Gesundheitsminister war früher ein Höllenjob. Man musste sparen, den Patienten Leistungen streichen, den Versicherten Lasten aufbürden und kannte nur Feinde: die Ärzte, die Kliniken, die Pharmahersteller, die Krankenkassen, die Apotheker und die Patienten. "Sie können machen, was sie wollen", sagte einmal die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) einmal. "Sie stehen immer in der Kritik."
Wen das Amt traf, der wurde wahlweise als "Miss Piggy" oder "Möchtegern-Lolita" beschimpft, wie Andrea Fischer (Grüne) oder als "Geisterfahrerin" wie Ulla Schmidt. Auch Männer wurden angefeindet. Als Horst Seehofer den Posten innehatte, wollten manche Lobbyisten nicht einmal mit ihm reden. "Der hat ja nicht mal Abitur", sagte der damalige Ärztepräsident Karsten Vilmar.
Der Gesundheitsminister war der Fußabtreter des Kabinetts.
Sparen war gestern
Seit einigen Jahren hat sich das Image aufgehellt. Gesundheitsminister müssen nicht mehr sparen, sondern können Geld verteilen. Milliarden fluten das System. Weil viele Leute einen Job haben, die Löhne steigen, fließen immer mehr Beiträge zu den Krankenkassen. Und der Gesundheitsminister kann "gestalten", wie Politiker es nennen, wenn sie Geld unter die Leute bringen.
Der erste Gesundheitsminister, dem dieser Trend nutzte, hieß Philipp Rösler. Er kam von der FDP, dachte aber in alten Bahnen und wollte bei Arzneien sparen. Sparen? Ein Liberaler? Manche hielten das für einen Witz, weil die FDP dem pharmazeutisch-industriellen Komplex freundlich gesonnen war. Aber Rösler verabschiedete tatsächlich ein Spargesetz, worauf die oberste Pharmalobbyistin der Hauptstadt den Job verlor. Danach fand sie ein Auskommen als Wirtschaftssenatorin der Berliner Landesregierung.
Röslers Nachfolger hieß Daniel Bahr. Ebenfalls ein Liberaler. Er hinterließ aber kaum Spuren, außer einer komischen Pflegezusatzversicherung namens "Pflege-Bahr". Der Staat fördert sie mit sagenhaften fünf Euro im Monat, nur lohnt sich eine Police für kaum jemanden. Inzwischen sitzt Bahr als Vorstand beim Versicherungsriesen Allianz und kümmert sich um die, na was wohl, private Krankenversicherung. Ein Mehrfaches seines monatlichen Ministergehalts von 14.000 Euro streicht er dafür ein.
Hermann Gröhe hat ein großes Herz für Apotheker
Jetzt aber zum Amtsinhaber Hermann Gröhe. Der frühere Generalsekretär und Wahlkampfmanager der CDU hat das Jobprofil des Geldverteilens verinnerlicht. Er gab an die Pflegekräfte, aber vor allem an die Gesundheitswirtschaft. Um 28 Milliarden Euro stiegen in seiner Amtszeit die Ausgaben der Kassen, allein sechs Milliarden Euro mehr bekamen die Ärzte, acht Milliarden Euro die Kliniken. Im Rennen um den Titel "teuerster Minister Merkels" schiebt sich Gröhe nach vorn.
Nicht nur Kliniken und Mediziner jubeln. Besonders freuen sich Apotheker, für die Gröhe ein großes Herz hat. Genaugenommen ist er ein Apothekenminister. Zweimal kam er der Branche entgegen: Beim Umgang mit Krebsmedikamenten, wo viel Schmiergeld fließt, dürfen Apotheker weiter mit Ärzten und Pharmaherstellern mauscheln. Dass man dort mehrere hundert Millionen Euro einspart, durch mehr Transparenz, wie Experten empfehlen? Bloß nicht. Bald regiert der Wahlkampf. Quengelnde Apotheker will Gröhe da nicht sehen.
Versandhandel für Medikamente? Nein, danke
Daher weg mit dem Versandhandel für Medikamente. Ist auch logisch. Wo kämen wir hin, wenn man im Internetzeitalter, wo sich Schuhe, Autos, Lebensmittel und Möbel bequem online bestellen lassen, weiter auch Medikamente per Mausklick ordern darf? Im 21. Jahrhundert geht das entschieden zu weit.
Was der Bürger von Gröhes Wirken hat? Wenig. Wer als Selbstständiger oder Rentner unter ständig steigenden Beiträgen der privaten Krankenversicherung leidet, muss weiter hadern. Eine Reform der Privaten traute Gröhe sich nicht. Ob Patienten schneller einen Termin beim gewünschten Facharzt erhalten, wie es die kürzlich eingerichteten "Terminservicestellen" versprechen, bezweifeln Experten. 120.000 Termine wurden vergangenes Jahr vermittelt, was bei 560 Millionen Behandlungen in den Praxen, Moment mal, 0,02 Prozent sind.
Das Image von Gröhe aber stimmt. In einer Forsa-Umfrage waren 68 Prozent der Befragten mit seiner Arbeit zufrieden. Von solchen Werten konnten Ulla Schmidt und Andrea Fischer nur träumen. Möchtegern-Lolita hat ihn auch noch keiner genannt.
