Blicke verfolgen einen. Schnalzlaute sind zu hören oder spontaner Beifall beim Aufröhren des Motors. An der Ampel anerkennendes Nicken aus dem Auto nebenan. Am Steuer des offenen Lamborghini Gallardo Spyder bekommt man schnell Kontakt. Allerdings mit dem falschen Geschlecht: Während Frauen das große Zehnzylinder-Theater eher kalt lässt, geben die Hormone bei Männern Vollgas und rasen durcheinander. Sie können gar nicht so viel gucken, wie sie sehen wollen. Während man mit der Karre schon hinterm Horizont verschwunden ist, starren sie immer noch, jetzt aber ins Nichts. Gerne würden sie der beste Freund des Fahrers sein, damit sie auch mal Gas geben können.
"Alder, gib mal den Zündschlüssel"
Philipp, 15, Sohn des Schreibers dieser Zeilen und derzeitigen Fahrers, weiß, dass er in den Genuss eines Proberitts kommt. Das hat er natürlich den Kumpels seiner Fußballmannschaft erzählt und mit den wichtigsten Daten angegeben: 520 PS, über 300 Spitze, Beschleunigung in knapp vier Sekunden von 0 auf 100. Ort: Fußballplatz Hittfeld, etwa 30 Kilometer südlich von Hamburg. Dort wartet Papa mit dem Schlitten am Spielfeldrand. Gerade kommen die Halbstarken verschwitzt von einem der letzten B-Jugend-Meisterschaftsspiele ihres Clubs JSG Bendestorf/Jesteburg, sehen das Auto und scharen sich sofort mit großem Getöse um die silbrige Flunder, setzen sich rein und und fummeln an allem rum. Es ist wie früher auf dem Schulhof, als gruppenweise Autoquartett gespielt wurde. Nur ist es Realität. Einer ruft: "Ej, Alder, gib mal den Zündschlüssel." Die Meute lacht sich schlapp.
Zehn Minuten später lässt sich der Filius mit nassen Haaren und beneidet von seinen Kickern auf den tief liegenden Beifahrersitz des Lambo fallen. "Stell’ dir vor", sprudelt es aus ihm heraus, "der Björn, unser Mittelstürmer, hat mir unter der Dusche 100 Euro dafür geboten, wenn er statt mir mitfahren darf." Vater lächelt, macht das Dach des 167.000-Euro-Schlittens zu und startet den Motor. Als der losbrüllt, drehen sich alle Köpfe. Phillip sagt das erste Mal: "Das geht gaaanich." Das ist offenbar die angesagte Formulierung für die höchste Form der Anerkennung.
Wenn der Vater mit dem Sohne
Langsame Fahrt Richtung Autobahn. "Was bedeutet, das große S auf dem Knopf?" fragt er und zeigt auf die Taste auf dem Mitteltunnel. "Sport, das wirste gleich spüren", sagt der Vater und drückt drauf. Gleichzeitig schaltet er mit dem linken der beiden Paddel hinterm Lenkrad zwei Gänge runter und gibt ausgangs der Autobahnauffahrt Hittfeld Richtung Bremen Vollgas. Unsichtbare Kräfte drücken den Pennäler in den Sitz. "Das geht gaaanich" brüllt er gegen den Lärm an. Mehr kriegt Philipp nicht raus. Nach etwa 30 Kilometern und einer gesitteten Rückfahrt will nur eins wissen: "Wie schnell waren wir?" Antwort: "Etwa 280." Ein drittes Mal kommt: "Das geht gaaanich."
Könnten Testwagen sprechen, würde dieser wahrscheinlich folgendes sagen: "Ich bin das Gegenteil von Hartz IV und dennoch ein armes Schwein – nur weil jeder glaubt, an meinem Wildleder-Lenkrad den Schumi geben zu müssen." Das ist gar nicht so leicht, denn zuerst muss die Kiste in die Gänge kommen. Es war Freitag, ein paar Tage vor dem Treffen mit den Fußballern, etwa halb sechs abends, 22 Grad, die Sonne schien noch. Der per Anhänger in Hamburg angekommen Wagen musste ein Stück rückwärts gefahren werden, um aus der Lücke raus zu kommen.
"Verdammt, wo ist der Rückwärtsgang?"
