Mehr noch als für andere Menschen ist der Sommer für Autofahrer die glücklichste aller Jahreszeiten. Zumindest für diejenigen, die ein Cabrio fahren. Und weil dies eine allgemein anerkannte Tatsache ist, auch unter Nicht-Cabriolet-Fahrern, ist der Frühling die Jahreszeit, die die kollektive Sehnsucht nach dem Fahrerlebnis unter freiem Himmel beflügelt. Das wiederum wissen auch die Auto-Fabrikanten und stellen daher pünktlich zum Knospenbeginn ihre neuen offenen Modelle vor. Und weil sie auch wissen, dass sich nicht jeder den Traum vom Porsche 911 erfüllen kann, gibt es Autos wie den Nissan Micra C+C. Das "Nissan" steht für "erschwinglich", das "Micra" für "Kleinwagen" und das "C+C" für "Coupe plus Cabriolet". Klingt gut.
Und sieht aus? "Frauenauto", sagt ein Kollege bei einer ersten Inspektion und meine Freundin fügt hinzu: "Diese Lichter sind ja schrecklich. Wie riesige Glubschaugen." Ein vernichtendes Urteil. Und der dicke Hintern wirkt auch nicht gerade vorteilhaft. Auch das lang gezogene Glasdach reicht nicht für einen sportiven Look. Wie auch, bei den Rundungen? Dafür beschert es dem Fahrer einen herrlichen Rundumblick. Und dann eben noch diese aufgesetzten Kulleraugen. Sollen niedlich wirken, sind aber – Geschmackssache.
Notsitze? Hundebank? Handtaschenablage?
Innen lässt frau sich sanft in die Sportsitze gleiten, nur der Blick nach hinten verwirrt: Was ist das? Notsitze? Hundebank? Handtaschenablage? Ob es wohl erlaubt ist, dass sich echte Menschen dorthin setzen? Doch schlägt man die Augen gen Himmel, gewinnt man schon einen viel besseren Eindruck. Statt kompaktem Stoffhimmel fällt der Blick auf echte Wolken, ein gläsernes Mitteldach macht’s möglich. Selbst in geschlossenem Zustand fällt so viel Licht ein, dass sich jede Dame bequem den Lidstrich auch ohne Zusatzbeleuchtung nachziehen kann. Sollte die Wintersonne zu stark aufs Haupt brennen, kann natürlich ein schützendes Rollo zugezogen werden. Auch sonst überzeugt die schlichte Innenausstattung: Zwei große Kreise für Geschwindigkeit und Umdrehungen, dazwischen die Tankanzeige. Schlicht, schnörkellos und gut. Das gilt auch für die Klimaanlage, die per Knöpfchen rauf und runter reguliert wird. Serienmäßig kommt sie freilich nicht, dafür aber vier Airbags, Sportsitze und Bordcomputer.
Technische Daten
Nissan Micra C+C 1,6
Hubraum: 1.598 ccm
Leistung: 110 PS
Drehmoment: 153 Nm
0-100 km/h: 10,6 sec
Höchstgeschw.: 191 km/h
Verbrauch (Mix): 6,7 Liter
Länge: 3.806 mm
Breite: 1.668mm
Höhe: 1.418 mmv
Gewicht: 1.273 kg
Dass das Dach im Vergleich zum Normalo-Nissan um zwölf Zentimeter gesenkt wurde, fällt erst auf, als mein stattlicher Beifahrer einsteigt. Ups, fast wäre er mit der Stirn gegen den Dachrahmen gestoßen. Der ragt so tief in den Fahrgastraum wegen der verlängerten Frontscheibe. Ihr Vorteil zeigt sich erst bei offenem Dach. Ganze 22 Sekunden braucht der Kleine, um seine Haube zu lüpfen, und schon genießen die Insassen Open-Air-Feeling. Nicht einmal anhalten muss man dafür: Wer langsam an die rote Ampel rollt, kann sich im Vorbeifahren entkleiden. Neid der anderen Wartenden inklusive. Derweil öffnet sich fast unbemerkt der Kofferraum und schluckt das Dach wie eine Ziehharmonika. Im Innern müssen keine Hebel oder Haken entriegelt, geschraubt oder aufgeklappt werden, ein Knopfdruck - und schon gleitet das Dach sanft gen Kofferraum. Beim Anfahren ist kaum Gegenwind zu spüren, der langen Vorderscheibe sei dank. Empfindliche Frisuren werden dies zu schätzen wissen, harte Kerle mögen sich verweichlicht fühlen.
Vorteil oben ohne
Überhaupt macht der Nissan oben ohne viel mehr her. Ein prüfender Blick von außen - und die entblößte Karosse wirkt nun viel schlanker und sportlicher. Doch bei all dem Gemäkel über das wuchtige Heck wurde dessen Nutzen unterschlagen. Im Innern befindet sich nämlich ein ausladender Kofferraum mit einem Volumen von 457 Litern, bei geöffnetem Dach sind es immerhin noch 255 Liter. Ein zusammengerollte 1,40 Meter Matratze passt zwar nicht hinein, aber ausladende Einkäufe finden allemal Platz darin. So groß ist sonst nur der Kofferraum eines Mittelklassewagens, unter den Kleinwagen-Cabriolets ist das Stauvolumen einmalig. Ärgerlich nur, dass man sich beim manuellen Öffnen des Kofferraums jedes Mal die Metallkante in die Handfläche rammt.
Beim Show-Off auf der Autobahn erfüllt der Kleine alle Erwartungen an ein Kleinwagen-Coupe. Bis zu 191 Stundenkilometern lässt sich der Motor in der 1,6-Liter-Version abringen, der 1,4-Hubraum bringt es noch auf 174 km/h. Beide Versionen schlucken 6,6 beziehungsweise 6,7 Liter, die Sparversion braucht 12,8 Sekunden bis Tempo 100, der schnellere Bruder schafft es in 10,6. Preislich ordnet sich der Nissan C+C zumindest in der Grundausstattung brav ins Kleinwagensegment: 16.590 Euro kostet er in der Grundausstattung, für den Premium in als 1,6 Liter muss man allerdings 20.590 Euro hinblättern, dafür sind Lederausstattung, Klimaautomatik und schlüsselloses Zugangssystem inklusive.
Doch letzteres Gimmick ist nicht unbedingt von Vorteil für eine handtaschengeplage Frau: Weil kein Schlüssel mehr ins Schloss muss, fliegt die Mini-Fernbedienung ständig durch diverse Beutel, Fächer und Täschchen. Und spätestens beim Aussteigen beginnt die verzweifelte Suche nach dem Türschließer.