Gewerkschaftschef Schmoldt "AKWs sollen länger laufen"

Längere Laufzeiten für manche Atomkraftwerke fordert der Chef der Gewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt. Im stern.de-Interview spricht er sich zudem gegen eine Unterstützung der neuen Linkspartei aus und verrät, wie sich die SPD in der großen Koalition von der CDU absetzen kann.

Die Erneuerbare-Energien-Branche will in einigen Jahren die Strom-Vollversorgung garantieren. Was halten Sie davon?

Der derzeitige Energiemix in Deutschland hat sich bewährt. Natürlich wird der Anteil der regenerativen Energie zunehmen. Aber ich habe Zweifel, ob sich die mutige und noch nicht belegte Ankündigung bewahrheitet, mit erneuerbarer Energie auch die Grundlastversorgung sicherzustellen. Das halte ich für problematisch. Die erneuerbaren Energieträger müssen sich zudem, was die Kosten angeht, mit den anderen Energieträgern messen lassen.

Hubertus Schmoldt

Hubertus Schmoldt (62) ist seit 1997 Vorsitzender der IG BCE (Industriegewerkschaft Bergbau, Energie Chemie). Die Gewerkschaft vertritt rund 700 000 Mitglieder und ist damit die drittgrößte Einzelgewerkschaft im DGB. Schmoldt ist seit 1966 Mitglied der SPD. Jochen Luebke/ddp

Sehen Sie den Trend zur erneuerbaren Energie mit Sorge, da Jobs ihrer Mitglieder in Gefahr sind?

Nein, denn unsere Mitglieder sind auch in Unternehmen tätig, die mit erneuerbaren Energien zu tun haben, etwa Solarzellen herstellen. Wir wollen die Energieträger nicht gegeneinander ausspielen.

Gehören Ihrer Meinung nach zu einem vernünftigen Energiemix auch Kohle und Atomenergie?

Kohle wird weltweit der Energieträger Nummer eins bleiben. Heimische Steinkohle steuert zehn Prozent zu unserer Stromversorgung bei. Und wir hoffen, dass es trotz des Ausstiegsbeschlusses aus dem Steinkohlebergbau auch nach der Überprüfung 2012 bei dieser Größenordnung bleiben wird. Die Braunkohle steuert etwa 20 Prozent bei. Sie ist subventionsfrei und wettbewerbsfähig. Und wir gehen davon aus, dass sie auch künftig im Energiemix vertreten sein wird.

Die treibhausgasintensive Energie aus Braunkohle hat in der derzeitigen Klimaschutz-Diskussion keinen guten Ruf.

Wenn alle Länder auf der Welt solch effizienten Kohlekraftwerke hätten wie wir in Deutschland, wäre das ein großer Fortschritt zur CO2-Reduzierung. Zudem haben die Unternehmen zugesagt, dass sie CO2-freie Kohlekraftwerke auf den Weg bringen werden. Wenn das gelänge, wäre es ein Riesenbeitrag zum Klimaschutz.

Atomkraft ist CO2-arm. Wäre es nicht sinnvoll, die Laufzeiten der Kraftwerke zu verlängern, bis die Öko-Energie die entstehende Versorgungslücke schließen kann?

Sie beziehen sich auf die Position des Chefs des Windenergie-Konzerns Repower-Systems, Fritz Varenholt. Er will durch die Verlängerung der Restlaufzeiten mehr Zeit zur Entwicklung alternativer Energiequellen gewinnen. Das finde ich sehr sympathisch. Aber derzeit gilt der Ausstiegsbeschluss der rot-grünen Regierung. Wir werben dafür, die einfache Logik - 32 Jahre Laufzeit für jedes Kernkraftwerk und dann abschalten - durch mehr Flexibilität zu ersetzen. Die Laufzeit sollte nach der Sicherheit der Kraftwerke bemessen werden. Wir wollen schon, dass manche Kraftwerke länger laufen können und andere dafür früher abgeschaltet werden. Aber wir plädieren nicht für einen Ausstieg aus dem Ausstieg. Das ist derzeit politisch nicht machbar.

Halten Sie die Position der SPD-Führung in der Atomfrage für richtig?

