Groß, rund, gewaltig, diese Nase muss man einfach mögen. So sieht kein böses Auto aus. Wenn es überhaupt einen Wagen gibt, der ein unverwechselbares und dabei sympathisches Gesicht besitzt, dann der PT Cruiser. Ohne Frage sieht der PT Cruiser nicht nur anders aus als andere Fahrzeuge. Er ist auch anders und sollte daher auch anders gefahren werden. Einsteigen, Platz nehmen, jetzt kommt die erste Überraschung: Die Tür schließt mit sattem "Plopp". Und dann alles vergessen, was man über Autofahren zu wissen meint. "Lass das mal den Cruiser machen", heißt das Fahrt-Programm, um den "american way of driving" zu genießen.
Was geht, was geht nicht
Ruckeln Sie vor dem Start gern mal an der Ampel? Juckeln Sie sich in jede Lücke? Sagen Sie: "Rechtsüberholen ist nicht okay, muss aber auch mal sein"? Wer mit "Ja" geantwortet hat, dem fehlt die innere Reife, die der PT Cruiser mitbringt. Wer Fahrspaß mit Gelassenheit und satten Reserven verbindet, dem verschafft der PT Cruiser "Route 66 Feeling" auf deutschen Straßen. "Goin' Back to New Orleans" von Dr. John dringt aus der - fantastischen - Anlage. Die Gläser der Rückspiegel wummern im Rhythmus, die Hände liegen auf dem Rad, manchmal greift man zum Schaltknauf, manchmal zur Cola:. "Easy driving, easy living." Im Cruiser hat man mehr vom Fahren. Wen regt ein Stau auf? Wen nerven Drängler? Wer denkt an Termine? Der PT Cruiser bringt einen schon ans Ziel.
Wo sind sie hin, all die starken Mustangs?
Okay, 164 kW - sprich 223 PS - können spritzigere Fahrerlebnisse auf den Asphalt zaubern, als der PT Cruiser sie zu bieten hat. Das ist eben ein echter Wagen und kein aufgehetzter Turbo-Racker. Diese Einschränkung heißt aber beileibe nicht, der PT-GT sei eine lahme Ente. Er wirkt satt und schwer, und lässt sich bei Bedarf rasanter beschleunigen, als man vermutet. Power ist reichlich vorhanden, sie quillt nur nicht aus jeder Pore. Bis 200 km/h hält der Chrysler flott mit. Unterlegenheitsgesten auf der Autobahn sind nicht vorgesehen. Übrigens braust der Retro-Ami mit weniger Geräuschen dahin als seinen opulenten Formen zuzutrauen wäre. Nur der Blick auf die Benzinanzeige trübt den "Rundum-Wohlfühl"-Eindruck. Rasante Autobahnfahrten über 180 km/h treiben den Durst des Saugers in so bedenkliche Höhe, dass man ein Leck im Tank vermuten könnte. Für längere Strecken empfiehlt sich die gemäßigte Gangart. Dafür geht der 2,4-Liter-Vierzylinder-Turbo in jedem Leistungsbereich angenehm kraftvoll zu Werk. Der PT-GT zeigt stets souveräne Fahrleistungen, kombiniert mit einer angenehm harmonischen Leistungsentfaltung. Angesichts von 332 Nm Drehmoment darf der Fahrer zupackende Durchzugskraft natürlich auch erwarten. Der lange Schaltstock erlaubt zwar keine Bewegung nur aus dem Handgelenk, die Fünf-Gangschaltung arbeitet aber exakt und leichtgängig. Leider ist bei 200 km/h abrupt Schluss mit dem Vorwärtsdrang, die Abregelung würgt den Wagen derart rabiat ab, dass man beim ersten Zusammenprall mit der elektronischen Schallmauer an einen Motorschaden denkt. Schade eigentlich, sowohl Fahrwerk wie Motor wäre mehr Spitze zuzutrauen. Fragwürdig auch, dass Chrysler kein ESP anbietet, das sollte in dieser Leistungsklasse selbstverständlich sein.
Technische Daten
Motor | 4 Zyl.-Turbo |
Hubraum | 2429 |
Leistung kW (PS) | 164 (223) |
Drehmoment | 332 Nm |
H-Geschw. | 200 km/h |
Länge/Breite/Höhe | 4.288/1.704/1.601 mm |
Leergewicht | 1.580 kg |
Preis | 26.400 Euro |
King of the Road
Genug gemäkelt, der Chrysler will kein Rennwagen sein. Diese Botschaft übermittelt er von vornherein. Der Fahrer hockt nicht über der Fahrbahn und hinter dem Lenkrad, er thront. Die Sitzposition liegt hoch genug, um eine gewisse Erhabenheit über den Geschehnissen auf der Straße zu vermitteln. Nur für Sitzriesen wird es trotz der Innenraumhöhe auf dem Fahrersitz ungemütlich, da wünschte man sich, die Sitzhöhe etwas mindern zu können. Auch der Blick zurück zeigt seine Reize. Andere Fahrer schauen durch kleine Glasscherben nach hinten. Dem Cruiser sind zwei ovale Rundspiegelspiegel spendiert worden, die mit der Größe einer Rinderzüchterportion Rib-Eye Steak kernig den Gesetzen des Luftwiderstandes trotzen. Platz für ein gutes Stück von Gottes eigenem Himmel im Rückspiegel.
