Grandhotels, Anzug-Zwang und Schickimicki-Schnickschnack findet man prickelnd, oder eben nicht. Wenn's um alte Autos geht, wird jeder Auto-Fan schwach. Die Chance, den blechernen Träumen der Vergangenheit auf den Zylinderkopf zu schauen, bietet sich nicht oft.
Um die Wette funkeln
"Concorso d'Eleganza" - das steht für fantastisch restaurierte und erhaltene Oldtimer, die an den teuersten Orten der Welt um die Wette funkeln. "Concorso d'Eleganza, das heißt aber auch: Society-Auflauf der Extraklasse, geschlossene Gesellschaft und aufwändig zurechtgemachte Damen auf der vergeblichen Flucht vor dem Zahn der Zeit. Offensichtlich ist es wesentlich leichter, einen fünfzig Jahre alten Kotflügel von Falten zu befreien, als ein Gesicht auf Dauer zu konservieren.
Standesgemäß in nach Leder duftenden 7er BMWs verstaut, wird der Tross aus geladenen Gästen und Journalisten zur "Villa d'Este", einem heutigen Grandhotel direkt am Comer See, chauffiert. Tolle Lage, historische Gebäude mit viel Grün drumrum. Für 1.200 Euro pro Nacht.
Geburtstag
BMW M1
Der Rahmen des Concorso d'Eleganza war geradezu ideal. 25 Jahre BMW M1 - ein runder Geburtstag im Kreise seiner Schöpfer. Wurde der Ausnahme-Sportwagen doch in Zusammenarbeit mit Guigaro-Design und Lamborghini entwickelt. Besonderer Leckerbissen: das M1 Art Car, gestaltet von Andy Warhol, das üblicherweise nur in Museen zu sehen ist.
Mit von der Partie waren auch diverse M1-Sammler, die vom Serien-M1 bis hin zum über 320 Stundenkilometer schnellen "Procar" alles zu bieten hatten.
Der Rolls in der zweiten Reihe
Vor dem Hotel, die Anzeichen anwesender High Society: Porsche, Ferrari, Bentley, Mercedes, Rolls-Royce . Außenspiegel an Außenspiegel steht, was in den Showrooms der Welt gut und teuer ist. Auch bei den Reichen und Schönen gibt's eine Hackordnung. Der Porsche aus Massenproduktion wird im Eck abgestellt, der Rolls-Royce parkt in zweiter Reihe direkt vor dem Eingang. BMW steht als Sponsor hinter der Veranstaltung und hat deshalb Interesse daran, die edlen Luxus-Schlitten der Tochterfirma im besten Licht erscheinen zu lassen. Wobei man den Begriff "Sponsor" in diesen Preisregionen nur ungern in den Mund nimmt. "Patronat" trifft eher auf verständnisvolles Nicken.
Cohiba-Wolken
Das exklusive Publikum hat sich auf der Terrasse der Fünf-Sterne-Unterkunft niedergelassen und genießt den malerischen Blick über den See, eine ausladende Zigarre und die Anwesenheit Gleichgestellter. Wenig Schritte entfernt scheinen Chanel-Schwaden und Cohiba-Wolken ganz weit entfernt. Fein säuberlich aufgereiht, lassen sich die Zeugen längst vergangener Auto-Tage von ihren Bewunderer anhimmeln. Fachsimpelnd oder andächtig staunend stehen die Kenner vor den außergewöhnlichsten Fahrzeugen, die man sich vorstellen kann.
Interessiertes Grapschen
Während der oldtimerlose Gast zwischen den liebevoll polierten Kotflügeln und Kühlerfiguren herumeiert und Sammler mit forschem Blick auf der Suche nach möglichen Konkurrenten sind, haben unzählige Angestellte und Helfer alle Hände voll damit zu tun, die Folgen interessierten Grapschens und zärtlichen Streichelns zu beheben.
Begehrte Pokale
Man kennt sich in Oldtimer-Kreisen. Gemeinsame Hobbys verbinden. Die Rivalität bleibt. So ein "Concours d' Elegance", wie derartige Veranstaltungen früher hießen, ist kein zwangloses Klassentreffen. Am Ende des viertägigen Schaulaufens werden hässliche, ungemein begehrte Glaspokale und Plaketten vergeben. Klassiker aus der Zeit von 1920 bis 1970 kämpfen in sieben Klassen um ein Dutzend Pokale und Plakette. Hinzu kommen weitere drei Auszeichnungen für die ausgestellten Design-Studien.
Wertvoll und begehrt
Wer sich einen dieser Preise auf den Kamin stellen oder ans Auto kleben darf, hat einen schönen, ungewöhnlichen und vor allem wertvollen Oldtimer in der klimatisierten Garage stehen. Da muss sich die Gattin ins 30er Jahre-Kostüm zwängen, um dem gehätschelten Rolls-Royce "Phantom" zur Seite zu stehen. Bei 150.000 Euro, die in die Restaurierung eines heruntergekommenen "Phantom" verschlingt, darf selbst die Dame von Welt ihre Hemmungen verlieren.
