Damit Sie vor lauter Krise noch durchblicken, erklärt stern.de die wichtigsten Begriffe:
AAA
Beim Bontitätsranking herrscht das Prinzip Schulnote: Auf Streber wie Deutschland mit seinem (->) "AAA" sind die anderen neidisch – schließlich gilt man mit der Bestote als besonders kreditwürdig und bekommt das günstigste Geld. Wer dagegen wie Spanien von einer Ratingagentur mit Baa3 bewertet wird, schaut dumm aus der Wäsche. Problemschüler Griechenland hat aus Sicht vieler Eurokritiker schon seit Ewigkeiten das gefürchtete "D" wie "Default", also zahlungsunfähig, verdient. Mit dem Schuldenschnitt konnte das Land die Bewertung trotz fortgesetzter Probleme verhindern. Auch Banken und Unternehmen lassen sich von einerl Ratingagentur beurteilen. Wächst sich die Lage zur Revolte aus, werden eventuell weitere Buchstaben benötigt: "E" wie "Explodiert" vielleicht. Oder ein "F" für "Fuck you", in bester Londoner Tradition.
Austerität
Hat nichts mit Meeresfrüchten zu tun, auch wenn einige Kritiker glauben, dass die Ernte der Austeritätspolitik ähnlich schwer zu erreichen ist wie die Perle einer Muschel. Überspitzt bedeutet Austerität: Sparen, sparen, sparen und die Gegenwart möglichst ignorieren. Ziel des Ganzen ist ein ausgeglichener Staatshaushalt ohne Neuverschuldung. Kann bei den meisten Ländern nur durch äußerst strenge Ausgabendisziplin erreicht werden. Leider bleibt dann zu oft zu wenig Geld für dringend notwendige Investitionen über, was, wie im Fall von Griechenland, zum Abwürgen der Konjunktur führt. Schon Reichskanzler Heinrich Brüning hatte in den 30er-Jahren wenig Erfolg damit gehabt. Das Wort Austerität stammt aus dem Lateinischen und leitet sich von Strenge und Enthaltsamkeit ab. So gesehen ist es kein Wunder, dass das Gesicht dieses rigiden Todsparkurses die protestantische Pfarrertochter Angela Merkel ist.
Bonität
Leitet sich vom lateinischen Wort "bonus" ab, also "gut", und meint ganz allgemein: Kreditwürdigkeit. Jemanden mit guter Bonität (siehe: AAA) können Sie bedenkenlos Geld leihen und guter Hoffnung sein, dass Sie die Kohle irgendwann wiedersehen. Doch Obacht: Verwechseln sie Bonität bloß nicht mit dem Banker-Boni.
Bundesverfassungsgericht
Die Richter in den schönen roten Roben haben sich zur Stiftung Warentest für alle Produkte rund um die Gemeinschaftswährung gemausert. Jedes deutsche Gesetz in dessen Text die Buchstabenkombis EU und Euro vorkommen, muss in Karlsruhe vorstellig werden. Denn nur dort gibt es das begehrte Siegel: 'Hergestellt nach DIN-Grundgesetz, kratz-, stoß- und krisenfest'. Als hätte das höchste deutsche Gericht nicht schon genug damit zu tun, vermeintliche oder tatsächliche Schludrigkeiten des Gesetzgebers auszumerzen (Hartz-IV-Sätze für Kinder, Vorratsdatenspeicherung, Pendlerpauschale), wird ihm auch noch zugemutet, über die Zukunft Europas zu befinden. Ob die Gauweilers, D-Mark-Nostalgiker oder Linke - ständig rennt irgendeiner nach Karlsruhe. Und dann müssen sich die Richter noch Sprüche wie den von Linkenfraktionschef Gregor Gysi anhören: "Diesmal beneidet Sie niemand."
