Die Kaviarfrau Nina klingelte pünktlich um 18.00 Uhr an der Tür. Mit strahlendem Lächeln und blitzenden Goldzähnen präsentierte sie ihre Ware: Schwarzer Kaviar in Gläsern unterschiedlicher Größe, 330 Gramm für 600 Rubel (knapp 24 Euro/47 Mark). Nina pendelt zwischen Moskau und Astrachan am Kaspischen Meer. Sie hat in der russischen Hauptstadt schon einen weiten Kundenkreis. Die Nachfrage ebbt nicht ab, weil legal produzierter Kaviar erheblich teurer ist. Zudem dürfte es in Kürze überhaupt keinen Kaviar aus offiziellen Fangquoten mehr geben.
Vorübergehender Fangstopp
Die Fischereibehörde Russlands, geleitet von dem nach Korruptionsaffären und Misswirtschaft abgesetzten Gouverneur der Pazifikregion Primorje, Jewgeni Nasdratenko, fasste auf Anregung der UN den Beschluss, den kommerziellen Fang von Stören im Einzugsgebiet des Kaspischen Meeres zum 20. Juli vorübergehend einzustellen. Der russischen Presse zufolge wurden auch Kasachstan, Turkmenien und Aserbaidschan vom ständigen UN-Ausschuss für die Einhaltung der Konvention über den Handel mit vom Aussterben bedrohten Tierarten (CITES) auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Fang von Stören einzustellen und den Wildfang gesetzlich zu verbieten. Die Maßnahme soll den Stör vom Aussterben bewahren, dessen Bestände mit jedem Jahr schrumpfen.
Iran erfreut über Wegfall russischer Konkurrenz
Die einzige Ausnahme von allen fünf Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres ist nach russischen Medienberichten Iran. CITES-Experten machen Fangquoten von Anstrengungen eines jeden Anrainerlandes zur Bekämpfung des Raubfanges abhängig. Teheran hat ein staatliches Monopol für den Stör-Fang und für die Produktion von schwarzem Kaviar. Wilderer erwartet ein kurzer Prozess: Dem Schuldigen werden die Hände abgehackt. In schweren Fällen werden Raubfänger hingerichtet. Der iranische Monopolist Shilat blickt der Zukunft in Erwartung großer Umsätze mit Optimismus entgegen, da Russland vermutlich als Konkurrent ausscheidet.
Illegale Exporte zehn Mal höher
CITES-Experten schätzen den illegalen Umsatz von schwarzem Kaviar in Russland auf etwa 12.000 Tonnen im Jahr, während offiziell durchschnittlich nur 1.100 Tonnen produziert werden. Im Vorjahr blieb Russland deutlich unter der festgelegten Ausfuhrquote von 87 Tonnen und nahm nur 25 Millionen Dollar (29,3 Mio Euro/57,3 Mio Mark) durch den Export ein. Dagegen wird der Exporterlös illegaler Kaviarproduzenten in der selben Zeit mit knapp 250 Millionen Dollar veranschlagt.
Muss Monopol wieder her?
Der von Russland gefasste Beschluss ist nach Ansicht von Beobachtern weder Fisch noch Fleisch. Es macht keinen Sinn, den Fang einzustellen, ohne dass das staatliche Monopol in der Branche wiederhergestellt wird. Einfache Bürger Russlands werden durch diese Entscheidung nicht in Mitleidenschaft gezogen, weil schwarzer Kaviar aus schwarzer Produktion auf Märkten nach wie vor erhältlich sein wird - zu einem Preis von umgerechnet 230 Mark je Kilogramm. Stammkunden von Kaviarfrauen können noch mehr sparen.
Sanktionen gegen Wildfänger gefordert
Ob Kinder und Enkel noch wissen werden, was schwarzer Kaviar ist, hängt von der Politik der russischen Behörden ab. Um den Stör vor dem Schicksal der Seekühe zu bewahren, die vor mehr als 200 Jahren an der Küste der Beringsee ausgerottet wurden, muss der Staat äußerst hart gegen die Wildfänger vorgehen.
Alexander Marjin