Angesichts der eskalierenden Eurokrise rückt die Gefahr eines Zusammenbruchs der Währungsunion ins Zentrum der politischen Debatte. Polen mahnte die Euro-Staaten am Freitag bei einem Besuch von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler in Warschau eindringlich, den Bestand der gesamten Europäischen Union nicht zu gefährden. "Ein Zerbrechen der Eurozone hätte katastrophale Folgen für alle Länder Europas", sagte Finanzminister Jacek Rostowski.
In der finnischen Regierung ist das Thema jedoch kein Tabu mehr. Dort liegt bereits ein "Handlungsplan für jede Eventualität" in der Schublade. Österreichs Vizekanzler Michael Spindelegger dringt sogar auf eine Handhabe zum Rauswurf von Eurozonenmitgliedern - und ruft damit selbst beim eigenen Regierungschef Widerspruch hervor. Polen ist in Sorge, dass ein Zusammenbruch der Eurozone auch die ohnehin fragile Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen würde. "Wir waren uns einig, dass wir alles dafür tun müssen, die Eurozone zu stabilisieren", sagte Rösler. Deutschland sei sich dabei seiner Verantwortung bewusst.
Merkel: Keine Differenzen zwischen Euroländern und EZB
Zugleich mahnte er EZB-Präsident Mario Draghi, nicht bedingungslos mit Anleihenkäufen zur Entlastung von Eurokrisenländern vorzupreschen: "Aufgabe der Europäischen Zentralbank ist die Geldwertstabilität innerhalb der Eurozone." Draghi selbst habe in Hinblick auf EZB-Anleihenkäufe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die einzelnen Reformen in Mitgliedsstaaten und Haushaltsdisziplin Priorität haben müssten. "Dieser Aussage kann ich an dieser Stelle nur absolut zustimmen. Da nehmen wir ihn auch beim Wort", sagte Rösler.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor betont, dass es keine Differenzen zwischen den Euroregierungen und der Europäischen Zentralbank gebe: "Die EZB ist trotz ihrer Unabhängigkeit in einer völligen gemeinsamen Linie", betonte sie bei einem Besuch in Kanada. Die EZB hatte angesichts der hohen Refinanzierungskosten von Ländern wie Spanien und Italien angekündigt, Staatsanleihen unter gewissen Bedingungen aufkaufen zu wollen. Hierzu müssten Schuldenländer allerdings zunächst einen Antrag auf Hilfe stellen und die Rettungsschirme EFSF oder ESM an den Bondmärkten aktiv werden. Kritiker sehen in einer solchen Politik eine verbotene Staatsfinanzierung und ein Einfallstor für Inflationsrisiken.
Skepsis, ob die Währungsunion noch zu retten ist
Trotz der in Aussicht gestellten Helferrolle der EZB greift innerhalb der Euro-Zone Skepsis um sich, ob die Währungsunion noch zu retten ist. Finnlands Außenminister Erkki Tuomioja rief die anderen Eurostaaten in der britischen Zeitung "Daily Telegraph" offen auf, dem Beispiel seines Landes zu folgen und ebenfalls rechtzeitig einen Notfallplan für ein Auseinanderbrechen der Währungsgemeinschaft zu entwickeln.
Mit seinem Vorpreschen stieß der Außenminister allerdings in der eigenen Regierung auf Kritik. Europaminister Alexander Stubb versicherte: "Ich will deutlich machen, dass die Spekulationen des Außenministers nicht die Position der Regierung widerspiegeln." Zugleich betonte Stubb, Finnland stehe zu "100 Prozent" zum Euro.
"Wir haben viele Vorteile aus Europa gezogen"
Finnland gilt in der Eurozone als besonders stabilitätsorientiert - ebenso wie die Niederlande. Deren Finanzminister Jan Kees de Jager betonte, der gemeinsame Währungsraum sei für sein Land sehr wichtig. "Wir haben viele Vorteile aus Europa und dem gemeinsamen Markt gezogen." Die Niederlande beteiligten sich nicht an Spekulationen über einen Austritt aus dem Euro oder einem Auseinanderbrechen der Zone.
Österreichs Außenminister Spindelegger will sich jedoch nicht damit abfinden, dass die Währungsunion ungeeignete Mitglieder mitschleppt: "Wir brauchen Möglichkeiten, dass man jemanden aus der Währungsunion rausschmeißt", sagte der Vizekanzler dem "Kurier". Auf die Frage, wen er damit meine, sagte Spindelegger: "Länder, die sich nicht an Verpflichtungen halten". Dazu müssten allerdings die europäischen Verträge geändert werden, was etwa fünf Jahre dauern könne.
Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann widersprach umgehend. Die negativen Folgen des Zerbrechens der Euro-Zone würden Vorteile für einzelne Länder bei weitem übersteigen, betonte der Regierungschef: "Einen Rauswurf kann ich daher nicht empfehlen." Darüber hinaus bedürfe es einer EU-Vertragsänderung mit Volksabstimmung, wollte man die Möglichkeit schaffen, ein Land gegen dessen Willen aus der gemeinsamen Währungszone zu drängen.