Schaut man sich die Aktienkurse britischer Supermarktketten an, hat man eine Ahnung, wie die großen Akteure derzeit dastehen. Es gab zwar keine panischen Kursrutsche. Aber die Papiere der großen Supermarktketten wie Sainsbury's und Morrisons haben im vergangenen Jahr kontinuierlich verloren. Die Sainsbury's-Aktie gab um 37 Prozent nach, der von Morrisons um 22 Prozent. Auch die Walmart-Tochter Asda verlor seit 2015 rund 19 Prozent, berichtet die "Lebensmittelzeitung".
Klar ist: Großbritanniens Supermärkte stecken im besten Fall im Umbruch, im schlimmsten Fall in einer handfesten Krise.Das Sortiment ist aufgebläht, die Bauordnung auf der Insel verhindert Wachstum und der Onlinehandel klaut sich Marktanteile bei den traditionellen Händlern. Aber es kommt noch dicker: Ausgerechnet die Billigheimer aus Deutschland verhageln den britischen Firmen das Geschäft. Denn Aldi und Lidl, die ja auch gegen den Onlinehandel bestehen müssen, scheinen die Konkurrenz müheloser abzuschütteln.
So wachsen Aldi und Lidl in UK
Im vergangenen Jahr konnte Aldi in Großbritannien und Irland den Umsatz um elf Prozent auf 11,33 Milliarden Pfund steigern. Aldi ist seit 1990 auf der Insel aktiv und belegt inzwischen mit einem Marktanteil von 8,1 Prozent Platz 5 der größten Supermarktketten. Lidl hat einen Marktanteil von 5,8 Prozent.
Das ist beachtlich, aber offenbar noch lange nicht genug. Aldi musste zuletzt sogar einen Gewinnrückgang hinnehmen. Das Vorsteuerergebnis sank um 18 Prozent auf 182,2 Millionen Pfund. Die Begründung von Aldi dazu: Hohe Investitionsausgaben drücken auf den Gewinn. Denn Aldi steigt in UK ordentlich aufs Gas: Bis 2025 soll die Zahl der Geschäfte von aktuell 840 auf 1200 ausgebaut werden. Vor allem im Großraum London will der Discounter neue Filialen eröffnen, dort soll die Zahl von 45 Läden auf 100 steigen. So sollen insgesamt rund 5000 neue Jobs entstehen.
Auch Lidl ruht sich nicht aus. Wie die "Lebensmittelzeitung" jüngst berichtete, plant der deutsche Discounter in Großbritannien den Einstieg in den Onlinehandel. Aber auch das stationäre Geschäft soll wachsen. Etwa 40 neue Filialen sollen in London dazukommen. Insgesamt will Lidl UK 15 Milliarden Pfund investieren. Besonders die Förderung von jungen Landwirten und britischen Lieferanten steht auf der Agenda.
Aldi und Lidl setzen auf britische Produkte
Eine Strategie, mit der Lidl, aber auch Aldi zuletzt sehr gut gefahren sind. Denn beide Discounter stammen zwar aus Deutschland, setzen auf der Insel aber vornehmlich auf einheimische Produkte. Rund Dreiviertel der Discounterware stammt von britischen Herstellern und Lieferanten. Das ist ein Wert weit über dem Durchschnitt, so das Forschungsinstitut Kantar. Demnach werden 62 Prozent der Lebensmittel in Großbritannien importiert. .
Mit regionalen Lebensmitteln fahren die Discounter gut. Sie schaffen es deutlich besser als die Konkurrenz, junge und neue Kunden in die Läden zu locken. Und der Fokus auf britische Produkte könnte noch einen Vorteil bringen: Sollte der ungeordnete Brexit kommen, erwarten Experten Lebensmittelknappheit auf der Insel. Gerade importierte Ware könnten sich radikal verteuern oder erstmal gar nicht auf die Insel gelangen. Aldi und Lidl wären davon weitaus weniger betroffen als die großen Supermarktketten, die vor allem EU-Ware in die Regale räumen. Und: Die Discounter sind günstig, auch das könnte im Zuge des Brexits wichtig werden. "Der Brexit führt zu einem reduzierten Wirtschaftswachstum, der Druck auf die Konsumenten wird größer. Und ein Verbraucher, der stärker auf das Pfund achten muss, geht dann eher dahin", sagt Ulrich Hoppe, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Britischen Handelskammer in London. Eine Studie des Marktforschungsinstituts Verdict Research fand vor einigen Jahren heraus, dass bei Aldi in UK nicht nur ärmere Menschen einkaufen. Rund 20 Prozent der Kunden gehören zur Mittelschicht oder gar zur gehobenen Mittelschicht.
Dass die Discounter auch abseits einkommensschwacher Verbraucher punkten können, liegt an einem Konzept, dass Aldi-Kunden aus Deutschland auch kennen: Die Anzahl der Produkte ist deutlich reduziert. Tatsächlich verbringen die Discounter-Einkäufer bei den Billigheimern weniger Zeit als in den großen Supermärkten von Tesco, Morrisons oder Sainsbury's. Laut der "Lebensmittelzeitung" ist das Sortiment der Vollsortimenter rund zehn Mal größer als das der Discounter. Aldi und Lidls Warenangebot gilt als schlank, während die großen Ketten reichlich Ware in die sehr großen Märkte stapeln - die gefährliche Strategie, wie sich nun zeigt.