Schaeffler KG Weibliche Übernahme

Über sich selbst sagt die Milliardärin Maria-Elisabeth Schaeffler: "Ich musste Härte lernen, auch wenn's wehtut." Nun greift sie mit ihrem unauffälligen Familienunternehmen den Dax-Konzern Continental aus dem Hinterhalt an. Die Geschichte einer Frau, die neue Regeln setzt.

Sie war jung, blond, schön - und streng katholisch erzogen. Männerbekanntschaften waren verboten. Ihren späteren Mann traf Maria-Elisabeth Schaeffler nur, weil der einmal unpünktlich war: Bei einem Neujahrsempfang am Tegernsee platzte Georg Schaeffler, Fabrikant und Erfinder aus dem Fränkischen, so spät herein, dass man den 45-Jährigen zur Strafe an den "Jugendtisch" setzte - neben die 21-jährige Wienerin Maria-Elisabeth. Der wortkarge Unternehmer und die charmante Medizinstudentin trafen sich noch zweimal, in Anwesenheit ihrer Eltern. Dann wurde geheiratet. "Ich durfte alle meine Gefühle diesem Mann zu Füßen legen", sagt Maria-Elisabeth Schaeffler über die Hochzeit im Sommer 1963.

Die junge Frau hatte keine Ahnung, was ihr Mann beruflich machte. "Nadellager", erklärte er ihr. Sie verstand "Nagellack" und dachte: Kosmetische Industrie, das interessiert mich.

Bis hierher verlief das Leben der Maria-Elisabeth Schaeffler nach altem Muster: Unschuldig-naive Tochter aus gutem Hause trifft reichen älteren Unternehmer und bereitet ihm fortan ein schönes Heim.

Conti zittert vor der Milliardärin

Doch die brave Braut von einst plant jetzt eine der spektakulärsten und aggressivsten Übernahmen der deutschen Firmengeschichte. Mit ihrem Familienunternehmen, der Schaeffler-Gruppe aus dem fränkischen Städtchen Herzogenaurach, greift die 66-jährige Milliardärin den dreimal größeren Dax-Konzern Continental an. Schon jetzt hat sie Zugriff auf 36 Prozent der Conti-Aktien. Management und viele der 150.000 Mitarbeiter des Autozulieferers aus Hannover zittern vor ihr. Wer ist diese Frau, der anfangs kaum einer zutraute, die Firma ihres 1996 verstorbenen Mannes weiterzuführen?

Maria-Elisabeth Schaeffler sitzt in ihrem Büro, alles ist weiß und hell, der Teppich so rein, dass man sich kaum traut, darauf zu treten. Eines ihrer Schoßhündchen läuft herum, ist es Amadeus oder Tosca? Schaeffler ist eine große, schlanke Dame, sorgfältig geschminkt, elegant gekleidet, perfekt vom Zeh bis zum festbetonierten Haar. Wenn sie durch den Betrieb geht, wirkt es, als beträte eine Königin ihr Reich.

Sie musste es sich erst erobern. Nach der Heirat gab sie ihr Medizinstudium auf und schrieb sich für Betriebswirtschaft ein. Irgendwann meinte Georg Schaeffler: "Bei mir lernst du mehr als in den Vorlesungen." Er brachte ihr bei, den Wirtschaftsteil der Zeitung zu lesen und nahm sie mit zu Sitzungen der Geschäftsleitung. Im Gespräch mit dem stern vor einigen Monaten erzählte sie, wie sie einst bei Ingenieuren und Technikern "Nachhilfeunterricht" nahm, "um zu erfahren, was ein Flügelzellenversteller ist".

Wo sich was dreht, werden Lager gebraucht

Die Produkte ihres Mannes, Wälzlager, sind eben nicht einfach zu begreifen. Dafür sind sie umso erfolgreicher. Denn überall, wo sich etwas dreht, ob in Turbinen, Pumpen oder Autos, werden Lager gebraucht. Anfang der 50er Jahre fuhr auch der VW Käfer mit dem von Georg Schaeffler erfundenen "käfiggeführten Nadellager", heute enthält allein das Getriebe eines C-Klasse-Mercedes 25 Teile aus Herzogenaurach.

