AUTO Wolfgang Reitzle - der »Car Guy« für Ford?

Bill Ford, Vorstandschef des gleichnamigen US-Autokonzerns und Enkel des Gründers Henry Ford, blickt derzeit neidisch auf einen Erz-Konkurrenten.

Bill Ford, Vorstandschef des gleichnamigen US-Autokonzerns und Enkel des Gründers Henry Ford, blickt derzeit neidisch auf einen Erz-Konkurrenten.

Bei General Motors sitzt mit Bob Lutz ein »Car Guy« auf dem Stuhl des obersten Entwicklungschefs, wie ihn der 44-jährige Ford-Spross selbst gern auf dem Posten des zweiten Mannes hätte. Einer, der Auto lebt und in dessen Adern mehr Benzin als Blut fließt. Doch ausgerechnet auf diesen Schlüsselposten hat er erst im Herbst letzten Jahres einen reinen Kostendrücker gesetzt, der auch in einer Schraubenfirma Dienst schieben könnte: Nick Scheele, 58, bis vor kurzem noch Boss von Ford of Europe in Köln, ist Chief Operating Officer des Autoriesen.

Aura des Controllers

Diese Wahl gilt intern inzwischen als Fehlbesetzung. Von einem Car Guy ist Scheele soweit weg wie Ford vom Mercedes-Image. Ihn umgibt die kühle Aura des Controllers der glaubt, alles mit dem Rechenstift erreichen zu können. Wenn jedoch, wie jetzt, das Unternehmen mit 5,5 Milliarden Dollar Verlust für 2001 tief in der Krise steckt, sind vor allem Konzepte und Visionen für überzeugende Autos gefragt.

Rückt Reitzle nach?

Doch Scheele, so klagt Bill Ford im Kreis von Vertrauten, liefere außer Sparplänen nichts. Das amerikanische Wirtschaftsmagazin Fortune spekuliert in seiner neuesten Ausgabe bereits darüber, dass Scheele nun auf der Abschussliste steht. An seine Stelle könnte Wolfgang Reitzle rücken, ein Car Guy wie ihn sich Ford vorstellt.

Der ehemalige BMW-Vize, stets auf feine Technik und Top-Qualität erpicht, leitet von London aus Fords Luxusmarken-Holding Premier Automotive Group (PAG). Unter dem Dach stecken die Marken Aston Martin, Jaguar, Land Rover, Volvo und Lincoln, die im Gegensatz zur Mutter Geld verdienen.

Wenig Stallgeruch

Doch Reitzle, 52, fehlt die Lobby - obwohl er durch seinen PAG-Job im Konzernvorstand sitzt. Hauptgründe: Wenig Stallgeruch, weil erst seit Frühsommer 1999 in der Firma, gelernter Ingenieur statt Kostendrücker und obendrein Deutscher. Da hatte es Strippenzieher Scheele leichter: Er ist seit 35 Jahren bei Ford, immerhin Brite und wurde letztes Jahr von Königin Elisabeth II. sogar zum Ritter geschlagen.

Kriegsszenarien

Doch angesichts der prekären Lage Fords, Analysten erwarten einen Rückgang des Markanteils von 21,8 Prozent (2001) auf 20,9 Prozent (2003), ist es kein Wunder, dass Kriegsszenarien die Runde machen. Fortune lästert, dass Sir Nick »zwar nicht im Dritten Weltkrieg sei, aber vielleicht sollte sich Scheele Inspiration aus einer Biographie Winston Churchills holen«.

Harald Kaiser