Lautlosen Liferweagen werden Passanten in Stuttgarter zukünftig häufiger begegnen, denn "der Daimler" lässt- neben dem Elektro-Smart - ab sofort testweise rund 100 "Vito-Modelle" mit "batterieelektrischem Antrieb" in der Landeshauptstadt und der näheren Umgebung fahren.
Später soll sogar eine Serie von 2000 Exemplaren in Spanien vom Band rollen. Mercedes-Kunden, die mit ihren Service-Fahrzeugen vorwiegend in der Stadt unterwegs sind, wie EnBW, Hermes, die Stuttgarter Straßenbahn AG oder die Deutsche Bahn, werden die Transporter zunächst auf Leihbasis einsetzen.
Der "Vito E cell", wie der Wagen offiziell heißt, basiert auf der Langversion des Transporters, dem erst kürzlich ein "Facelifting" spendiert wurde. Der lange Frachtraum von 3,20 Metern ist nötig, um die Batterieanordnung aus 16 Modulen mit insgesamt 192 Lithium-Ionen-Zellen und einer Gesamtkapazität von 36 kWh im Unterboden unterbringen zu können. Damit bleibt der Laderaum für 900 Kilogramm Fracht erhalten.
Das Energie-Paket wiegt zusätzlich rund 200 Kilogramm. Dafür wird aber Gewicht an der Antriebseinheit eingespart, denn ein schwerer Dieselmotor, ein Schaltgetriebe und die Kardanwelle entfallen. Der "Vito E cell" ist, anders als die normalen Vitos ein Fronttriebler. Die Batterien, der E-Motor, der Konverter und andere elektrische Komponenten werden wassergekühlt. Die optimale Leistung erreicht der Motor bei 30 Grad Celsius. Er muss also zusätzlich beheizt werden.
Höchstgeschwindigkeit bei 80 Km/h
Das Aufladen der Batterien dauert maximal sechs Stunden an einem 380-400 Volt-Netz. Das bedeutet, dass spezielle Ladestationen nötig sind . Projektleiter Vito-E-Cell Andreas Pohl: "Wenn man drei oder vier solcher Autos am normalen Stromnetz laden würde, bräche der Strom im gesamten Viertel zusammen." Die Bedienung des Autos ist einfach. Den Wahlhebel wird auf D gestellt und schon kann es los gehen. Alle anderen Bedienelemente sind wie im normalen Auto. Nur ein dicker roter Knopf auf dem Armaturenbrett irritiert. Es ist der Notknopf, mit dem im Ernstfall das Stromsystem abgeschaltet werden kann. Sinnig bei fast 400 Volt Spannung im Auto.
Bei unserer Testfahrt in Stuttgart begann die Anzeige für den Ladezustand schon nach kurzer Zeit zu zucken. Nach 26 Kilometern war ein Drittel des Stromvorrats bereits verbraucht. Rein theoretisch soll die Reichweite bei über 100 Kilometern liegen. Realistisch dürften es 60 sein. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf Tempo 80 reduziert. Beide Werte reichen allerdings für den Zweck des Autos völlig aus. Denn nach den Einschätzungen der schwäbischen Ingenieure werden E-Autos auf absehbare Zeit lediglich im innerstädtischen Bereich sinnvoll eingesetzt werden können. Dort werden sie aber immer wichtiger, "Die Beispiele London oder Berlin zeigen dass immer mehr Einfahrverbote verhängt werden", erklärt der Mercedes Experte Pohl. "Das trifft besonders Gewerbetreibende, die aber meistens täglich nur wenige Kilometer fahren." Diese Klientel dürfte auch der versprochen Kostenvorteil bei der Wartung überzeugen. Der liegt laut Mercedes bei 40 Prozent.
Elektrische Vergangenheit
Zwar ist mit den Lithium-Ionen Batterien ein Quantensprung beim Wirkungsgrad gegenüber den Bleiakkus erreicht worden, die Energiedichte von Benzin, Diesel oder Gas werden sie in absehbarer Zeit aber bei weitem nicht erreichen. So wird man sich zukünftig beim Autofahren in Bescheidenheit üben müssen. "Die Zeiten, wo wir in den Autos jede Menge Stromverbraucher mitgeführt haben und Gewicht eine untergeordnete Rolle spielten sind vorbei", ist sich Andreas Pohl sicher. Ganz neu ist der Mercedes-Ansatz allerdings nicht. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich noch sehr genau an die batterie-elektrisch angetriebenen großen Postautos aus den 50er Jahren.