Unliebsame Ruhestörer
Störungen des "Concorso" sind nicht gerne gesehen. Weder optisch, noch akustisch. Das hätte man zwei jungen Jetski-Fahrern vor der Veranstaltung sagen können. Die Teenager zogen mit ihren lärmenden Wasserflöhen ihre Kreise vor der Hotelterrasse, als die ersten Oldtimer am Samstag vor die Jury rollten. Immer wieder mischte sich das heisere Kreischen der Sportgeräte zwischen die wohlkomponierten Klänge von Sechs- und Zwölfzylinder-Motoren. Unhöflich! Zu kleinen Einheiten gruppiert, machten sich schließlich einige Gäste daran, den Störenfrieden entgegenzutreten. Bewaffnet mit silberbesetzten Spazierstöcken und Aschenbecher-Wurfgeschossen. Schließlich waren es zwei Wachmänner, die das Heft die Hand nahmen. Bis sie jedoch an Bord des passenden Bootes waren, hatten die Teenies ihre Aktion längst eingestellt - Benzinmangel.
Die ausgezeichneten Fahrzeuge
Coppa d'Oro Villa d' Este: | Maserati A6G Berlinetta (Frua), 1955 Besitzer: J. Bookout |
BMW Group Trophy - Best of Show by the Jury: | Rolls-Royce Phantom II, Besitzer: R. Herzog (CH) |
BMW Group Design Award: | Pininfarina Rossa (Basis: Ferrari) |
Trofeo BMW Italia: | Delahaye 135 M (Cabrio) Besitzer: P. Mullin (USA) |
Concorso d' Eleganza Villa d' Este Design Award: | Pininfarina Rossa (Basis: Ferrari) |
Raritäten
Von störenden Geräuschen befreit, konnten sich die hochkarätigen Sammler wieder auf die Begegnung mit längst ausgestorben geglaubten Auto-Dinosauriern konzentrieren. Nur wenigen Menschen ist es vergönnt, einen Blick auf einen Ferrari 250 GT mit Zagato-Karosserie zu werfen. Die geschätzten fünf Modelle, die es weltweit noch gibt, dürfen nur zu ganz besonderen Anlässen auf die Straße. Ähnlich ergeht es dem grasgrünen Lamborghini Miura S P 400. Ein Super-Sportwagen mit 390 PS aus dem Jahr 1969, mit dem bis heute kaum etwas Straßenzugelassenes mithalten kann.
Befremdlich, aber sinnvoll
Die Welt der Oldtimer-Sammler, die ihr Hobby nicht nur auf die Erhaltung eines VW Käfers beschränken, mag befremdlich wirken. Sie ist für das Überleben automobiler Schätze jedoch unverzichtbar. Ein Großteil der Fahrzeuge, die auf Veranstaltungen wie dem "Concorso d'Eleganza" zu sehen sind, stammen von Autobauern, die längst nicht mehr existieren. Ohne akribische Sammler wären diese historischen Fahrzeuge längst auf Schrottplätzen ins automobile Nirvana entschwunden. Wer jährlich sechsstelligen Euro-Summen ausgibt, um Fahrzeuge aus den 20er und 30er Jahren zu sammeln, zu restaurieren und zu pflegen, darf mit bestem Gewissen etwas seltsam werden.
Abertausende Bewunderer
Bei aller Exklusivität - hermetisch abgeschottet sind derartige Veranstaltungen nicht. Neben den für geladene Gäste und Sammler reservierten Programmpunkten, steht der letzte Tag des Concorso d'Eleganza dem gemeinen, aber zahlenden Volk offen. Im Visier abertausender Bewunderer werden aus den entrückten Sammlern plötzlich volksnahe Autonarren, die unermüdlich Fragen beantworten, fotografierenden Fans das bestmögliche Motiv freischaufeln, sich in historischen Klamotten vor dem Schmuckstück in Pose werfen und unaufhörlich Fingerabdrücke aus dem Blech polieren. Sich darüber zu ärgern, käme keinem in den Sinn. Wer einen Delahaye 135 M aus dem Jahr 1937 anfassen will, der darf das auch. Ausdauernde Detailfragen, bewundernde "Ahs", "Ohs" und "Beautifuls" werden im weiteren Verlauf mit einer Einladung zum Einsteigen belohnt. Dass man dabei unter Umständen neben einem Schauspieler, Sänger oder Millionär zum Sitzen kommt, ist bei so vielen automobilen Superlativen nebensächlich. Wahnsinn!
Mama findet’s toll
Auffällig, wie viele Damen sich für die Klassiker interessierten. Plötzlich steht Papa mit dem quengelnden Sohnemann alleine da, weil Mama sich für einen netten kleinen BMW aus den 40er Jahren interessiert. Familien-Fans dürfen sicher sein, dass Vater und Sohn nicht lange untätig blieben. Lockten doch neben den Autos von gestern auch Fahrzeuge von morgen. Designstudien der letzten Automobil-Messen erfreuten sich beim automobilen Nachwuchs größter Beliebtheit.
Das älteste Fahrzeug
Piccard-Pictet ("Pic Pic") R2
Weltweit existieren nur noch acht Modelle des kleinen Wagens mit schickem Torpedo-Aufbau. Gebaut wurde der "Pic Pic" 1920 bei der Firma Piccard Pictet in Genf. Für flotte Fahrleistungen sorgt ein Vierzylinder-Motor mit 2,9 Litern Hubraum.
"Ohne Herkunft keine Zukunft", haben sich die Vergangenheitsbewahrer beim BMW auf die Fahnen geschrieben. Um die Gegenwart müssen sich die bayerischen Autobauern im Moment wenig Sorgen machen. Solange es Veranstaltungen wie den "Concorso d'Eleganza gibt werden Sammler immer eine Hand frei haben, um Kühlfiguren auf Hochglanz zu polieren und Kotflügel von Fingerabdrücken zu befreien. Gerade wegen der Eitelkeiten.