Fetter Glanz
Wer die neuen Chrysler Lacke sieht, dem können die Käufer der älteren Schwarz- oder Weissmodelle nur leid tun. Dicker kann sich Lack nicht über Kotflügel legen. Das Auto sticht hervor. Klar, der Chrysler macht sich hierzulande auch rar und konnte nie in die Absatzdimensionen von Zafira und Co. vordringen. Leichtmetallräder und leichte Tieferlegung sorgen für einen sportlicher Touch. "Ey Mann, ist der geil, Mann!" Das hört man gern. Auf Parkplätzen und Tankstellen gilt dem Wagen unverholene Bewunderung. Der Cruiser fällt auf, ohne Neid zu erregen. Vorbeifahrende Youngster drücken sich vor Bewunderung die Nase an den Seitenscheiben platt. Das sieht man gern. Gut auch, dass sich niemand zu kamikazehaften Überhol- oder Schneidemanövern provoziert fühlt.
Alle unsere Vor-Urteile
Nicht nur die Lackierung sieht "fett" aus, der Wagen fasst sich auch "satt" an. An vielen Teilen könnte der Wohlfühl-Hinweis stehen: "Fasst sich schwerer an, als es ist". Ein Kompliment. Hinter den verchromten Türgriffen steckt keine Mogelpackung, sondern ein solides und Vertrauen erweckendes Entree. Das gleiche gilt für Bedienungselemente und Steuerung. Die Schalter haben teilweise eine Chrysler eigene Anordnung, die ist aber durchdacht und sollte, wenn man das System einmal verstanden hat, keine Schwierigkeiten bereiten. Ein Amaturenbrett wie im 50er Jahre Flugzeug Cockpit, wer es mag, wird damit glücklich sein. Der Innenraum-Look mit Carbon-Imitaten fällt unter die Rubrik: "Über Geschmack sollte man nicht streiten". Das Gestühl in Leder macht rundum Freude. Innen fällt der Cruiser deutlich größer aus, als die übersichtlichen Außenmaße erwarten lassen. Nebeneffekt: Draußen im Innenstadt-Gewühl bleibt immer ein bisschen mehr Platz, als man dachte. Das Sitzgefühl schwankt zwischen Texas-Bar und Fernsehsessel - eben üppig. Dabei bieten die Sitze einen guten Seitenhalt. Wer gern liegend in eng anliegenden Rennsesseln mit Uterus-Feeling über die Piste jagt, wird sich natürlich nicht zu Hause fühlen.
Ein bisschen edler
Aus dem Innenraum kommt zuerst die gute Nachricht: Einen allergischen Schock wegen einer Überdosis Kunststoff-Terror bekommt niemand im Cruiser. Dennoch würde ein etwas wertigeres Material vielen Einzelteilen wie Schaltern und Lüftungsdüsen gut bekommen. Schade eigentlich, denn Chrysler versteht durchaus, wie man es macht. Das beweisen innere Türöffner und Verriegelungsstifte. So etwas will gern gestreichelt werden. Alles passt genau zusammen. Auch auf unebenem Untergrund meldet sich kein Bauteil mit Knirschern oder Knarzern. Echte Schocker wollen also gesucht werden, aber man findet sie vereinzelt leider doch. "Abartige" Teile wie die Griffe unter den hinteren Sitzen oder das eigentlich sehr praktische Ablagefach unter dem Beifahrersitz stammen direkt aus dem Gruselkabinett der Kunststoffmischungen. Einzelne Ausrutscher, die in diesem Wagen eigentlich nichts zu suchen haben. Andere Details überraschen angenehm. Ein Beispiel: Der Kofferraum wird endlich einmal von einer echten "Platte" abgedeckt, die auch eine harte Hand verträgt. Anders als die sonstigen Brettchen mit Einweg-Hartfaser-Festigkeit. Das Teil rastet nicht mit irgendwelchen Nippeln ein, silberdollargroße Gummischeiben sorgen für vibrationsfreien Halt.
Zeitsprung gelungen
Diesen Wagen muss man lieben, dann hat man jede Menge Spaß mit ihm. Wer den Ami-Knuffel ins Herz geschlossen hat, der wird nicht enttäuscht. Wem die auffällige Form nicht das Herz öffnet, für den ist der Cruiser ohnehin nichts. Positiv: Aussehen, Charakter und Fahrverhalten sind aus einem Guss. Die Motorisierung sorgt für souveränen Fahrspaß, das passende Lebensgefühl stellt sich von allein ein. Praktische und zugleich relevante Nachteile muss man bei dieser Wahl nicht in Kauf nehmen.
Gernot Kramper