EFSF
Das ist die Kurzform für European Financial Stabilisation Facility. Weil das sehr kompliziert klingt, spricht die Politik spricht lieber von "Rettungsschirm". Klingt einfach besser. Dabei ist dieser im Mai 2010 ins Leben gerufene "Stabilisierungsmechanismus" nichts anderes als eine große Kreditvergabestelle an Krisenstaaten, für die Länder mit Kohle bürgen. Zunächst waren es 440 Milliarden Euro an Garantien, dann 750 Milliarden. Unter den Rettungsschirm wird gemeinhin geschlüpft. Das haben bereits Griechenland, Irland, und Portugal getan, Spanien und Zypern folgen demnächst. Slowenien wird als heißer Kandidat gehandelt. Die EFSF gibt es übrigens nur vorübergehend.
ESM
Die Großwetterlage in Europa ist miserabel. Deshalb gibt es gleich noch einen Rettungsschirm - und zwar einen ständigen. Der Europäische Stabilitätsmechanismus, kurz ESM, soll als EFSF-Nachfolger ab 2013 dauerhaft für Ruhe in der Eurozone sorgen und lästige Staatspleiten vermeiden. Dafür stecken in dem neuen Fonds auch Garantien von 700 Milliarden Euro, und im Gegensatz zu seinem provisorischen Vorgänger eine Kapitaleinlage von 80 Milliarden Euro. Ketzer behaupten, dass die Staats- und Regierungschefs beim Vertrag über den ESM das "F" für "Financial" deswegen weggelassen haben, damit nicht jeder sofort merkt, dass es bei dieser Rettungsschirmsache um irre viel Geld geht.
Euro
Die Gemeinschaftswährung von 17 EU-Staaten ist Namensgeber der aktuellen Krise. Eigentlich zu Unrecht! Denn was kann die Währung dafür, wenn die Regierungen zu viel Geld ausgeben, jahrelang Reformen verschleppen und wie in Griechenland oder Italien beim Steuereintreiben schludern? Allerdings: Da die einen bei der großen Währungsunion nicht mitmachen wollten und wollen (Großbritannien, Dänemark, etc.) und die anderen (noch) nicht dürfen (der ganze Rest), ist der Euro Schuld, dass es in Europa wieder Zonengrenzen gibt. Und tatsächlich ist heute eine Frage aus alten Ostblockzeiten wieder hochaktuell: Wenn ich einmal drin war in der Eurozone - darf ich dann jemals wieder raus?
Eurobonds
Klingt immer noch nach melodramatischem Agentenfilm mit Untertiteln – wäre aber in Wirklichkeit der Auftakt zu einer kontinentalen Schuldengemeinschaft: Mit Einführung von Eurobonds würden sich die Eurostaaten gemeinsam Geld leihen und zwar zu einem einheitlichen Zinnsatz. Das wäre etwa für die Griechen deutlich günstiger, für die Deutschen dagegen teurer, weshalb Merkel strikt dagegen ist. Frankreichs neuer Präsident Francois Hollande wiederum pocht auf Gemeinschaftskredite und hält sie für eine zwingende Folge des politischen Integrationsprozesses. Für Merkel allerdings kommen Eurobonds nur über ihre Leiche in Frage. Ein Wunsch, auf den Frankreich vorerst Rücksicht nehmen will.
EZB
Die Europäische Zentralbank soll möglichst alles genauso machen wie die alte Deutsche Bundesbank, nämlich aufpassen, dass der Euro so stabil bleibt wie einst die D-Mark. Deshalb sitzt das Institut ebenfalls in Frankfurt, auch wenn ihr Chef Mario Draghi ein Italiener ist. Ausgerechnet jemand aus einem Krisenland soll politisch unabhängig agieren und eisern über Geldpolitik und Preisstabilität wachen. Macht er auch. Jedenfalls bisher. Draghi passt hübsch auf, dass die EZB nicht zur Gelddruckmaschine wird. Im Zuge der Eurokrise ging die Notenbank auf Einkaufstour und erwarb Staatsanleihen aus Ländern in finanzieller Not, um die Zinsen zu drücken. Mal klappte es, mal nicht. Spötter meinen: Die größte Bad Bank in Europa ist in Wirklichkeit die EZB.
