Investionen aus Fernost Rote Retter statt gelbe Gefahr

China will die schuldengeplagten Staaten mit Milliarden unterstützen. Zwei deutsche Unternehmen haben Erfahrung mit den Geldgebern aus dem fernen Osten. Ihre Botschaft: Fürchtet Euch nicht.

Für einige klang dieses Angebot nach Verheißung, für andere nach dem Untergang des Abendlandes: Angesichts der eklatanten Schuldenberge der USA, Griechenlands und Irlands, zeigt sich Wen Jiabao großzügig: Sein Land sei bereit, "eine helfende Hand auszustrecken" und mehr Geld in darbende westliche Staaten zu investieren, sagte Chinas Regierungschef jüngst. Die hoch verschuldeten Italiener wandten sich prompt und voller Hoffnung an einen Pekinger Staatsfonds. Amnesty International dagegen schwant Übles: "Geraten einzelne EU-Länder in Abhängigkeit von China, wird es schwerer, Kritik an der dortigen Menschenrechtslage zu üben"; sagt China-Experte Dirk Pleiter.

Fragt man Firmen, die bereits Erfahrungen mit Geldgebern aus dem Reich der Mitte haben, ist von Bedenken wenig zu hören. "Globalisierung funktioniert nicht nur in eine Richtung. Es ist vermessen zu glauben, dass nur westliche Firmen von der sich immer stärker vernetzenden Welt profitieren würden", sagt Werner Herr, Vorstand des Industrienähmaschinenherstellers Dürkopp-Adler aus Bielefeld stern.de. Seit 2005 gehört das Unternehmen zur SGSB-Gruppe aus Shanghai. Es war eine der größten Einzelinvestitionen einer chinesischen Firma in Deutschland, was nicht nur an dem traditionsreichen Namen liegt, sondern vor allem daran, dass China der größte Markt für Dürkopp-Adler ist. Nirgendwo werden mehr Textilien hergestellt, für die man hochwertige Nähmaschinen braucht.

Achtjähriges, mäßig erfolgreiches Abenteuer

Dabei ist es nicht so, dass die Zusammenarbeit nur erfolg- und ertragreich war. Im Jahr 2009 brach durch die Wirtschaftskrise 60 Prozent des Marktes für die Ostwestfalen weg. "Auch wir haben Verluste gemacht. Unsere chinesischen Anteileigener haben uns allerdings massiv unterstützt. Ich bin nicht sicher, ob Eigentümer aus anderen Ländern ebenso gehandelt hätten", sagt Werner Herr. Offenbar haben die Geldgeber aus dem fernen Osten aus ihren Fehlern gelernt, die sie bei ihrer ersten Investitionswelle Anfang des Jahrtausends gemacht hatten.

Beim Uhrenhersteller Junghans zum Beispiel, der ein achtjähriges, nur mäßig erfolgreiches Abenteuer hinter sich hat. Die Schwarzwälder, die unter anderem die ersten kommerziellen Funkuhren auf den Markt brachten, wurden zunächst in den 50er Jahren vom Rüstungskonzern Diehl übernommen. Im Jahr 2000 dann ging Junghans an die Egana-Goldpfeil-Holding in Hongkong. Das Unternehmen baute binnen weniger Jahre ein buntes Sammelsurium an mehr oder weniger edlen Marken auf. Der Brillen- und Schmuckhersteller Carrera gehörte dazu, das Modelabel Joop, die Schuh-Kette Salamander, die Uhrenlinie von Puma und eben auch Junghans. Doch dort, im fernen Osten, waren "wir schlicht im falschen Wohnblock zu Hause", wie Geschäftsführer Matthias Stotz stern.de sagt. "Unser ehemaliger Mutterkonzern hatte sich auf Lifestyle-Produkte spezialisiert, was leider nicht zur Marke Junghans passte."

Junghans ein Opfer fernöstlicher Trophäenjagd?

2007 dann, keine zehn Jahre nach Gründung, geriet Egana-Goldpfeil in finanzielle Schwierigkeiten, es war unter anderem die Rede von Bilanzfälschung. Ein Jahr später war die Holding pleite, ebenso die Badener, die mit in die Insolvenz gezogen wurden. Doch Junghans hatte Glück: Der örtliche Unternehmer und Junghans-Zulieferer Hans-Jochem Steim kaufte den Uhrenhersteller. Seitdem geht es wieder bergauf, dieses Jahr feiert Junghans sein 150. Firmenjubiläum. Der Chronometer-Produzent war eines dieser typischen Opfer fernöstlicher "Trophäenjagd", zu denen kapitalkräftige Unternehmen aus dem Reich der Mitte früher neigten und von dem sich der deutsche Egana-Goldpfeil-Gründer Hans-Jörg Seeberger in den Jahrzehnten, die er in Asien verbrachte, offenbar anstecken ließ.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Zeiten, in denen die Chinesen gekommen sind, um Ideen zu klauen, scheinen vorbei zu sein.

