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Erstmals rote Zahlen in Deutschland Wie Aldi Nord in die Krise schlitterte - und selber daran schuld ist

Aldi Nord
Aldi Nord schreibt 2018 in Deutschland rote Zahlen.
© CHROMORANGE / Christian Ohde/ / Picture Alliance
Erstmals in der Geschichte schreibt Aldi Nord in Deutschland rote Zahlen. Der Discounter hatte im großen Stil Filialen modernisiert. Doch das Investitionsprogramm lief wohl nicht ganz rund. Dafür gibt es nun die Quittung.

Das vergangene Jahr ist für Aldi Nord ein besonderes, denn der Discounter muss erstmals in der Geschichte des Unternehmens rote Zahlen für das Deutschlandgeschäft vermelden. Gerade mal um ein Prozent legte der Discounter beim Umsatz zu - unterm Strich setzt es ein Minus, bestätigt der Konzern dem stern. Schuld daran ist nicht der wählerische Kunde oder Lieferengpässe, sondern ein sehr spät gestartetes Investitionsprogramm. Das sollte die veralteten Filialen fit für die Zukunft machen. Doch nun verhagelt es den Gewinn. Ganz reibungslos soll die Modernisierung nicht verlaufen sein.

Für Aldi Nord ist das ein "kleiner Schock", so die "Lebensmittelzeitung". Denn das Unternehmen aus Essen war erfolgsverwöhnt. Steigende Umsätze und eine unausweichliche Marktmacht: Aldi diktierte lange die Spielregeln im Lebensmitteleinzelhandel. Reduzierte man Preise, musste auch die Konkurrenz nachziehen, um gegen das Schwergewicht bestehen zu können. Doch der Erfolg scheint auch eine gewisse Bequemlichkeit mit sich gebracht zu haben. Denn während selbst der Discounter-Bruder Aldi Süd die Filialen kontinuierlich modernisierte und das Warenangebot aktualisierte, ruhte sich Aldi Nord lange aus.

Und so zeigen sich die Unterschiede zwischen Aldi Nord und Süd erkennbar: Während man im Süden der Republik in zwar schlichten, aber durchaus ansprechenden Märkten einkaufen ging, blieb Aldi Nord der alten Devise vom billigem und ein wenig lieblosem Markt treu. Ganz nach der Idee vom Gründer Theo Albrecht. Kahle Wände, Ware auf Paletten oder einfachen Metallregalen - warum Geld in die Märkte buttern, wenn's auch so geht?

Doch das tat es nicht mehr. Der Einkauf von Lebensmitteln hat sich in den vergangenen Jahren rasant geändert. Von einem Erlebnis sprechen Branchenkenner, die Menschen möchten eine sinnliche Zeit in den Filialen verbringen. Oder zumindest eine Kundentoilette und ein kleines Stehcafé vorfinden. Von beidem hielt man bei Aldi Nord wenig. Investitionsstau nennt sich das. Statt in kleinen Schritten eine Modernisierung anzuschieben, verfielen die vernachlässigten Filialen immer mehr - und verloren zunehmend den Anschluss. Denn Konkurrenten wie Lidl hatten schon deutlich früher eine Modernisierung angeschoben.

Aldi Nord modernisiert - aber sehr spät

Aniko (Aldi Nord Instore Konzept) sollte die Wende einläuten. "Mehr als 100 Jahre Tradition sind kein Grund, alt auszusehen" betitelt der Discounter das neue Konzept. Die rund 2300 Läden wurden ab 2017 umgebaut.Breitere Gänge, heller und freundlicher, neues Lichtkonzept, Ausbau beim frischen Warenangebot und geschultes Personal - so soll Aldi Nord künftig Kunden überzeugen. Kostenpunkt der gesamten Aktion: rund fünf Milliarden Euro.

Doch genau dieser Umbau wird jetzt zum Fallstrick. Denn Woche für Woche wurden rund 40 Filialen geschlossen, um aufgemotzt zu werden. Sechs bis acht Tage waren sie dicht - und so blieb der Umsatz aus. Doch nicht nur das war ein Problem. Die neuen Filialen kommen mit einem größeren Warenangebot daher. Außerdem gab es offenbar Schwierigkeiten mit Lieferungen und der Personaleinteilung. Die Mitarbeiter wurden geschult und müssen nun andere Aufgaben übernehmen, beispielsweise bei den frischen Backwaren. Das klappte wohl nicht so richtig. 

Aldi Nord räumt Fehler ein

Das Management räumt ein, dass man heute den Preis für verschlafene Infrastrukturmaßnahmen zahle, so die "Lebensmittelzeitung". Nun soll ein weiteres, milliardenschweres Programm den Umbau stützen. Wie viel Geld fließen soll, sagt Aldi Nord nicht. Doch die Mittel müssen enorm sein. "Die Gesellschafter tragen den Kurs mit und sind bereit, in das Unternehmen zu investieren", sagt Torsten Hufnagel, der seit September die Unternehmensgruppe Aldi Nord führt, zur "LZ". Aldi Nord steuert also massiv gegen. "Als Gegenmaßnahmen planen wir einen signifikanten Wachstumskurs mit erheblichen Investitionen in Personal und Infrastruktur. Das ist kein Sparprogramm, sondern ein Wachstumsprogramm. Weder in Deutschland, noch in Europa ist ein Stellenabbau geplant; ganz im Gegenteil: wir bauen systematisch Personal auf", so Aldi Nord auf Anfrage des stern. Offenbar reichen die Mittel, die für die Umbaumaßnahme veranschlagt wurden, nicht aus. Allerdings: Kredite brauchen die Gesellschafter nicht, alle Maßnahmen würden aus dem Cashflow bedient, so Aldi Nord auf Nachfrage. Die Familie Albrecht, die hinter Aldi Nord steckt, soll noch nie einen Kredit aufgenommen haben.

Auch 2019 keine Gewinne für Aldi Nord

Torsten Hufnagel soll das Ruder herumreißen. Erst im Herbst hatte er seinen Vorgänger Marc Heußlinger beerbt, der den Kurs des Firmengründers Albrecht fortgesetzt hatte - und dabei stark auf die Innovationsbremse trat. Hufnagel gilt als einer der Urheber des Aniko. Bereits 60 Prozent der Filialen sollen bereits modernisiert worden sein. Laut Aldi Nord wird der Umbau in diesem Frühjahr abgeschlossen. Ein Lichtblick ist das nicht unbedingt - auch für das Jahr 2019 rechnet man in Essen nicht mit Gewinnen auf dem Heimatmarkt.

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