Angesichts von knappen öffentlichen Kassen gewinnen Werbung und Sponsoring zunehmend an Bedeutung. Deshalb entdecken immer mehr Firmen Schulen als lohnenden Einsatzort. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht das mit Sorge. "Kinder sind heute schon überall mit Werbung konfrontiert", sagt GEW-Expertin Martina Schmerr. "Schulen müssen Schutzräume sein."
Interessante Zielgruppe
Für die Wirtschaft ist der Nachwuchs allein schon wegen der Größe der Zielgruppe interessant. Etwa 2,5 Millionen Kinder werden in Kindergärten betreut, dazu gibt es rund 12,4 Millionen Schüler. Ihre Kaufkraft wird von Experten auf mehr als 20 Milliarden Euro geschätzt. Während Schulsponsoring an allen Schulen bundesweit erlaubt ist, dürfen Produkte lediglich in Berlin seit 1997, in Sachsen-Anhalt seit 1998 und in Bremen seit 1999 beworben werden. Doch die Grauzone, warnen Experten, ist groß. Längst gibt es auch Agenturen, die sich im Auftrag der Wirtschaft speziell ums Schulmarketing kümmern.
Die Spread Blue Media Group aus Bottrop (Nordrhein-Westfalen) zum Beispiel bietet Firmen bereits seit 1996 Zugang in die Lehreinrichtungen. "Zu denken, die Schule sei ein werbefreier Raum, ist weltfremd", sagt Geschäftsführer Markus Holzmann. "Es gibt eine ganze Reihe kommerzieller Aktivitäten rund um die Schule." Die Agentur kümmert sich beispielsweise darum, wenn McDonald's eine neue Eiscreme bewerben will, die Obi-Baumärkte auf der Suche nach Auszubildenden sind oder die Kino-Kette UCI ihre Säle zu füllen hat. Die Liste seiner Firmenkunden reicht von Langnese bis Nintendo und Motorola. Zugleich arbeitet die Agentur nach eigenen Angaben mit 3000 Kindergärten und Kitas sowie 6000 Schulen zusammen.
Extra-Einnahmen für die Schulen
"Im Jahr kann sich eine Schule auf diese Weise mehrere tausend Euro dazu verdienen", sagt Holzmann. In Berlin sei etwa die Hälfte der Berliner Schulen mit Werbeplakaten bestückt. Auf Basketball- Körben ist Werbung der Berliner Stadtwerke gedruckt, in der Pausenhalle kleben Folien mit dem Logo eines Radiosenders auf dem Boden, auf Gratis-Schulheften prangt Margarine-Webung.
Auch aus Sicht der Marktforscher lohnt sich die Investition. "Kinder haben ein großes Markenbewusstsein", sagt Ralf Bauer vom Egmont Ehapa Verlag, der alljährlich die "Kids Verbraucher Analyse" erstellt. "Sie lernen ab einem Alter von zwei Jahren Marken kennen. Außerdem spielen sie eine sehr große Rolle, was Kaufentscheidungen der Eltern betrifft." Allerdings sei die Wirkung reiner Sponsoring-Aktionen schwer messbar.
Vorgehen ruft Kritiker auf den Plan
Solche Zweifel beeindrucken Vorreiter im Schul-Sponsoring wie Microsoft, Coca-Cola oder die Telekom wenig. "Wir stellen zum Beispiel Computer oder Büromaterial zur Verfügung, das ohnehin abgeschrieben werden muss", sagt T-Mobile-Sprecher Husam Azrak. "Als weltweit operierender Konzern wollen wir unserer sozialen Verantwortung nachkommen."
Trotzdem ruft die Werbung in der Schule Kritiker auf den Plan. "Kinder sollen ein kritisches Urteilsvermögen entwickeln, bemerken aber, dass ohne Sponsor nichts läuft", sagte GEW-Expertin Schmerr. Vereinzelt würden sogar die Lehrpläne den Geldgebern angepasst - etwa wenn im Informatik-Unterricht eine bestimmte Handy-Marke oder im Sozialkunde-Unterricht die Firmengeschichte durchgenommen werde.
Kinder dafür zu beeinflussbar
Auch Verbraucherschützer sehen die Entwicklung mit Argwohn. "Wir haben den Eindruck, dass jedes Bundesland Sponsoring und Werbung an Schulen zulässt", sagt Günther Rosenberger vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Besonders in Berlin dürften Produkte freizügig beworben werden. Dabei könne es durchaus "konstruktive Partnerschaften" geben. "Aber Produktwerbung darf in der Schule nicht stattfinden. Die Kinder sind sehr beeinflussbar."