Athen muss bis November um die nächsten milliardenschweren Hilfsgelder bangen. Doch die Euro-Partner wollen Griechenland trotz der verfehlten Sparziele auf keinen Fall pleitegehen lassen. Das bekräftigte Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker in der Nacht zum Dienstag in Luxemburg und unterstrich den Zahlungswillen der Europäer. Auf dem Treffen der Euro-Finanzminister sei die Möglichkeit einer Insolvenz des Landes ausgeschlossen worden. "Wir werden alles tun, um das zu verhindern", sagte Juncker. Niemand habe sich für den Austritt Griechenlands aus der Eurozone ausgesprochen.
Der Rettungsfonds EFSF, der 440 Milliarden Euro Notkredite an Krisenländer verleihen kann, soll neue Aufgaben bekommen und schlagkräftiger werden. Die Minister wollen zudem eine Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes beschließen, die ab Januar 2012 gelten soll.
Allerdings fehlt zur Ausweitung des Rettungsfonds noch die Zustimmung von zwei Staaten, den Niederlanden und der Slowakei. Die Niederlande gelten als unproblematisch. Das Parlament in Bratislava dagegen droht ernsthaft damit, die Ausweitung des EFSF abzulehnen. Am Dienstagabend wollen die vier regierenden Mitte-Rechts-Parteien ein weiteres Mal versuchen, einen Kompromiss zu finden. Voraussichtlich dürften die Beratungen bis tief in die Nacht reichen. Wann das Parlament letztlich abstimmt, es völlig unklar.
Sollte sich die Slowakei gegen den Rettungsfonds aussprechen, könnte damit das Projekt insgesamt scheitern, weil es nur mit Zustimmung aller Euro-Länder verwirklicht werden kann.
"Niemand hat uns geholfen"
Dass die Slowaken stur sein können, haben sie schon im vergangenen Jahr bewiesen, als sie als einziges Mitgliedsland der Eurozone eine Teilnahme am ersten Griechenland-Hilfspaket verweigerten. Das konnte man damals auch ohne slowakische Teilnahme realisieren.
Die Slowakei ist gemeinsam mit Estland das ärmste Euro-Mitgliedsland. Das Durchschnittseinkommen beträgt weniger als 800 Euro brutto im Monat, Rentner bekommen im Schnitt nicht einmal halb so viel. Gerade mit Slogans wie: "Slowakische Rentner sollen nicht für viel reichere Griechen zahlen", hatte die heutige christlich-liberale Premierministerin Iveta Radicova das bürgerliche Lager zum Sieg bei den Parlamentswahlen 2010 geführt.
Außenminister Mikulas Dzurinda erinnert aber auch gern daran, unter welch enormen Entbehrungen die Slowaken zur Jahrtausendwende, als er selbst Premier war, ihre eigenen Banken sanierten: "Das hat uns damals zwölf Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts gekostet. Die gleichzeitig notwendigen drastischen Sparmaßnahmen brachten vorübergehend eine Arbeitslosenquote von über zwanzig Prozent, massive Reallohnverluste und schmerzhafte Sozialkürzungen. Und niemand hat uns dabei geholfen. Wie soll ich den Slowaken jetzt erklären, dass sie dafür zahlen sollen, dass es in anderen Ländern einfacher geht?"
"Es ist falsch, Schulden mit Schulden zu bekämpfen"
Während aber Außenminister und Premierministerin unter dem Druck der EU längst von ihrem ursprünglichen Nein gegen alle Rettungschirm-Pläne abgerückt sind, beharrt Parlamentspräsident Richard Sulik noch immer darauf, dass seine neoliberale Koalitionspartei SaS gegen den EFSF stimmt: "Das ist die falsche Strategie, Schulden mit neuen Schulden zu bekämpfen."
Den anderen EU-Ländern empfahl Sulik als Ausweg eine Rettungsschirm-Erweiterung ohne die Slowakei, "wenn die anderen Länder das unbedingt wollen". Denn es sei sowieso unfair gewesen, dass der Zwang zur Einstimmigkeit beim erweiterten EFSF "still und heimlich" eingeführt worden sei.
Eine Lösung könnte aus dem Lager der Opposition kommen: Am Wochenende signalisierte zum ersten Mal der sozialdemokratische Oppositionsführer und Ex-Premier Robert Fico Bereitschaft, der Regierungsspitze auch ohne Suliks Partei zu einer Ja-Mehrheit im Parlament zu verhelfen. Als Preis verlangt er allerdings nicht weniger als den Sturz der gegenwärtigen Regierung.
Bratislava wird sich nicht mit einem "Nein" isolieren
Wann die Stunde der Entscheidung kommt, ist bislang völlig unklar. Bisher steht nicht einmal ein Abstimmungstermin fest. Premierministerin Radicova will unbedingt vor dem am 17. Oktober beginnenden EU-Gipfel abstimmen lassen, die Rettungsschirm-Gegner um Parlamentspräsident Sulik beharren auf einen Termin Ende Oktober.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hofft, dass in der Slowakei "alle Verantwortlichen auch zu ihrer Verantwortung stehen". Immerhin glauben EU-Diplomaten, dass sich Bratislava letztlich nicht mit einem "Nein" in Europa isolieren wird.
Auch die Finnen haben bei der Forderung nach einem Pfand für weitere Hilfen an Athen eingelenkt. Statt mit Barmitteln geben sie sich mit langlaufenden griechischen Staatsanleihen zufrieden. "Die Garantien sind jetzt ein sehr teures Instrument", sagt Österreichs Ressortchefin Maria Fekter - außer Finnland will kein Euro-Land das Pfand in Anspruch nehmen.