Das 700-Milliarden-Rettungspaket ist vorerst im Kongress gescheitert: Vor allem viele Abgeordnete der Republikaner verweigerten die Zustimmung zur größten staatlichen Intervention in den USA seit der Weltwirtschaftskrise. Demokraten und Republikaner beschuldigen sich gegenseitig, für das Scheitern verantwortlich zu sein.
Lesen Sie in der Presseschau, wie die US-Medien das Drama um den Rettungsplan kommentieren:
Washington Post
"Die Amerikaner verstehen nicht, dass sie mit der Aussicht konfrontiert sind, ein Jahrzehnt lang wenig oder sogar gar kein Wirtschaftswachstum zu haben. Der Grund ist das Platzen der Kreditblase, an deren Entstehen sie selbst beteiligt waren und die nun das globale Finanzsystem bedroht. Politiker sorgen sich mehr um ideologische Standpunkte, parteipolitische Gehabe und Lehren für die Bürger, als darum, eine finanzielle Kernschmelze zu verhindern. Banker müssen öffentlich ihre eigene Gier, Arroganz und Inkompetenz eingestehen. Und die Regierungschefs im Ausland denken immer noch, dass es sich um ein rein amerikanisches Problem handelt und dass sie nicht dazu gezwungen sind, ähnliche Rettungsaktionen in ihren eigenen Ländern zu starten. In den kommenden Wochen und Monaten werden alle diese Menschen begreifen, wie tief das Loch in dem wir alle stecken, in Wirklichkeit ist."
New York Times
"Die Gesetzesvorlage des Kongresses hat niemand wirklich geliebt, aber es war der Versuch Autorität durchzusetzen. Es war der Versuch, die Marktpsychologie zu ändern. Die Menschen vertrauen den Banken nicht mehr; die Banker vertrauen sich gegenseitig nicht mehr. Es war ein Versuch die Autoritätskrise in Washington zu beheben. Zumindest hätte es die Situation stabilisiert, so dass man fundamentale Reformen der Weltfinanzarchitektur später hätte angehen können. Aber die 228 Abgeordneten des Repräsentantenhauses, die mit Nein gestimmt haben, haben den globalen psychologischen freien Fall noch weiter verschärft. Jetzt haben wir eine Krise der politischen Autorität und eine Autoritätskrise am Finanzmarkt.
Das Einzige was jetzt zählt, ist der Versuch die Rettung zu retten. Wir haben keine Zeit, ein neues Gesetzespaket zu finden. Deshalb sollte die Gesetzesinitiative des Kongresses noch einmal am Donnerstag zur Abstimmung gegeben werden. Falls die nicht gelingt, dann droht der ganzen Welt eine harte wirtschaftliche Zeit (die Europäer haben noch nicht einmal begonnen, sich die giftigen Schulden einzugestehen), aber auch eine harte politische Zeit. Das amerikanische Jahrhundert entstand durch amerikanische Führungskraft, die momentan knapper ist als Kredite auf dem Finanzmarkt."
Los Angeles Times
"Die Gesetzesinitiative wurde von Mitgliedern beider Parteien abgelehnt, aber es waren die Republikaner, die nicht die Ja-Stimmen zusammenbrachten, die sie zuvor versprochen hatten. Der einzige Mann, der wirklich versucht hat, diese Krise wie eine Krise zu behandeln - John McCain - wurde vom Mehrheitsführer im Senat, dem Demokraten Harry Reid, verspottet, der ihn anfangs noch angefleht hatte, nach Washington zu kommen, um bei den Verhandlungen zu helfen. Ich verabscheue Populismus. Aber falls es je einen Moment gab, an dem vernünftige Männer den Wunsch verspürten, zur Heugabel zu greifen, dann ist er jetzt gekommen. Niemand ist frei von Schuld. Niemand hat eine weiße Weste. Zwei Jahrzehnte der Völlerei der politischen Klase waren der Prolog einer nun beginnenden Ära, in der nur noch karge Reste auf dem Speiseplan stehen."
USA Today
"Alles was nach einem "Rettungsplan für Wall Street" klingt, erzeugt eine heftige Ablehnung, weil es eine von Amerikas unbeliebtesten Institutionen mit einem bei Amerikanern unbeliebten staatlichen Vorgehen kombiniert. Deshalb ist es nicht weiter überraschend, dass ein Plan, der vorsieht, vergiftete Werte im Umfang von 700 Milliarden aufzukaufen, eine solche öffentliche Entrüstung und ein solche politischen Manöver erzeugt hat, die beinahe den Kompromiss in Gänze scheitern ließen. Über den Kompromiss kann man viel sagen, aber das Wichtigste ist: Ganz gleich wie unangenehm es einem dabei ist, es muss getan werden. Es gibt keine Gewissheit, dass dieser Plan auch wirklich funktionieren wird. Auch ist es nicht gewiss, dass die wirtschaftliche Misere weiter anhält, sollte das Rettungspaket nicht verabschiedet werden. Aber die mögliche positive Preisentwicklung und das Risiko eines Kursrückgangs machen allzu deutlich, dass jetzt gehandelt werden muss."
Chicago Tribune
"Erst kürzlich mussten die Konservativen die 200-Milliarden-Rettungsaktion der (Hypothekenfinanzierer) Fannie Mae und Freddie Mac schlucken, die eigentlich den ganzen Tumult an den Finanzmärkten beenden sollte. Jetzt wird ihnen gesagt, dass das nicht genug war - weitere 700 Milliarden seien nötig. Seine Prinzipien ein- oder zweimal zu vergessen, ist die eine Sache. Dieses Rettungspaket aber verlangte von ihnen, sich von ihren Prinzipien ein für allemal zu verabschieden. Eine Lehre für zukünftige Präsidenten ist: Sag die Wahrheit, verlange Leistung von dir und deinen Untergebenen und übernimm Verantwortung für Fehler. Nur dann wirst du eine Glaubwürdigkeit besitzen, wenn ein Katastrophenfall eintritt. Und an diesem Punkt - das kann Bush bestätigen - wirst du sie wirklich brauchen."
Boston Globe
"Nachdem das Rettungspaket 228 zu 205 gescheitert war, gab John Boehner, Mehrheitsführer der Republikaner im US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, der demokratischen Präsidentin des Repräsentantenhauses, die Schuld. Er beschwerte sich darüber, dass ihre Rede die Konferenz vergiftet und dafür gesorgt habe, dass viele Stimmen, mit denen man gerechnet hatte, verloren gingen. Das ist lächerlich. Während die meisten Demokraten sich darauf eingestellt hatten, die Last eines unbeliebten, aber nötigen Rettungspakets auf sich zu nehmen, hatte Boehner weniger als ein Drittel der Abgeordneten auf seiner Seite, um für ein Rettungspaket zu stimmen, das vom Präsidenten seiner eigenen Partei initiiert worden war. Sind Republikaner wirklich so ängstlich, dass ein paar harsche Wörter von Pelosi sie abschrecken? (Inzwischen gab das Wahlkampfteam von John McCain auf bizarre Weise Barack Obama und den Kongress-Demokraten die Schuld für die Ablehnung des Rettungspakets). Dass ein Rettungspaket überhaupt notwendig ist, bleibt empörend. Aber dieses stark verbesserte Rettungspaket muss immer noch verabschiedet werden - und zwar schnell."