"Kunden schätzen greifbare Partner"

Die Chinesen reize der Zugang zu westlicher Technologie manchmal so stark, dass sie sich zu Übernahmen hinreißen ließen, allein um sich mit dem Besitz westlicher Marken zu brüsten", heißt es beim Beratungsunternehmen KPMG. Anders gesagt: Label wie "Made in Germany" sind nicht selten wichtiger als strategische Erwägungen. Schlechte Erfahrungen mit diesen Statusgehabe hatte auch der Elektronikproduzent Schneider gemacht. Die Firma TCL aus Shenzhen kaufte dem TV-Gerätehersteller aus dem schwäbsichen Türkheim nach dessen Insolvenz erst die Konkursmasse ab, ließ das Restunternehmen aber anschließend in den Untiefen des Riesenkonzerns sang und klanglos versickern.

Reiches, ausgabefreudiges China

Theoretisch sitzt China auf einem Geldberg im Wert von mehr als drei Billionen Dollar. Rund dreiviertel davon ist in Staatsanleihen angelegt, unter anderen in europäischen Werten, weswegen China schon aus reinem Eigeninteresse die Bonität ihrer Schuldner erhalten will. Mit dem Rest der Währungsreserven geht China schon seit vielen Jahren auf Shoppingtour. Schätzungen zufolge wurden allein seit 2005 rund 300 Milliarden Dollar weltweit investiert. In die rohstoffreichen Länder Afrikas zum Beispiel oder auch in deutsche Traditionsunternehmen. Rund eine Milliarde Dollar floss zuletzt nach Deutschland.

Junghans-Geschäftsführer Matthias Stotz kommt gerade aus Asien wieder, unter anderem war er in Malaysia und China auf der Suche nach neuen Vertriebswegen. Chinesische Investoren erfreuen sich auch deshalb großer Beliebtheit, weil sie den hiesigen Firmen die Tür zu einen der größten Binnenmärkte der Welt öffnen können - was im Fall von Junghans allerdings nicht geglückt war. "Unsere Kunden schätzen es, einen greifbaren Partner zu haben", sagt Stotz, doch als Teil eines Konzerns wie Egana-Goldpfeil sei diese Nähe nicht immer leicht herzustellen gewesen. Letztlich sei es wie bei einer Ehe: "Man muss den Partner vorher prüfen, bevor man sich das Jawort gibt."

Für Dürkopp-Adler-Vorstand Werner Herr zählen bei binationalen Firmenehen vor allem die handelnden Personen: "Bei jedem geschäftlichen Engagement hängt der Erfolg davon ab, wie gut die Menschen und die Teams zusammenarbeiten können und wollen." Auch er bemüht das Bild einer Ehe: "Es gibt gute und schlechte Zeiten." Die beiden Abgesandten aus Shanghai, die in Bielefeld arbeiten, sind dabei nicht nur Aufpasser, sondern auch Botschafter: Besonders wenn zwei unterschiedliche Mentalitäten aufeinandertreffen, "lauern viele Fettnäpfchen, in die beide Seiten treten können, wenn man niemanden hat, der einem bei der Übersetzung hilft - sprachlich und kulturell."

"Knowhow-Abfluss hat es bislang nicht gegeben"

Ein weiteres gerne gepflegtes Vorurteil, dass es chinesische Firmen nur auf Patentklau abgesehen haben, wollen weder Werner Herr noch Matthias Stotz bestätigen. "Chinesische Unternehmen wollen vor allem zwei Dinge", sagt Dürkopp-Adler-Chef: "Zutritt zum europäischen Markt und an der Produktentwicklung partizipieren. Das würden europäische Firmen schließlich auch wollen. Einen Knowhow-Abfluss aber hat es bislang nicht gegeben." Ähnlich der Junghans-Geschäftsführer: "Die Chinesen investieren gerne in wertvolle Marken, etwa aus Europa, weil sie wissen, dass sie deren Produkte und Image nicht kopieren können. Und sie sind mittlerweile clever genug, dies als Wert zu erkennen, den sie schätzen und erhalten wollen."