien neue Wege – und zeigt, dass eine Aufbereitung möglich ist. Um das Müllproblem langfristig zu reduzieren, muss aber zunächst das Problem der Sammlung gelöst werden. Dann könnten auch in Deutschland irgendwann Katzenstreu und Schulbänke aus ehemals stinkenden Windeln produziert werden.

Quellen:Statistisches Bundesamt / Süddeutsche Zeitung / "Procter & Gamble"

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hh

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