Der ungewöhnliche Renault Avantime polarisiert. Von Entzücken bis Entsetzen reichen die Reaktionen auf den stark verglasten Franzosen.
Bei Renault haben offenbar die Außerirdischen das Ruder übernommen. Sie bauen dort neuerdings als Autos deklarierte Raumschiffe. Denn im September kommt der Avantime. Der Name bedeutet so viel wie »der Zeit voraus«, was nicht mal übertrieben ist für ein Auto, das aussieht, als käme es aus dem Genlabor. Schließlich haben die Designer vom Studio »D3« im elften Pariser Bezirk einen Van mit einem Coupé gekreuzt.
Fahrende Verschwendung
Herausgekommen ist eine fahrende Verschwendung. Der Avantime ist noch mal zwölf Zentimeter länger als der Renault Espace, auf dem er basiert, hat aber statt der sieben Sitze seines Bruders nur vier bequeme Sessel. Zu fünft wird's eng.
Und dann das viele Glas. Das komplette Dach besteht daraus, ein halber Quadratmeter davon lässt sich öffnen. Per Tastendruck fahren gleichzeitig alle Seitenscheiben herunter, und dann sitzen die Passagiere beinahe im Freien, weil die Mittelpfosten weggelassen wurden. So entsteht das Gefühl, in einem Wintergarten durch die Stadt zu gleiten. Fehlen nur noch Pflanzen, für die auf dem riesigen Armaturenbrett Platz wäre. Genug Sonne bekämen sie auch.
__________________________________________________________
Was halten Sie vom Avantime? Diskutieren Sie im stern.de-Forum.
__________________________________________________________
Der Avantime hat zwar nur zwei Türen, doch die gleichen dafür Toren. Sie sind jeweils 1,40 Meter lang, 55 Kilo schwer und so aufgehängt, dass sie beim Öffnen auch ein wenig nach vorn schwingen, um in engen Parklücken nicht gleich anzustoßen. Trotzdem hält man besser mit seitlichem Abstand, denn viel Platz brauchen sie auch so.
Entzücken oder Entsetzen?
Egal, wo der Avantime anhält, wie kürzlich bei einer Rundfahrt durch Berlin - die Reaktionen der Leute reichen von Entzücken bis Entsetzen. Nur gleichgültig ist der Avantime keinem. Auch nicht dem Ehepaar um die 50, das namentlich nicht
genannt werden will. »Endlich mal keine Konfektionsware«, sagt der Mann. »Und mir gefällt der Hintern«, bemerkt er dann und betrachtet die Heckklappe, die dem Visier eines Sturzhelms ähnelt. »Vorn find ich ihn gut, hinten nicht«, meint dagegen seine Frau. Auch Tochter Katja mag die Front »und vor allem das große Glasdach«.
Nur für den Motor oder die Verarbeitungsqualität interessiert sich kaum jemand. »Der sieht ja unmöglich aus«, kommentiert Andrea Schulz, 32, die mit Freunden gerade aus dem Kino kommt. »Wie ein Leichenwagen«, bestätigt ihr Begleiter Dirk, 29.
Als der Avantime um die Siegessäule kurvt, bleiben Brad und Aidas aus Melbourne staunend stehen. Brad: »Mann, ist der ungewöhnlich.« Ob der Avantime wohl eine Marktchance hat? »Ganz klar. Die anderen Autos sind alle so langweilig«, findet Aidas. »Über dieses hier reden die Leute, und das ist das Wichtigste.«
Auftritt Hannelore, die als so genannte Bordsteinschwalbe auf Kunden wartet. Sie vergisst das Geschäft, in diesem Moment interessiert sie nur noch der Renault: »Det sieht ja aus wie von 'nem andern Stern«, sagt Hannelore. Stimmt also doch: Renault wird von E.T.s geleitet.
Von Frank Warrings