Auszahlung aus Hilfspaket Griechenland muss auf Milliarden warten

Griechenland braucht dringend die nächsten Hilfsmilliarden, wird sie aber später ausgezahlt bekommen als erhofft. FDP-Chef Philipp Rösler erarbeitet derweil konkrete Pleiteregeln für Eurostaaten.

Die Entscheidung über die Auszahlung der nächsten Rate der Notkredite an Griechenland wird erneut zur Hängepartie. Das hochverschuldete Land kann nun wohl erst im November mit neuem Geld rechnen, wie Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker nach stundenlangen Beratungen der EU-Finanzminister in Luxemburg sagte. Grund sei, dass die sogenannte Troika mehr Zeit für die Überprüfung der griechischen Spar- und Reformbemühungen benötige.

Für den 13. Oktober geplante Beratungen der Euro-Finanzminister über die Freigabe der Tranche in Höhe von acht Milliarden Euro sagte Juncker ab. Bis dahin seien die notwendigen Prüfungen nicht zu schaffen. Der luxemburgische Regierungschef zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass Griechenland die Voraussetzungen erfülle.

Entscheidung bis Ende Oktober

Ohne weitere Milliarden-Hilfen ist Griechenland demnächst pleite. Belgiens Finanzminister Didier Reynders sagte, Athen brauche "in der zweiten Novemberwoche" neues Geld. Die Entscheidung über die Freigabe der nächsten Kreditrate soll Juncker zufolge nun bis Ende Oktober fallen - ursprünglich sollte dies bereits im September geschehen.

Die Troika-Experten von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) hatten ihre Untersuchung jedoch zwischenzeitlich unterbrochen, weil Griechenland seine Aufgaben nicht erledigt hatte. Inzwischen sind die Experten wieder in Athen. Ihr positives Zeugnis für die Sparbemühungen ist die Voraussetzung für jede weitere Überweisung.

Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos zeigte sich auf dem Treffen in Luxemburg kämpferisch. Der Haushaltsentwurf für 2012 sei "sehr ambitioniert". Die Eurogruppe forderte die Regierung in Athen Juncker zufolge jedoch zu weiteren Einsparungen in den Jahren 2013 und 2014 auf.

Streit um "Finnen-Pfand" beigelegt

Einen Erfolg gab es nach dem Treffen aber zu vermelden: Der Streit um das "Finnen-Pfand" im Rahmen des zweiten Hilfspakets für Griechenland ist beigelegt. Zwar bekommt Finnland eine Sicherheit für seine Kredite, muss dafür aber schlechtere Bedingungen wie niedrigere Zinsen für seine Hilfskredite als die anderen Euroländer hinnehmen, die auf eine Gegenleistung Griechenlands verzichten.

Juncker und EU-Währungskommissar Olli Rehn forderten zudem, die finanzielle Schlagkraft des derzeit tätigen Euro-Rettungsfonds EFSF zu stärken. Entsprechende Modelle werden Juncker zufolge geprüft - jedoch keine Erhöhung der Garantiezusagen. Gesucht wird nach einem finanztechnischen Hebelmodell mit dem mehr erreicht werden kann, ohne noch weitere Garantien zu geben. Der Bundestag hatte erst vor wenigen Tagen einer umstrittenen Aufstockung der EFSF-Ausleihkraft auf 440 Milliarden Euro und der Erhöhung des deutschen Garantieanteils auf 211 Milliarden Euro zugestimmt.

Rösler lässt Pleite-Szenario erarbeiten

Damit sich der Fall "Griechenland" nicht wiederholt, dringt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) einem Zeitungsbericht zufolge auf klare Regeln für eine geordnete Insolvenz hochverschuldeter Staaten der Eurozone. Rösler habe bereits Eckpunkte für ein Verfahren erarbeiten lassen, die in den Vertragsentwurf über den permanenten Krisenmechanismus ESM einfließen sollen, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" unter Berufung auf einen Brief von Röslers Staatssekretär Stefan Kapferer an Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen. "Das Ziel eines solchen Restrukturierungsverfahrens muss es sein, dass ein angeschlagenes Land, das sich aus eigener Kraft nicht mehr helfen kann, seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zurückerlangt und gestärkt aus dem Restrukturierungsprozess herauskommt", zitiert die Zeitung aus dem Brief. "Mit Blick auf die angestrebte Resolvenz des betroffenen Landes kann deshalb auch von einem Resolvenzverfahren gesprochen werden." Dies solle nicht dazu führen, dass ein Land pleite gehe, sondern dass es wirtschaftlich wieder "fit" werde.

Wenn ein Land seine Schulden nicht mehr tragen könne, müsse ein festgelegtes Verfahren beginnen, heißt es in dem Papier nach Angaben der Zeitung weiter. Gegebenenfalls müsse es dabei eine partielle Einschränkung von Souveränitätsrechten in Kauf nehmen. Das Verfahren müsse ein unabhängiges Gremium führen, das die Verhandlungen zwischen Schuldnerstaat und Gläubigern organisiert und überwacht. Perspektivisch könne ein "Europäischer Währungsfonds" als Nachfolger des ESM diese Aufgabe übernehmen. Parallel zu den Verhandlungen müsse das Land ein glaubwürdiges Sanierungsprogramm zur Etatkonsolidierung aufstellen. "Finanzhilfen des ESM sollten nur erfolgen, wenn sich die Gläubiger angemessen beteiligen." Könnten sich Schuldenland und Gläubiger nicht einigen, müsse das für beide Seiten mit erheblichen Nachteilen verbunden sein - etwa mit dem Zugriff auf die Vermögenswerte des Landes und mit Vermögensverlusten für die Gläubiger.

Seehofer: Für Bürgschaften geradestehen

Deutschland muss nach Ansicht von CSU-Chef Horst Seehofer womöglich tatsächlich für die Euro-Bürgschaften geradestehen. "Diesen Fall kann man nicht ausschließen", sagte er der "Passauer Neuen Presse" . Eine Umschuldung Griechenlands sei "eine denkbare Folge" angesichts der massiven Probleme des Landes. "Deshalb muss sich die Politik mit dieser Frage als ultima ratio beschäftigen", so der bayerische Ministerpräsident. Es sei "eine Illusion, zu glauben, man könne durch Schweigen unbequeme Fragen verhindern".

DPA · Reuters
nik/DPA/AFP/Reuters