Als Georg Schaeffler starb, da wollte seine Witwe "der Welt beweisen, dass es auch ohne ihn geht". Die meisten glaubten, sie würde das Werk verkaufen und ein bequemes Jetset-Leben führen. Aber eine Bussi-Blondine war Maria-Elisabeth Schaeffler nie. Sie holte den ehrgeizigen Manager und Maschinenbauingenieur Jürgen Geißinger als Geschäftsführer nach Herzogenaurach. "Er ist für das operative Geschäft zuständig, aber ich habe überall meine Nase drin", so Schaeffler. Das Duo Schaeffler-Geißinger machte aus dem Familienbetrieb den zweitgrößten Wälzlagerhersteller der Welt. Die Zahl der Mitarbeiter wurde mehr als verdoppelt, auf mittlerweile 66 000 Menschen, der Umsatz vervielfacht auf fast neun Milliarden. Die "listige Witwe", wie das "Manager Magazin" sie einmal nannte, ist heute mehrfache Milliardärin.

Dass das amerikanische Magazin "Forbes" sie und ihren Sohn Georg auf seine Liste der 100 reichsten Menschen der Welt setzte, ärgert Maria-Elisabeth Schaeffler "wie die Pest". Sie will nicht in die Öffentlichkeit gezerrt werden. Das viele Geld trage sie ja nicht mal eben im "Tascherl herum", sondern es stecke im Unternehmen. Sie selbst sei nicht besonders anspruchsvoll: Mittags isst sie meist eine Wurstsemmel am Schreibtisch, abends ein Käsebrot. Ihre einzigen Laster: ein Glas guter Rotwein und ihre "Fernsehsucht". Schaefflers Lieblingssender ist Phoenix, und wenn der den CSU-Parteitag überträgt, hat sie anschließend "rechteckige Augen".

In den Klatschspalten taucht sie nicht auf

Unauffällig und zurückgezogen lebt sie auch in ihrem zweiten Wohnort, der österreichischen Promi-Gemeinde Kitzbühel. Schaeffler besitzt ein holzvertäfeltes Bauernhaus im Tiroler Stil, unweit liegt das Grundstück von Schmusesänger Hansi Hinterseer. Floristin Gerda Koppelmann liefert Blumen für Schaefflers Feste: "Da kommen überwiegend Geschäftsleute." Maria-Elisabeth Schaeffler taucht so gut wie nie in den Klatschspalten auf, bunte Illustrierte sind nicht ihre Welt: "Ich lese die nicht, schon weil ich die amerikanischen Schauspieler alle nicht kenne."

In Herzogenaurach fällt erstaunlich oft das Wort "bodenständig", wenn es darum geht, eine der mächtigsten Frauen Deutschlands zu beschreiben. Man trifft "die Schaefflerin", wie sie hier genannt wird, bei der Einweihung einer von ihr gestifteten Kirchenorgel, bei einem Spendenabend für krebskranke Kinder, auf den Prunksitzungen des Karnevalsvereins und auf dem Golfplatz mit ihrem Duzfreund, Adidas-Chef Herbert Hainer. Das Werk der Schaeffler-Gruppe liegt auf der "Adidas-Seite" der Stadt. Auf der anderen Seite des Flusses Aurach sitzt die Firma Puma. Die beiden Sportartikelhersteller haben Herzogenaurach zwar weltweit bekannt gemacht und lenken ihre Konzerne von hier aus. Aber sie produzieren überwiegend in Asien. Die Firma Schaeffler dagegen stellt 8000 Arbeitsplätze und Lehrstellen. Kein Wunder, dass die meisten Einheimischen voll des Lobes sind. "Sie ist eine außergewöhnliche Geschäftsfrau voller Weitblick und sozialer Kompetenz", schwärmt der CSU-Politiker Hans Lang, der 18 Jahre lang Herzogenauracher Bürgermeister war.

Sie selbst beschreibt ihren Erfolg so: Sie habe ein bisschen Grips und ein gutes Bauchgefühl. Als die Schaeffler-Gruppe vor sieben Jahren den Konkurrenten FAG Kugelfischer schluckte, da hat ihr "der Bauch gesagt, dass das die beste Idee ist, die man haben kann", erzählt sie.

