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Gesundheitsreform Gezerre um die private Krankenkasse

Die aktuelle Gretchenfrage zur Gesundheitsreform lautet: Sollen auch Privatpatienten in die Finanzierungspläne einbezogen werden? Während diverse Modelle diskutiert werden, steht nur eins fest: Es würde teurer werden.

Union und SPD sind weiter uneins, ob und wie Privatversicherte an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligt werden sollen. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus sprach am Montag vor einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin davon, dass die Privatkassen mit Sicherheit einen Beitrag leisten müssten. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff warnte davor, die Privatversicherung in Frage zu stellen. Auch CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn betonte in der "Berliner Zeitung" vom Montag, die Einbeziehung der Privatpatienten in das erwogene Fondsmodell sei inakzeptabel. Es wäre das Ende der Privaten Krankenversicherung. Die Union wolle sie aber als Vollversicherung erhalten. Er wandte sich damit gegen seinen Parteikollegen Günther Oettinger, der am Wochenende Unterstützung für die Idee signalisiert hatte, Privatpatienten mit in den Fonds einzahlen zu lassen. Dies fordert auch die SPD.

Alle sollen sich beteiligen

Der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, machte es in der "Netzeitung" zur Bedingung für eine Zustimmung zu dem Fondsmodell insgesamt. Man werde dieses Modell nur unterstützen, wenn "auch die bisher privat versicherten einzahlen und die Wirtschaft weiter proportional beteiligt bleibt". Diese Forderung erhebt auch die SPD-Linke, die aber weiter auch grundsätzliche Bedenken gegen den Gesundheitsfonds hat. "Ich kaufe nicht die Katze im Sack", sagte Präsidiumsmitglied Andrea Nahles dem "Handelsblatt". Sie kenne kein Fondsmodell, bei dem nicht der Arbeitgeberanteil eingefroren und die Versicherten mit einer zusätzlichen "kleinen Kopfpauschale" belastet werden sollten. Doch dürfe die künftige Kostendynamik "keinesfalls alleine zu Lasten der Arbeitnehmer gehen".

Das Fondsmodell sieht vor, dass weiter Beiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach Einkommenshöhe erhoben werden, diese aber nicht direkt an die Kassen, sondern in einen Fonds fließen. Dieser soll auch aus Steuermitteln gespeist werden. Aus dem Fonds sollen alle Kassen einen Einheitsbetrag von etwa 170 Euro pro Versichertem erhalten, plus Zuschläge für Alte und Kranke (siehe Grafik). Hauptunterschied zum bisherigen System wäre, dass den Kassen das Einkommen ihrer Mitglieder egal sein könnte und sie mit dem zugeteilten Geld besser wirtschaften müssen als die Konkurrenz.

Wohlhabende Privatversicherte sollen zahlen

Die SPD fordert die Einbeziehung wohlhabender Privatversicherter in die solidarische Finanzierung steigender Gesundheitskosten in den kommenden Jahren. Die Privatversicherer wehren sich gegen solche Überlegungen. Dies wäre Kompromisspolitik im schlechtesten Sinne, sagte der Vorsitzende des Verbands der privaten Krankenversicherung, Reinhold Schulte. Insbesondere gleiche Beiträge für gesetzlich Versicherte und neue Mitglieder der privaten Krankenkassen sowie eine Abschaffung der Versicherungspflichtgrenze würde das Aus für die Privatkassen bedeuten, sagte Schulte. Auch eine neue Steuer auf die Prämie an die Privatkassen lehnte deren Verband ab.

Die 16-köpfige Koalitionsarbeitsgruppe Gesundheitsreform sprach bei ihrer Sitzung am vergangenen Donnerstag das heikle Thema Privatversicherung bereits an. Es sei bislang aber nur andiskutiert worden, ob sie einbezogen werden muss, hieß es aus Kreisen der Arbeitsgruppe. Vorentscheidungen seien nicht getroffen worden. An diesem Sonntag wollen die Koalitionsspitzen erneut bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Reform beraten. Zuvor setzt die Arbeitsgruppe am Mittwoch ihre Beratungen fort.

Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" ist es nach Ansicht hochrangiger CDU-Kreise kaum möglich, die Privaten einzubeziehen. CSU-Experte Wolfgang Zöller hatte am Freitag hingegen betont, es gebe sinnvolle Arten einer Einbeziehung. Die Privatkassen dürften aber nicht kaputtgemacht werden.

Das Bundesgesundheitsministerium wies Berichte über verschiedene Ideen zum Stopfen der absehbaren Finanzlöcher in der gesetzlichen Versicherung erneut zurück. Gegen eine Herausnahme von Risikosportarten aus dem Leistungskatalog der Kassen gebe es nach wie vor erhebliche Bedenken, sagte Sprecher Klaus Vater. Althaus sagte dagegen, dass der Aspekt der Eigenverantwortung stärker betont werden müsse. Er bezog dies auf die Erstattung von Kosten für die Behandlung von Verletzungen aus bestimmten Sportarten.

Auch Gesundheitssoli nicht vom Tisch

Eine Erhöhung der Einkommensteuer zur Finanzierung steigender Gesundheitskosten ist derzeit bei den Koalitionsexperten nicht im Gespräch. Insbesondere ein Gesundheitssoli war in den vergangenen Wochen diskutiert worden. Nach einem Bericht der "Financial Times Deutschland" ist bei den Gesundheitspolitikern im Gespräch, die geplante Kürzung des Bundeszuschusses aus der Tabaksteuer an die Kassen 2007 auszusetzen. Auch könne der Sonderbeitrag von 0,9 Prozent des Gehaltes, den Versicherte zahlen müssen, erhöht werden. Diese erwogenen Maßnahmen zielten auf das Stopfen des Milliardenlochs der Kassen im kommenden Jahr ab, bevor die eigentliche Gesundheitsreform greifen kann. Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer warnte im Fernsehsender n-tv vor einem Abkassieren der Bürger durch die Gesundheitsreform.

mit AP/DPA DPA

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