"Smart" – alleine diese fünf Buchstaben können im Bekanntenkreis eines Auto-Redakteurs böse Gerüchte auslösen: "Bist du entlassen worden?", lautet nur eine der Fragen, die man sich anhören muss, wenn man zu Testzwecken von VW Phaeton, Alfa 156 und Mini Cooper S auf einen Diesel-Smart umsteigt. Ganz nach dem Motto "Cool finden ihn alle, aber keiner traut sich wirklich einzusteigen", bekam der Smart eine faire Chance.
Mitleid oder Sehnsucht?
Wer "seinen" Smart auf einem geräumigen Firmenparkplatz abstellt, muss sich entweder auf mitleidiges Grinsen oder sehnsüchtige Blicke einstellen. Das hängt von den Fahrzeugen in der Nachbarschaft ab. Kollege Big Boss in der protzigen S-Klasse verkommt beim Kampf mit der Parklücke zum echten Smart-Neider, während der Mitvierzigerin in ihrem New Mini ob des benachbarten Winzlings nur ein spöttisches Lächeln zu entlocken ist. Klein, schick und schnell – da kann selbst der Smart nicht mithalten.
Smart & passion cdi
Motor | Dreizylinder-Turbodiesel mit Common-Rail-Einspritzung |
Hubraum | 799 cm³ |
Leistung | 40 PS / 30 kW |
Max. Drehmoment | 100 Newtonmeter |
0-100 km/h | 19,8 Sekunden |
Bremsen | Scheibenbremsen vorne, Trommelbremsen hinten |
Leergewicht | 730 Kilogramm |
Durchschnittsverbr. | 3,4 Liter (Werksangabe) |
Preis | ab 9.920 Euro |
Auto, oder nicht?
Über die parkplatztechnischen Vorteile des Mikro-Mercedes kann man sich theoretisch stundenlang auslassen. Test bestanden, tolles Auto... Da man bei Smart jedoch nicht müde wird, den Winzling als vollwertiges Auto zu bezeichnen, muss sich der Kleine auch an diesen Maßstäben messen lassen. Und da zählt eben nicht nur der Parkplatz-Test.
Frisch geliftet
Zu Beginn des Smart-Zeitalters war ein Innenstadt-Parkplatz äußerst lästig. Konnte man sich doch sicher sein, dass nach erledigtem Einkauf die Smart-Scheiben mit Finger- und Nasenabdrücken übersät sein würden. Diese extreme Anziehungskraft des Winzlings ist passé. Trotz seiner ungewöhnlichen Quadrat-Form und des extravaganten Designs ist der Smart, vor allem in den Metropolen, längst kein Exot mehr. Daran hat auch das jüngste Lifting nichts geändert. Dabei bekamen auch die "normalen" Smarts die Design-Merkmale des Cabrios (profilierte Front- und Heckscheinwerfer) verpasst.
Viel Platz im Innenraum
Als kräftiger Germane ist man doch immer wieder überrascht, wie viel Mensch in so wenig Auto passt. 2,5 Meter ist der Smart lang und bietet für Fahrer und Beifahrer ähnlich viel Platz wie ein VW Golf – mindestens. Möglich macht diese überragende Raumökonomie die Idee, praktisch die gesamte Fahrzeugtechnik im Unterboden unterzubringen. Hinzu kommen noch die beiden großen Türen, die beinahe die gesamte Fahrzeugbreite für den Einstieg freigeben. Einzig die Tatsache, dass man wie bei einem Van nach oben ins Fahrzeug steigt, ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig.
Solide
Innen erwarten einen zwei hervorragend ausgeformte Integralsitze, auf denen Fahrer und Beifahrer bestens untergebracht sind. Lediglich fülligere Passagiere würden sich etwas mehr Platz für die Oberschenkel wünschen. Der Arbeitsplatz des Fahrers ist von recht schmucklosem graublauem Plastik dominiert. Nicht wirklich hochwertig, aber sehr sorgfältig verarbeitet. Selbst auf übelstem Kopfsteinpflaster ließ sich lediglich die Fahrer-Sonnenblende unseres Testwagens zu Klappergeräuschen hinreißen.
