Die Deutsche Telekom AG wird sechs der insgesamt neun regionalen Kabel-TV-Gesellschaften an die britisch-amerikanische Liberty Media Corporation verkaufen. Einem entsprechenden Eckpunktevertrag haben jetzt die Vorstände beider Unternehmen zugestimmt. Von Liberty Media werden die Kabel-TV-Regionen Hamburg/Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern, Bremen/Niedersachsen, Rheinland-Pfalz/Saarland, Berlin/Brandenburg, Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen und Bayern erworben. In den sechs Regionen sind laut Telekom mehr als 10 Millionen Haushalte an das Kabelnetz angeschlossen. Die Unternehmen streben einen endgültigen Vertragsabschluss im Juli 2001 an. Über den Kaufpreis machte die Telekom keine Angaben.
»Denver-Clan« regiert das Wohnzimmer
Liverty Media will die teure Infrastruktur - ursprünglich mit Steuergeldern finanziert - dann für Multimedia-Fernsehen und schnellen Internet-Zugang aufrüsten. Das in Deutschland wenig bekannte amerikanischen Unternehmen Liberty Media hat seine Zentrale in Würden Sie für ein besseres TV-Angebot mehr bezahlen? Sagen Sie es uns im Wirtschaftsforum... in Denver im US-Bundesstaat Colorado. Damit zieht der »Denver-Clan« sozusagen wieder in deutsche Wohnzimmer ein.
Besseres Angebot, höhere Preise
Hinter dem Unternehmen steht der Kabel-Boss John Malone. Malone hat zusammen mit dem britischen Investor Gary Klesch, der wiederum für Hessen den Zuschlag erhielt, die übrigen Regionen im Visier. Malones Unternehmen Liberty Media gehört noch zum Telefon-Konzern AT&T und ist selbst an AOL Time Warner und dem Medien-Imperium von Rupert Murdoch beteiligt. In Europa wittert Malone neue Geschäfte. Auf die Fernsehzuschauer kommen dadurch vermutlich bessere Angebote, aber auch höhere Preise zu.
Wer mehr möchte zahlt extra
Der Kabel-Experte Ulrich Reimers von der TU Braunschweig rechnet damit, dass die Amerikaner ihre bisherigen Preismodelle auch in Deutschland einführen. Im Grundpreis wären dann nur die wichtigsten Programme enthalten. Wer mehr möchte, zahlt extra. »Das wird richtig teuer«, glaubt Reimers. Der Professor für Nachrichtentechnik befürchtet auch, dass Mallone & Co. ihre eigenen Zulieferer für die Aufrüstung des Kabelnetzes mitbringen und die deutsche Wirtschaft leer ausgeht. »Das ist so, als ob ein ausländisches Unternehmen in Deutschland eine Autobahn ausbaut und dann noch die Verkehrsschilder importiert.«
Konkurrenz durch Satellitenschüssel
Künftig sollen zusätzliche Programme, elektronische TV-Führer und über einen Rückkanal auch interaktive Dienste und Video per Bestellung vom Sofa aus abgerufen werden können. Die Unternehmen stehen dabei unter Zeitdruck, ihre Milliarden-Investitionen in das Netz wieder hereinzuholen. Als ernst zu nehmende Konkurrenz gilt die Satellitenschüssel. Die Investment-Bank SalomonSmithBarney hält indes in einer Studie über Callahan Angebote fürs Telefonieren und Internet-Surfen über das breitbandige Kabelnetz wirtschaftlich für »deutlich attraktiver« als das Fernsehen. Was genau auf die Nutzer zukommen wird, ist noch unklar. Callahan will erstmals im Spätsommer 500.000 seiner Kunden in Nordrhein-Westfalen mit neuen Diensten versorgen.
Wer betimmt bei Netzebene 4
Auf ihrem Weg in die Wohnzimmer haben die neuen Kabelnetz- Betreiber allerdings noch ein Hindernis vor sich: Der direkte Kontakt zum Kunden auf der so genannten Netzebene 4, die vom Gebäude-Verteiler bis in die Wohnung reicht, liegt meist in der Hand von Hausbaugesellschaften und mittelständischen Unternehmen. Experten rechnen damit, dass es auch in diesem Bereich zu Akquisitionen kommt. Die Deutsche Bank, die auch einmal für das Kabelnetz der Telekom mitgeboten hatte, will zum Beispiel ihre Kabel-Tochter Tele Columbus verkaufen. Eine Kaufoption hat der niederländische Kabel-Gigant UPC erhalten. Dessen Muttergesellschaft ist der Konzern UGC, an dem auch Liberty Media beteiligt ist. Sitz des Unternehmens: Denver, Colorado.
Die Telekom hatte bereits die Kabelfernsehnetze in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen verkauft. Dort hatten die neuen Eigner allerdings nur Mehrheitsanteile erhalten.