Großbritannien scheint von einer Krise in die nächste zu stolpern. Zuerst bereitete der selbst gewählt Brexit der Wirtschaft auf der Insel Probleme, dann kam Corona. Inzwischen stottert der Wirtschaftsmotor kräftig, die Inflation stieg. Die Inflation soll im nächsten Jahr etwa fünf Prozent erreichen, während die britische Wirtschaft voraussichtlich nur um 1,7 Prozent im Jahr 2023 und 1,3 Prozent im Jahr 2024 wachsen wird, berichtet "Reuters". Großbritannien riskiere durch Lieferengpässe sowie Brexit und Corona die eigene Wirtschaft abzuwürgen, urteilen Experten des Think Tank des National Institute of Economic and Social Research (NIESR) im November 2021.
Englands Verbraucher müssen also, ähnlich wie in Europa, mit einer satten Inflation leben. Auch die Lebensmittelpeise zogen kräftig an, durchschnittlich um neun Prozent, schreibt die "Lebensmittelzeitung". Verständlich, dass die britischen Haushalte das Geld zusammenhalten und versuchen, günstiger einzukaufen.
Die Profiteure dieser Entwicklung: Aldi und Lidl.
Denn seit Jahren ärgern sie die vier großen Handelsketten auf der Insel. Doch der Brexit und Corona haben diese Entwicklung noch einmal deutlich verschärft. Der unangefochtene Marktführer Tesco (27 Prozent Marktanteil) bleibt zwar an der Spitze, doch bei Sainsbury's, Asda und Morrisons dahinter klafft in dem Corona-Zeitraum November 2020 bis November 2021 eine Lücke von rund 133 Milliarden Pfund, errechnete das Forschungsinstituts Kantar. Aldi Und Lidl wollen diese Schwäche nutzen. Bis 2025 sollen Hunderte neuer Filialen im Land dazukommen, berichtet die "LZ".
Diese Discounter-Produkte sind so gut wie Markenprodukte

Aldi und Lidl haben die günstigsten Preise in UK
Wie die Verbraucherschutzorganisation Which? mitteilt, haben Aldi und Lidl in Großbritannien im Jahr 2021 die günstigsten Preise angeboten. Mal hatte Aldi die Nase vorn, mal Lidl. "Niemand möchte für Grundnahrungsmittel zu viel bezahlen, insbesondere, wenn die Haushaltsbudgets durch knappe Lebenshaltungskosten zusätzlich unter Druck geraten", sagte Ele Clark von "Which?" zur "LZ". Andy Clarke, ehemals Chef der Supermarkt-Kette Asda, erinnert im Gespräch mit der "Times" an die Zeit nach der Finanzkrise: "Wir alle haben unsere Preise nach oben treiben lassen. Das hat eine Situation geschaffen, die die Discounter ausgenutzt haben."
Und Aldi und Lidl haben sich längst breit gemacht auf der Insel und bedienen schon längst nicht mehr nur die Gruppe der besonders preissensiblen Kunden. Im Jahr 2019 lag der Marktanteil beider Discounter bei 13,9 Prozent, in den nachfolgenden Krisenjahren konnte er auf 14,3 Prozent gesteigert werden. Damit konnten Deutschlands Billigheimer ihr Geschäft innerhalb von einem Jahrzehnt verdreifachen. Eine der Erfolgsstrategien: Die Discounter haben zum einen enorme Geldsummen in die Hand genommen, um sich zu etablieren. Zum anderen haben sie sich früh um Kooperationen mit britischen Lieferanten und Landwirten bemüht. Davon profitieren nun beide Firmen. Wie sehr sich die Discounter in der britischen Öffentlichkeit festgesetzt haben, zeigt auch deren Engagement abseits der Einkaufswagen: Lidl sponsert inzwischen die britische Fußball-Nationalmannschaft, Aldi ist Partner der bekannten TV-Backshow "The Great British Bake Off".
Aldi setzt auf kassenlose Supermärkte
In den Märkten geben sich die deutschen Discounter patriotisch britisch: Produkte aus dem Königreich, aber mit besonders guter Qualität, so spielen die Billigheimer mit dem Werbeversprechen. Doch nicht in allen Bereichen können die beiden Ketten glänzen: Experten sehen vor allem im Online-Handel bei Lidl noch Wachstumskapazität. Denn Aldi experimentiert wenigstens mit Lieferdiensten und Click&Collect-Angeboten, während Lidl das Thema noch gar nicht richtig beackert. Auch technologisch geht Aldi in UK neue Wege. Ein Supermarkt im Londoner Stadtteil Greenwich funktioniert inzwischen ohne Kassen, also wie das Vorbild Amazon Go. Durch eine App auf dem Smartphone und Technologie in den Läden registrieren, was der Kunden einkauft und aus dem Laden schleppt - der Betrag wird dann einfach vom Konto abgebucht. Auch Lidl liebäugelt mit dieser Technik.
Neben den günstigen Preisen, ist es vor allem das schlankere Warensortiment, dass Aldi und Lidl jetzt Vorteile bringen. Denn der Brexit hat Lebensmittelengpässe noch verschärft. Gerade Produkte aus der EU werden zur Mangelware. Laut der "Lebensmittelzeitung" ist das Sortiment der Vollsortimenter rund zehn Mal größer als das der Discounter. Das Warenangebot der Discounter gilt als schlank, während die großen Ketten reichlich Ware besorgen müssen. Und das wird zu Brexit-Zeiten nicht leichter.
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