Fiskalpakt
Noch so ein schönes Wort, mit dem der Normalbürger auf Anhieb so gut wie nichts anfangen kann. Und noch so ein Ding, dass den Euro endgültig und für alle Zeiten krisenfest machen soll. Eigentlich heißt das Abkommen "Europäischer Fiskalpakt" und gehört - bitte anschnallen! - zum Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion. Mit anderen Worten: Die EU und insbesondere die Eurostaaten versuchen, ihr Handeln noch viel viel besser abzustimmen als heute, vor allem in der Fiskalpolitik. Diese ist das Bemühen, mittels Staatseinnahmen (Steuern, Abgaben, etc.) und -ausgaben (Straßenbau, Rentenkasse etc.) für permanentes stabiles Wirtschaftswachstum zu sorgen. Klappt nicht immer, aber die Regierungen versuchen es dennoch permanent. Passend zum Fiskalpakt kommt eine Fiskalunion. Das heißt: Brüssel schaut auf die nationalen Haushalte, was da so getrieben und für was Kohle verballert wird. Manche finden das überhaupt nicht gut, dass die EU-Kommission eingreifen darf. Der Fiskalpakt hat auch Seiten, die fast alle gut finden. Er schreibt eine strenge Obergrenze für die Staatsschulden vor (-> "Schuldenbremse") inklusive automatischer Sanktionen für Länder, die mal wieder schludern. Wieso fast alle? Die Briten machen nicht mit.
Haircut
Bisher kannte ihn die breite Bevölkerung allein vom Friseur. Doch auch in der Wirtschaft gibt es einen Haircut. Angewandt wurde er vor allem im Umgang mit Entwicklungsländern: großzügige Schuldenerlässe zu Lasten der Kreditgeber aus aller Welt, egal ob private oder staatliche. Im Zuge der Eurokrise müssen auch EU-Staaten umschulden. Passiert dies "weich", bekommen die Schuldner einen Aufschub, um ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Beim "harten" Schuldenschnitt dagegen, dem Haircut, werden die Schulden teilweise oder ganz erlassen - die einzigen, die dann ordentlich rasiert werden, sind die Gläubiger. Wie etwa die Griechenlands, die auf mehr als 100 Milliarden Euro verzichten müssen.
IWF
Er ist ein - gemessen an der öffentlichen Wahrnehmung - ein Gewinner der Eurokrise: Der Internationale Währungsfonds, gegründet 1944 im legendären Bretton Woods. Früher führte der IWF ein Schattendasein, half vor allem Entwicklungsländern. Doch seit Europa ins Schlingern geraten ist, vergibt der Fonds Milliardenkredite und hilft beim Design von Rettungsschirmen. Dieser IWF hätte auch dieses Jahr richtig gute Schlagzeilen machen können, wäre da nicht der ständige Ärger mit seinem Führungspersonal: Die aktuelle Direktorin, Christine Lagarde, muss sich in Paris wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht verantworten. Und über den umtriebigen Ex-Chef, Dominique Strauss-Kahn, muss man nicht mehr viele Worte machen.
Leerverkäufe
Sie sind eine Art Mogelpackung: Bei Leerverkäufen leihen sich Spekulanten Aktien und verkaufen sie zu einem hohen Kurs, um kurz nach Kurssturz günstiger zurückzukaufen. Die Differenz ist ihr Gewinn. Noch größer wird die Zockerei, wenn die Leerverkäufe "ungedeckt" oder "nackt" daherkommen - denn dann haben die Investoren die Papiere zum Wettzeitpunkt noch nicht mal selbst besessen, also nicht mal geliehen. Die Folge sind inzwischen allgemein bekannt: Die Kurse schwanken, die Börse wird ihrem Ruf als Casino gerecht, und am Ende stehen wir alle da: nackt und leer.
