Sehnsüchtig gleitet der Blick einer jungen Mutter, die neben einem Kinderwagen sitzt, von der Zeitschrift auf die Straße, über die der e-Golf von Volkswagen schnurrt. "Wir lernen, uns anzupassen", hieß es in der Szene zuvor, in der zwei Männer in einer Raumfähre schweben. "Wir können alles erreichen" in der anschließenden Sequenz, in der ein Mann trotz eines amputierten Unterschenkels einen famosen Weitsprung hinlegt. Für diesen Werbeclip hat die britische Advertising Standards Authority (ASA) nach Beschwerden aus der Öffentlichkeit nun die Ausstrahlung im Fernsehen verhindert. Er bediene die Aufrechterhaltung stereotyper Geschlechterrollen, die festlege, wie Menschen sich selbst und andere sehen: mit begrenzten Möglichkeiten in ihren Lebensentscheidungen, weil sie einem bestimmten Geschlecht angehören. Bei Youtube wird der Spot weiterhin ausgestrahlt.
Auch in einem zweiten Fall wurde die ASA aktiv. Zwei Männer treffen sich zufällig in einem Restaurant, in dem sie frühstücken möchten. Einer mit Kleinkind im Arm, der andere mit einem Baby in einer Babyschale. Beide sind derart fasziniert von belegten Broten, die mitten durch den Raum über ein Fließband rollen, dass sie selbstvergessen ihre Kinder auf dem Beförderungsband abstellen, um nach einem Brot zu greifen. "Männer sind schlechte Kinderbetreuer", suggeriert diese Werbung für den Frischkäse von Philadelphia des US-amerikanischen Lebensmittelkonzerns Mondolēz. Das könne dazu führen, dass Männer sich für inkompetent in Fürsorge und Erziehung halten. Das Resultat: Fernsehverbot für Großbritannien.
Die Konzerne rechtfertigen sich
Zur seiner Verteidigung hat Mondolēz vorgebracht, man habe absichtlich zwei Väter gezeigt, um das stereotype Image zu vermeiden, dass Mütter die gesamte Verantwortung in der Kinderbetreuung trügen.
Die Experten sind überrascht
Im Falle VW hatten die Kritiker bemängelt, dass Männer bei abenteuerlichen Aktivitäten gezeigt würden, während die Frauen passiv sind: eine schläft, die andere sitzt auf einer Bank herum.
Doch es wird auch Kritik an der ASA laut, berichtet der britische "Guardian". Der Werbe-Experte der Anwaltskanzlei Lewis Silkin, Geraint Lloyd-Taylor, sagte: "Es ist besorgniserregend zu sehen, dass die ASA die Rolle der Moralpolizei einnimmt. Das hat dazu geführt, in dem Eifer, die neuen Regeln durchzusetzen, in diesem ersten Schwung an Gerichtsurteilen den gesunden Menschenverstand außer Kraft zu setzen."
Der Träger für Anzeigenprüfung vor der Ausstrahlung äußerte sich ebenfalls frustriert über die Entscheidungen: "Die Interpretation der Werbung gegen die neue Gesetzgebung durch die ASA geht weiter als wir dachten und hat Auswirkungen auf eine ganze Reihe von Werbespots."
Quelle: "The Guardian"