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Protest gegen Rheinmetall Ein Panzer rollt vor den Reichstag

Für ihren Protest vor dem Bundestag in Berlin mietete die Organisation Campact einen ausgemusterten Panzer vom Typ Leopard-1 an.
Für ihren Protest vor dem Bundestag in Berlin mietete die Organisation Campact einen ausgemusterten Panzer vom Typ Leopard-1 an.
© Hans-Martin Tillack/stern
Aus Protest gegen die von Rheinmetall geplante Panzerfabrik in der Türkei will Campact einen echten Leopard-Panzer vor den Reichstag rollen. Der Anlass: Rheinmetall kann auf einen frischen Auftrag der Bundeswehr hoffen.
Am heutigen Mittwoch rollt ein Panzer vor den Reichstag – aber die Absichten dahinter sind ganz friedlich. Die Organisation Campact hat einen ausgemusterten Panzer vom Typ Leopard 1 angemietet und lässt ihn vor dem Sitz des deutschen Parlaments stationieren. Sie will damit auf ihren Protest gegen die vom Rüstungskonzern Rheinmetall geplante Panzerfabrik in der Türkei aufmerksam machen – und auf die Tatsache, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages Rüstungsaufträgen zustimmen soll, von denen auch Rheinmetall profitiert.
Campact greift damit Recherchen auf, die der stern zusammen mit dem Recherchezentrum Correctiv und der türkischen Exilredaktion Özgürüz Anfang März veröffentlicht hatte (hier der Text von damals): Rheinmetall treibt zusammen mit einer Partnerfirma vor Ort die Entwicklung und den Bau von Panzern in der Türkei voran und sucht dafür sogar bereits Manager und Ingenieure.

Rheinmetall hält an Türkei-Geschäft fest

Nichts deutet darauf hin, dass man bei Rheinmetall diese Pläne nun in Frage stellt. Trotz des zunehmend autokratischen Regimes von Präsident Recep Tayyip Erdogan und auch nach seinem knappen Sieg bei dem Verfassungsreferendum hält man in der Düsseldorfer Konzernzentrale offenkundig an dem Vorhaben fest. Die Pläne reichten "einen längeren Zeitraum zurück" und seien "sehr langfristig angelegt", so ein Rheinmetall-Sprecher bereits Ende März. Sie gälten "unabhängig von aktuellen politischen Konstellationen".
Doch neuerdings kommen vorsichtig kritische Äußerungen auch aus der Regierungskoalition in Berlin. Ein Sprecher des von Brigitte Zypries (SPD) geführten Wirtschaftsministeriums warnte vergangene Woche Rheinmetall indirekt: Die bloße Gründung eines Unternehmens im Ausland sei natürlich nicht genehmigungspflichtig: "Aber die Gründung allein hilft ja erst einmal nicht so viel", fügte der Sprecher hinzu: "Man braucht ja auch das Know-how dafür. Alles, was an Know-how in Deutschland vorhanden ist und über die Grenzen gehen soll, unterläge der Kontrolle."

Genehmigungspflichtig oder nicht?