Langfristige Ziele eines Familienunternehmens

Der Bevollmächtigte der IG Metall Schweinfurt und Vizechef der Linkspartei Klaus Ernst, einer ihrer schärfsten Kritiker, nennt Maria-Elisabeth Schaeffler nur "das Burgfräulein": "Sie tut scheinbar nur Gutes, sitzt unantastbar auf ihrer Burg und lässt ihren Geschäftsführer Geißinger die Drecksarbeit machen." Geißinger versuche, in den Schaeffler-Werken die Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche zu verlängern und sei dabei nicht zimperlich. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Schaeffler-Werke Norbert Lenhard kritisiert die mangelnde Mitbestimmung in allen Werken: "Es gibt keinen Aufsichtsrat, wir müssen uns Informationen mühsam erkämpfen." Als Familienunternehmen ist die Schaeffler KG niemandem Rechenschaft schuldig, weder Aktionären noch den Mitarbeitern. Diese Verschwiegenheit macht das Unternehmen stark, weil es, anders als börsennotierte Konzerne, in Ruhe langfristige Ziele verfolgen kann. In der Werkszentrale geht die Geheimniskrämerei so weit, dass die Empfangsdame auf die harmlose Frage, aus welchem Jahr das Firmengebäude stamme, ängstlich antwortet: "Das darf ich nicht sagen."

Seine ganz speziellen Probleme mit der Öffentlichkeit hat Maria-Elisabeth Schaefflers Sohn Georg, der offiziell Mitinhaber der Firma ist, aber als Wirtschaftsanwalt im amerikanischen Dallas lebt. Bisher kannte ihn dort niemand, statt auf Promi-Bälle ging er lieber ins Steakhouse. Doch eine Freundin, eine Fitnessstudio-Besitzerin, gibt an mit dem Milliardär, den keiner kennt. Sie schickte E-Mails an die Lokalpresse, in denen sie mitteilte, dass sie mit Georg Schaeffler zusammen sei, und sie will demnächst sogar in einer Reality-Show auftreten. Tim Rogers vom "D magazine" aus Dallas war bisher der Einzige, der Georg Schaeffler interviewen durfte, in Gegenwart von Schaefflers Anwalt. Er sagt, er habe einen stillen ernsten Mann kennengelernt, der sich als Teenager zum Geburtstag eine Ausgabe des Grundgesetzes wünschte, weil er es so wunderbar logisch fand. Tim Rogers versteht nicht ganz, warum dem Schaeffler-Erben sein Reichtum so unangenehm ist: "He's so German", sagt Rogers und lacht.

Ob der scheue Georg Schaeffler jemals das Familienunternehmen übernehmen wird, ist ungewiss. Momentan sei er in Herzogenaurach und verfolge jedes Detail der Übernahmeschlacht, heißt es. Über Continental reden will er nicht, ebenso wenig wie seine Mutter. Doch je größer und erfolgreicher das Unternehmen Schaeffler wird, desto drängender werden die Fragen: Was sind die Ziele der Familie Schaeffler? Was haben die Conti-Mitarbeiter zu erwarten?

"Gute Ratschläge" braucht Schaeffler nicht

"Ich musste Härte lernen", sagt Maria-Elisabeth Schaeffler über ihren Führungsstil. Sie sagt es in ihrem weichen, warmen Wiener Dialekt und schickt noch seufzend hinterher: "Auch wenn's wehtut." Im Interview mit einer amerikanischen Zeitschrift beklagt sie schon mal die zu hohen deutschen Löhne. Die Gewerkschaften gehen ihr auf die Nerven, daraus macht sie keinen Hehl: "Mein Mann hat dieses Unternehmen aufgebaut, ich setze das im Interesse der Mitarbeiter fort, und dazu brauche ich keine guten Ratschläge."

So funktioniert das Matriarchat: Mama sorgt für ihre Kinder, aber sie mag es nicht, wenn man ihr reinredet. Sie bolzt nicht herum wie ihr oberster Manager Geißinger, das ist nicht ihr Stil. Maria-Elisabeth Schaeffler, die stille Königin von Herzogenaurach, droht nicht mit Abwanderung ihrer Produktion für den Fall, dass die Mitarbeiter aufbegehren oder weniger arbeiten wollen. Sie sagt nur leise und freundlich: "Ach, das wäre schade. Schade für Deutschland."

Mitarbeit: Rolf-Herbert Peters; Mathias Rittgerott, Karsten Lemm

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