Deutschlands Banker gehen auf die Barrikaden. Gegen einen drohenden Flächenbrand im Finanzsektor bei einer möglichen Griechenland-Pleite sollen sich die Banken mit frischem Eigenkapital schützen. Bestenfalls am Markt. Da die Kapitalmärkte aber aktuell fast trockenliegen, sollen die Finanzinstitute nach Plänen der EU-Kommission zur Not mit Kapitalspritzen des Staates gestärkt werden. Deutschlands Banken lehnen das ab. Sie fühlen sich fit und fürchten um ihren Ruf - und um ihre Eigenständigkeit.
Deutschlands mächtigster Banker Josef Ackermann wetterte am Donnerstag in Berlin: "Die aktuelle Rekapitalisierungsdebatte ist geradezu kontraproduktiv." Sie sende an die Märkte das Signal, dass ein Schuldenschnitt Griechenlands immer wahrscheinlicher werde. Das könnte die Unsicherheit noch verschärfen.
Dabei sei die Kapitalausstattung der Banken gar nicht das Problem, sagte der Deutsche-Bank-Chef: "Sondern die Tatsache, dass Staatsanleihen ihren Status als risikofreie Aktiva verloren haben." Sparkassen-Präsident Heinrich Haasis geißelte die EU-Pläne als "Unsinn". Wenn die Staaten garantierten, dass jeder seine Schulden zahle, gebe es kein Problem.
Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht das ähnlich und warnt vor einem Teufelskreis. Die Märkte seien verunsichert, daher müsse das frische Geld zumindest zum Teil von Staaten kommen. Und deren Kassen sind nicht gerade prall gefüllt: "Zusätzlicher Druck auf die Staatsfinanzen bereits gefährdeter Länder des Euroraums könnte zu einer Verschlechterung der Bonität dieser Staaten führen, was wiederum die Mittelbeschaffung auch für die Banken noch mehr erschweren würde." Die EZB warnt: Das würde die Aussichten für das Bankensystem weiter eintrüben und den Rekapitalisierungsbedarf der Finanzinstitute abermals erhöhen.
Eine Staatspleite Griechenlands wird zwar immer wahrscheinlicher, ist aber keineswegs sicher. Doch schon jetzt wirft sie Schatten auf das Finanzsystem, die Geschäftsbanken leiden akut unter der Schuldenkrise: In ihren Büchern schlummern milliardenschwere Staatsanleihen der pleitebedrohten Länder, die jetzt abgeschrieben werden müssen, bisher aber nicht mit Eigenkapital unterlegt waren - schließlich galten Anleihen von Euroländern bislang als krisensicher.
Weil niemand weiß, wie viele Risiken der andere in seiner Bilanz hat, trauen sich die Banken gegenseitig nicht mehr über den Weg. Sie legen ihr Geld lieber zu niedrigem Zins bei der EZB an. Die Rekapitalisierung könnte das ändern, sagte Martin Faust von der Frankfurt School of Finance & Management: "Es geht um das Vertrauen in das gesamte Bankensystem, die Banken müssen sich wieder gegenseitig Geld leihen." Tun sie das nicht, wirkt sich das auch negativ aufs Kreditgeschäft aus - und bremst damit die Konjunktur.
Schließlich gehe es auch darum, einen Branchenkollaps zu verhindern, der durch einzelne fallende Banken ausgelöst werden könnte: "Man muss das Problem mit einem Schlag aus der Welt schaffen", sagt Faust, der Sympathien für staatliche Kapitalspritzen hat. Denn andernfalls könnten die Banken gezwungen sein, Aktiva abzustoßen und restriktiver Kredite zu vergeben: "Das wäre sicher nicht wünschenswert in der aktuellen wirtschaftlichen Lage."
Ackermann kündigte dies bereits an: "Die Deutsche Bank wird alles tun, dass wir auch dieses Mal kein Staatsgeld brauchen", sagte er. Dies könne unter Umständen heißen, "die Bilanzen massiv zu kürzen, vielleicht sogar, sich von Dingen zu trennen, die durchaus im strategischen Interesse der Bank liegen".
Bankenexperte Wolfgang Gerke hält den EU-Rettungsplan für sinnvoll. "Es spricht sehr viel dafür, die Banken krisenfester zu machen." Zwar hatte die europäische Bankenaufsicht Eba erst im Sommer den meisten Geldhäusern bescheinigt, für den Krisenfall gut gerüstet zu sein. Diesen Test wertete Gerke als "Marketingveranstaltung": "Es ist vernünftig, dass man sich jetzt der Realität stellt."
Davon wollen die Banken nichts wissen. Der Bankenverband schimpft, mit dem Plan würden nicht die Ursachen der Staatsschuldenkrise bekämpft. Zudem könne der Vorschlag von Kommissionspräsident José Manuel Barroso, das Eigenkapital durch einen Verzicht auf Dividendenausschüttung zu stärken, die Lage der Institute verschärfen. Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer warnt: "Das Verbot dürfte ... kontraproduktiv wirken, weil es die Möglichkeit der Kapitalaufnahmen am Markt zusätzlich erschwert."
Berichten zufolge ist bei der Eba eine Kernkapitalquote von 9 Prozent im Gespräch. Nach Schätzungen der Investmentbank Morgan Stanley müssten sich die Banken dann insgesamt 275 Milliarden Euro besorgen. Finanzkreisen zufolge könnte der Kapitalbedarf bei der Deutschen Bank in diesem Fall rund neun Milliarden Euro betragen.
Einig sind sich Deutschlands Banker darin, dass sie an der Staatsschuldenkrise unschuldig sind. Deshalb wollen sie jetzt auch nicht bluten. Ackermann sagte: "Der Einschuss von Kapital würde nicht an dem eigentlichen Problem ansetzen. Das ist keine Kausaltherapie, das ist eine Symptombehandlung."