Ungewöhnliche Ergonomie
Trotz der knubbeligen Formgebung findet man sich schnell im Cockpit zurecht. Zwar sind viele Bedienelemente nicht dort, wo sie bei anderen Fahrzeugen zu finden sind – der Ergonomie tut diese Eigenart jedoch keinen Abbruch. Lediglich der winzige Bedienknopf für das Multifunktionsdisplay ist unendlich bescheuert platziert. Der Gummi-Knopf versteckt sich auf der Oberseite des Tacho-Tunnels. Um sich die Außentemperatur anzeigen zu lassen, muss man also am Lenkrad vorbei aufs Armaturenbrett greifen und – da nicht einzusehen – nach dem Knubbel tasten.
Brummliges Motörchen
Wenig Verdruss bereitet die Unterbringung des Zündschlosses hinter dem Schalthebel – das kann man eigentlich nicht übersehen. Das gerade einmal 40 PS starke Dreizylinder-Common-Rail-Dieselchen unseres Testwagens ließ sich nur recht widerwillig zum Leben erwecken. Die Vibrationen verteilten sich dabei gleichmäßig auf Sitze, Lenkrad, Scheiben und Armaturenbrett. Smart-Neulinge können der Tatsache, auf einem Motor zu sitzen und damit all seine Untugenden hautnah mitzubekommen, sicherlich einen gewissen Reiz abtrotzen. Auf Dauer geht einem der brummelige Selbstzünder jedoch tierisch auf die Nerven.
Üble Schaltung
Dabei ließe sich mit den 100 Newtonmetern, die das Motörchen auf die Hinterräder wuchtet, durchaus leben. 730 Kilo Gesamtgewicht sind damit im Prinzip recht flott zu bewegen. Im Weg steht dabei jedoch das automatisierte Sechsganggetriebe. Schalten, ohne zu kuppeln – klingt toll. Ist es aber nicht. Trotz aller Beteuerungen haben die Weiterentwicklungen in diesem Bereich nichts gebracht. Vor allem das vollautomatische Schalten, bei Smart heißt das Softouch, ist unerträglich. Die Automatik schaltet viel zu schnell hoch und gönnt sich dabei wahnwitzig lange Schaltpausen. Dabei heraus kommt ein Fahrgefühl, dass sonst wohl nur Fahrlehrer mit unbegabten Schützlingen erleben dürfen. Sechs, setzen! Nur wer zum Knüppel greift und die Gangwechsel selbst bestimmt wird die Fahrt im Smart genießen können. Mit reichlich Drehzahlen versorgt, geht die Schalterei in der City recht flott über die Bühne.
Autobahn-Schinderei
Abstecher auf die Autobahn sollte man nur in Ausnahmefällen einplanen. Mit der elektronisch abgeregelten Höchstgeschwindigkeit von 135 Stundenkilometern (Servus Brummi!) ließe sich ja noch leben – mit der Geräuschkulisse jedoch nicht. Um den aerodynamisch nicht wirklich perfekten Smart auf Tempo zu bringen, muss der kleine Diesel mächtig schwitzen. Eine Anstrengung, die der Selbstzünder brüllenderweise an die Passagiere weitergibt.
Hart, aber herzlich
Ebenfalls kaum autobahntauglich ist die Federung des kleinen Flitzers. Vermittelt das eisenharte Fahrwerk im Stadtbetrieb noch eine gewisse Sportlichkeit, geben die kaum vorhandenen Federwege bei schnellem Tempo sämtliche Schlaglöcher praktisch ungefiltert an die Bandscheiben der Passagiere weiter. Bei kurzen Fahrbahnwellen hat man gar den Eindruck, von Welle zu Welle zu hüpfen.
Trotz diffizilem Heckantrieb schlug sich unser Test-Smart auch im Winterbetrieb wacker. Der vergleichsweise lange Radstand führt auf Schnee zu einem Fahrverhalten, das man von Go-Karts kennt. Den Rest erledigte der Schleuderverhinderer Trust, der jeden Smart serienmäßig in die Schranken weist.
Fazit
Ist der Smart nun ein Auto? Klar. Vier Räder, Lenkrad, Motor – alles dran. Und der Kofferraum ist auch nicht kleiner als bei vergleichbaren Minis. Die zahlreichen Macken sind, ähnlich wie der Preis (ab 9.920 Euro), recht ärgerlich, aber zu verschmerzen. Im Gegenzug bekommt man ein beinahe-drei-Liter-Auto (3,9 Liter im Test) mit ganz viel Charme. Bleibt nur noch die Frage: "Ist eine Parklücke, die mit einem Smart besetzt ist, nun halb voll oder halb leer?" Mailen Sie Ihre Antwort an stern.de