Die SPD hat diesen Ausstieg maßgeblich mit auf den Weg gebracht, er ist Bestandteil des Koalitionsvertrages, und deshalb kann die Führung der SPD nicht davon abweichen.

Glauben Sie, dass die ganze SPD dahinter steht?

In jeder Partei gibt es unterschiedliche Positionen. Und je mehr das Thema Klimaschutz an Bedeutung gewinnt und je länger die CO2-freie Energieerzeugung auf sich warten lässt, desto mehr wird die Diskussion um die Kernkraft wieder an Schärfe und Intensität gewinnen.

Themawechsel: Die neue Linkspartei ist beschlossene Sache. Einige Gewerkschaften haben ihre Unterstützung zugesagt. Bricht der SPD die gewerkschaftliche Unterstützung weg?

Schon mit Gründung der Grünen hat die SPD Wähler und Mitglieder verloren, und das wird auch mit der Linkspartei der Fall sein. Ich glaube schon, dass einige in den Gewerkschaften auf die Linkspartei setzen und sie unterstützen. Doch ich sehe in der SPD imer noch die größte Aufgeschlossenheit für unsere Themen. Aber die SPD muss als Volkspartei die unterschiedlichsten Schichten der Gesellschaft vertreten. Deshalb wird sie zumindest zeitweise Teile ihrer Wähler an die Linke verlieren. Deren illusionäre Positionen werden jedoch bald deutlicher erkennbar werden. Ich sehe für meine Gewerkschaft in der Linkspartei jedenfalls keine Alternative zur SPD.

Wie muss sich die SPD positionieren, um die volle Unterstützung der Gewerkschaften zurückzuerobern?

Die SPD muss dafür sorgen, dass die notwendigen Reformen nicht zu einer übermäßigen Belastung der Menschen in unserem Land führen. Sie muss sicherstellen, dass die soziale Gerechtigkeit gewahrt bleibt.

Tut sie das in der großen Koalition?

Bei der Gesundheitsreform hat die SPD Pläne der Union verhindert, das Solidarsystem und die paritätische Finanzierung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufzugeben. Das halte ich für ein ganz wichtiges Grundelement. Bei der Rente sehen wir zwar die demographischen Probleme, glauben aber nicht, sie mit mit der Heraufsetzung des Rentenzugangsalters auf 67 Jahre lösen zu können.

Sondern?

Wichtig wäre es, dass alle Menschen, die das können, bis zum 65. Lebensjahr arbeiten. Derzeit liegt das durchschnittliche Rentenzugangsalter bei etwas über 60 Jahren. Wir brauchen die notwendigen Arbeitsplätze, damit die Menschen bis 65 arbeiten können. Zum Glück fängt die SPD an, über diesen Beschluss nachzudenken. Auf unser Drängen soll die Entscheidung zum höheren Rentenalter 2010 ja noch mal überprüft werden.

Wie kann sich SPD sonst in der großen Koalition von der CDU absetzen?

Die SPD muss darauf achten, dass sie ihre Themen wieder besetzt, die in den vergangenen Monaten von der CDU aufgegriffen wurden. Wie etwa soziale Gerechtigkeit oder das Thema Klimaschutz.

Muss sich die SPD beim Thema Mindestlohn gegen die Union durchsetzen?

Das wird sie müssen. Wir haben in manchen Branchen unanständige Löhne, die Leute werden ausgebeutet. Mit drei Euro oder weniger pro Stunde kann niemand leben. Für diese Leute muss es branchenbezogene Mindestlöhne geben. Das muss die SPD durchsetzen. Das wäre auch wichtig für die allgemeine Akzeptanz von Reformen in der Bevölkerung.

Hoffen Sie auf ein Ende der großen Koalition nach 2009?

Große Koalitionen dürfen nur die Ausnahme bleiben. Aber der Wähler wollte die große Koalition, und nun müssen wir die vier Jahre durchstehen.

Wünschen Sie sich Rot-Grün zurück?

(lacht) Sie erwarten doch nicht ernsthaft, dass ich mich dazu äußere.

Interview: Malte Arnsperger