Ratingagenturen
Ihr Wort wirkt wie Donnerhall: Wenn große Ratingagenturen wie Moody's, Standard & Poor's oder Fitch die Bonität von Firmen oder Staaten herabstufen, kostet das richtig Geld. Die Kreditzinsen steigen und dringend benötigtes "frisches" Kapital wird plötzlich nochmal teurer. Moody's & Co. machen eigentlich nur ihren Job - denn Auftraggeber der Bewertungen sind die Staaten und Unternehmen. Trotzdem haben sich die Agenturen während der Finanzkrise den Ruf mieser Krisentreiber erworben, die wild um sich schlagen frei nach dem Motto: Ruhig noch ein paar mal kräftig reintreten, auch wenn der Gegner längst am Boden liegt.
Schuldenbremse
Das Wort klingt mindestens so gut wie Rettungsschirm. So als könnte man mal schnell auf ein Pedal treten, um damit die dahin rasende Staatsverschuldung anzuhalten. Deutschland hat sich seit diesem Jahr strikte Zurückhaltung bei der Nettokreditaufnahme verordnet. Auf europäischer Ebene existiert schon länger so was wie eine "Schuldenbremse", festgelegt im Maastricht-Vertrag. Doch so richtig ernst nimmt diese Defizitkritierien schon längst keiner mehr, zumal es für Haushaltssünder, die eh keine Kohle haben, keine Sanktionen wie Strafzahlungen gibt. Auch Deutschland erhielt aus Brüssel schon Warnbriefe (Farbe blau). Was ist passiert? Nichts. Die Bundesrepublik macht weiter Schulden und behält dennoch das "AAA".
Und überhaupt: Wie man Schuldenobergrenzen aushebelt, hat die USA vorgemacht, als das Land im Streit zwischen US-Präsident Barack Obama und dem Kongress formal dicht an der Staatspleite vorbeischrammte. Merke: Kommt es hart auf hart, ist die Neuverschuldung das Letzte, was gebremst wird.
Staatsanleihe
Mit der Eurokrise könnte die beste Zeit der Staatsanleihen vorübergegangen sein. Jene Papiere, mit denen sich Staaten locker neues Geld besorgen können. Für Anleger waren sie früher eine todsichere Bank, mit langer Laufzeit und festem Zins. Doch da, wo eine Staatspleite in Sicht ist, pendelt auch die Anleihen des bedrohten Landes auf Ramschniveau. Und mal ehrlich: Wenn man sich den Schuldenstand der USA mal in Echtzeit anschaut, klingt die Sache mit dem Bausparvertrag schon gar nicht mehr so schlecht.
Transferunion
Böse Zungen behaupten, wir hätten sie schon längst in Europa: die Transferunion. Weil die wohlhabenen Länder die ärmeren ja doch schon über den EU-Haushalt unterstützen und der Rettungsschirm künftig Länder unterstützen soll wie Spanien, die dafür keine Reformen aufgebrummt bekommen. Die (->) Eurobonds wären aus Sicht ihrer Kritiker ein weiterer Schritt in diese Richtung. Letztendlich sind aber direkte und dauerhafte Geldzahlungen gemeint. So ähnlich wie der Länderfinanzausgleich in Deutschland. Und genau so verhält es sich auch mit der Beliebtheit einer solchen Maßnahme: Die armen Schlucker finden's prima, die starken Staaten stöhnen. Politisch ist eine solche Transferunion eh nicht durchsetzbar - daher ist sie derzeit einfach nur ein Kampfbegriff der Euroskeptiker.
Troika
Die Krise ist zu groß für einen Player: Daher stimmen EU-Kommission, (->) Europäische Zentralbank und (->) Internationaler Währungsfonds inzwischen ihr Handeln ab. Das Trio nennt sich Troika. Bei manchem Deutschen weckt der Begriff allerdings schlimmste Erinnerungen: Es war 1994, als die Sozialdemokraten Rudolf Scharping, Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder gemeinsam im Bundestagswahlkampf auftraten. Das sollte Einigkeit demonstrieren, doch das Resultat dieser Troika war: Eine bis dahin beispiellose Sozi-Selbstzerfleischung und die krachende Niederlage Scharpings gegen einen damals schon amtsmüden Helmut Kohl. Sollte es in der aktuellen Krise zu historischen Parallelen kommen, wird es ganz eindeutig heißen: Gute Nacht, Europa!