Volkswagen-Affäre Die Affäre und der Wahlkampf

Die Schmiergeldaffäre um Ex-Skoda-Personalchef Helmuth Schuster und die "Lustreisen" des VW-Betriebsrats haben eine Diskussion um den Einfluss von Gewerkschaften und die betriebliche Mitbestimmung entfacht.

Seit 1920 per Gesetz Betriebsräte in Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern vorgeschrieben wurden, ist die betriebliche Mitbestimmung umstritten. Zuletzt hatte Anfang Mai der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle Gewerkschaftsfunktionäre als "die wahre Plage in Deutschland" bezeichnet und hatte damit auch aus CDU und CSU Kritik geerntet. Mitbestimmungsgegner sehen das Modell als Wachstumshemmnis, das vor allem ausländische Investoren aus Deutschland fernhält. Gewerkschafter zitieren hingegen gern Studien, die belegen, dass Unternehmen ohne Mitbestimmung krisenanfälliger sind und Krisen langsamer überwinden.

Das VW-Mitbestimmungmodell

Bei Volkswagen geht das Mitbestimmungsmodell über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus. Der Betriebsrat hat nicht nur in eine Schutzfunktion für die Belegschaft, sondern arbeitet auch bei der Entwicklung des Konzerns mit der Konzernleitung zusammen.

Neben der stärkeren Mitbestimmung der Betriebsrates gibt es bei Volkswagen aber eine weitere Besonderheit: Das Land Niedersachsen ist mit 18 Prozent Aktienanteil größter Einzelaktionär des Unternehmens. Deswegen sitzt Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) als Vertreter des Landes mit im Aufsichtsrat. Er forderte mit Blick auf das VW-Vorstandsmitglied und Ex-Kanzlerberater Peter Hartz eine "ergebnisoffenen" Untersuchung. Das Mitbestimmungsmodell wollte Wulff hingegen nicht grundsätzlich in Frage stellen. "Wenn Einzelne etwas falsch gemacht haben, sollte man nicht das ganze System in Frage stellen", sagte er. Bundeskanzler Gerhard Schröder äußerte sich nicht zur Korruptionsaffäre, sagte jedoch, Hartz habe "wichtige Anstöße für den Reformprozess in unserem Land gegeben."

Mehrere Maßnahmen konnten zwischen Vorstand und Betriebsrat getroffen werden, um Arbeitsplätze zu sichern. So wurden etwa durch die Einführung der 4-Tage-Woche die Produktionskosten in Deutschland gesenkt. VW verzichtete daraufhin auf eine Verlagerung der Produktion nach Osteuropa. Mehrere 10.000 Arbeitsplätze in Deutschland blieben somit erhalten. "Für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sind faire Vereinbarungen auf Augenhöhe zwischen Arbeitnehmervertretern und Vorständen entscheidend", sagt Daimler-Chrysler-Konzernbetriebsratschef Erich Klemm. Das Funktionieren der Mitbestimmung bei VW macht aber auch eine enge Zusammenarbeit zwischen Konzernleitung und Betriebsrat nötig.

Ernsthafte Debatte oder Wahlkampfgeplänkel?

Diese Kooperation kritisierte FDP-Wirtschaftsexperte Rainer Brüderle. Er forderte im "DeutschlandRadio" eine Reform der paritätischen Mitbestimmung. Bei VW habe sich eine Grauzone jenseits des Aktienrechts entwickelt, in der sich Manager und Gewerkschafter offensichtlich über Bezüge, Sondervergütungen und Prämien arrangierten, sagte er.

Bernd Osterloh, Nachfolger des zurückgetretenen Klaus Volkert als VW-Betriebsratschef, verurteilte den Versuch, die Arbeitnehmervertretung zu schwächen. Daimler-Chrysler-Betriebsrat Klemm sprang Osterloh bei: "Wer solche Einzelfälle dafür nutzen will, künftig gegen die Interessen der Arbeitnehmer im Unternehmen schalten und walten zu können, gefährdet den sozialen Frieden in den Betrieben", sagte er den "Stuttgarter Nachrichten".

Der Gewerkschaftsexperte Josef Esser sieht den Einfluss der Gewerkschaften gefährdet. "Die Vorgänge und Gerüchte, die jetzt in die Öffentlichkeit gelangen, können auch das deutsche Mitbestimmungsmodell und die Gewerkschaften insgesamt beeinträchtigen", sagte er.

Thomas Krause