Bisher hatte man bei Rheinmetall versichert, dass ein genehmigungspflichtiger Technologietransfer "nicht im Mittelpunkt" der Türkei-Pläne stehe. In dem Konzern verfolgt man schon länger eine Strategie der "Internationalisierung": Indem man zum Beispiel Munition in Südafrika entwickelt und produziert und von dort Rüstungsgüter in heikle Länder wie Saudi-Arabien exportiert, erspart man sich Ärger mit der deutschen Politik. Statt Rüstungsgüter oder Blaupausen für Rüstungsgüter auszuführen, beschränkt sich Rheinmetall darauf, Experten zu versenden. Auf die Weise, glaubt man in Düsseldorf, kann man strengeren deutschen Exportauflagen entgehen – auch wenn das Unternehmen einem "Umgehungstatbestand" vehement widerspricht.
Einige Rechtsexperten haben freilich Zweifel, ob das so einfach geht. "Sollte es wirklich so sein, dass der gesamte Technologietransfer in die Türkei allein durch den Know-How-Transfer dieser grenzüberschreitend reisenden Personen stattfindet, müsste die Anwendung dieses Wissens in der Türkei im Ergebnis ebenfalls genehmigungspflichtig sein", glaubt der Wirtschaftsanwalt Harald Hohmann aus Büdingen bei Frankfurt: "Im Zweifel müssten hierfür technische Zeichnungen in die Türkei transferiert werden; diese sind auf jeden Fall genehmigungspflichtig."
Politiker der Opposition wie auch der SPD hatten bereits vor einigen Wochen über andere Möglichkeiten sinniert, Rheinmetall in die Parade zu fahren. Die Bundesregierung, so die Idee, könnte den Konzern abstrafen, in dem man ihm weniger Aufträge aus dem Etat der Bundeswehr gewährt. Sie ist bei dem Düsseldorfer Konzern Großkunde – und nach den Angaben von Rheinmetall selbst stehen bis zur Sommerpause noch 15 größere Beschaffungsentscheidungen an, bei denen das Düsseldorfer Unternehmen beteiligt ist. Das betreffe "mögliche Auftragseingänge" von rund zwei Milliarden Euro, rechnet man bei Rheinmetall vor.
"Rheinmetall verspielt gerade mit seiner Geschäftspolitik seine Reputation in der Politik", sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, bereits vor drei Wochen dem stern. Zur Not müsse man Wege finden, hier einzugreifen: "Rheinmetall provoziert das", sagte der SPD-Politiker.
Am heutigen Mittwoch wird die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD im Haushaltsausschuss des Bundestages voraussichtlich dennoch einen Beschaffungsauftrag durchwinken, von dem auch Rheinmetall profitieren wird. Für insgesamt 759,8 Millionen Euro soll der Münchner Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann unter anderem 104 Leopard-2-Panzer mit moderner Technik nachrüsten und an die Bundeswehr liefern. Mit einem Auftragsvolumen von insgesamt 106,5 Millionen Euro ist Rheinmetall der größte Unterauftragnehmer. Die Düsseldorfer stellen die Waffenanlagen und die Feuerleittechnik für die Leoparden.

Rückhalt für Rheinmetall aus der Union

Eckhardt Rehberg, der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, verteidigte die Auftragsvergabe auf Anfrage des stern. Er kenne "die genauen Unternehmensentscheidungen Rheinmetalls" nicht und könne daher nichts zu der Forderung sagen, dem Unternehmen wegen der Türkei-Pläne Aufträge zu entziehen.
"Es läuft alles butterweich durch", wundert sich Michael Leutert, Linken-Abgeordneter und Haushaltsexperte. Ihn überrascht "die Ungeniertheit, mit der Rheinmetall hier vorgeht" – und der geringe Widerstand im Bundestag. Anders als die Abgeordneten von Union und SPD will aber auch der Grünen-Haushälter Tobias Lindner gegen den Auftrag an Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall stimmen und die Türkei-Pläne von Rheinmetall im Ausschuss thematisieren.
Aus diesem Anlass will die NGO Campact den Panzer vor dem Reichstag auffahren und Unterschriften an Lindner sowie die die Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Gesine Lötzsch (Linke) übergeben. Vor knapp zwei Wochen hatte Campact die Kampagne gegen die Rheinmetall-Pläne gestartet. Mehr als 200.000 Menschen haben seitdem bereits dagegen unterschrieben.
Nachtrag 26. April 18 Uhr: Die SPD-Haushaltsexpertin Karin Evers-Meyer hat am Mittwochabend auf Fragen des stern vom Dienstag reagiert und bestätigt, dass ihre Fraktion den Auftrag zur Lieferung von Leopard-Panzern unterstützt, an dem Rheinmetall mit knapp 107 Millionen Euro beteiligt ist. Die Bundesregierung und insbesondere Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) müsse zwar nun darüber nachdenken, so Evers-Meyer, "inwieweit ein Zurückhalten deutscher Beschaffungsanträge an Rheinmetall sinnvoll und für die Bundeswehr verträglich ist". Das sei aber "keine Aufgabe für den Haushaltsausschuss". Überdies stehe es der Bundesregierung "offen über andere rechtliche Wege Einfluss" auf Rheinmetall zu nehmen.

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