Doch, verdammt, wo ist der Rückwärtsgang? Immer und immer wieder zog und drückte der Fahrer an den zwei Schaltpaddeln hinterm Steuer und starrte auf das Display zwischen Tacho und Drehzahlmesser. Dort wird angezeigt, welcher Gang eingelegt ist. Ein "R" tauchte nicht auf. Inzwischen standen schon einige Leute um das Auto, bestaunten die scharfen Linien und beneideten den Fahrer, den sie auch für den Besitzer hielten. Der schwitzte bereits. Nicht nur, weil er kurz nach dem Motorstart das Dach geöffnet hatte und nun die Abendsonne seinen lichten Schopf aufheizte. Auch, weil er sich gerade noch wie Brad Pitt gefühlt hatte, der nun allerdings den Rückwärtsgang nicht reinkriegt.
Da erspähte der Mann auf der Mittelkonsole einen Knopf mit dem Buchstaben "A". Er drückte drauf. Nichts tat sich. Konnte auch nicht, das ist die Taste für die Automatik. Die schaltet die sechs Vorwärtsgänge hoch oder runter, aber nicht in den Rückwärtsgang. Die Ewigkeit von zwei oder drei Minuten war vergangen. Der Mensch am Lenkrad fummelte an der Sitzverstellung, der Spiegeljustierung, an der Klimaanlage und am Navigationsgerät rum. Sollte cool aussehen, war aber nur ein Ablenkungsmanöver. Denn er hatte immer noch keine Ahnung, wie mit dem Donnerkeil rückwärts zu fahren ist. Schließlich entdeckte er ganz links außen am Armaturenbrett die Taste mit dem großen "R". Er drückte drauf, auf dem Bildschirm verschwand die Landkarte des Navi und stattdessen sendete die fingerkleine Heckkamera ein Livebild vom Geschehen hinter dem Wagen. Vorsichtiges Gasgeben, der Gallardo rollte zurück.
Blamage im Stand-by-Modus
Hübsch ist auch die Nummer bei einer längeren Rotphase an der Ampel. Die lambomäßig Ungeübten wissen nicht, dass sich das Getriebe im Automatikmodus ab einer gewissen Wartezeit auf "N" für neutral stellt. Das wird zwar mit einem Piepton mitgeteilt, registriert aber kaum einer. Wer dann bei Grün anfahren will, blamiert sich bis auf die Knochen, denn trotz brüllenden Motors bewegt sich das Auto mich keinen Millimeter.
In Hamburg ist das am Ende der Hafenstraße passiert, dort wo die Straße zum Fischmarkt abzweigt. Bis es der Fahrer gemerkt hat, waren die anderen längst rechts vorbei gezischt und die Ampel zeigte wieder rot. Wenigstens hat keiner gehupt. Dabei ist es nicht schwer: Fuß auf die Bremse, rechten Ganghebel ziehen, der Erste klackt rein, Gas geben. Um die Peinlichkeit ungeschehen zu machen, wird der Wagen danach oft im ersten und zweiten Gang mit Vollgas gequält. Und wenn in der Nähe noch ein kurzer Rock vorbeistöckelt, ist das Hirn vollends in der Hose.
Platz für die Vorratspackung-Klorollen
Schaulaufen geht auch prima auf dem Supermarktparkplatz. Es passt zwar so gut wie nichts rein ins Gepäckfach vorne im Lambo. Vielleicht zwei Haushaltspackungen Klorollen, dann ist auch schon Ende mit dem Großeinkauf. Aber mit heiser wummerndem Motor im Schritt-Tempo nach einer Lücke zu suchen oder den Wechsel von Vorwärts- in den Rückwärtsgang mit fauchenden Gasstößen zu untermalen, damit lassen sich fehlende Haupthaare super kompensieren. Gelegentlich aber gibt es dort auch strafende Blicke. Den einer Birkenstöcklerin am Diesel-Passat zum Beispiel. Vom Zu-kleinen-Schwanz-Typ über Zuhälterhobel bis Energieverschwender steckte alles drin.
Anders war es in einem speziellen Stadtteil Hamburgs, dem Schanzenviertel, wo bevorzugt Gebrauchtwagen für dreistellige Summen gefahren werden und ökologische Korrektheit einen gewissen Stellenwert besitzt. An der Ampel hält nebenan ein spurverbreiteter Golf, ein Türke lehnt sich raus und fragt mit robuster Freundlichkeit: "Ej, haste dich verfahren?"