Was signalisiert heute Lebensqualität in einer Stadt? Ein Netz von Brücken und Kanälen, das die City umspannt, oder eine Stadtautobahn? Vor 50 Jahren entschied man sich in Utrecht für die Stadtautobahn und setzte einen Deckel auf einen 900 Jahre alten Kanal, der die Altstadt umgab. Jetzt wurde der letzte Teil des Betonsarges entfernt. Der Plan, den Kanal durch eine Autobahn zu ersetzen, stammte vom deutschen Verkehrsexperten Max Erich Feuchtinger. Von den Anwohnern wurde die Autostrecke nie akzeptiert, aber es dauerte lange den Fehler zu korrigieren. "In den 1960er- und 1970er-Jahren herrschte die Idee, dass das Auto das Herz der Stadt erreichen sollte", sagte Ward Rauws, Professor für Stadtplanung, dem "Algemeen Dagblad". "Das Projekt sollte das Zentrum und die Wirtschaftstätigkeit vorantreiben. Aber was wir für ein Stadtzentrum wichtig finden, ändert sich. Eine riesige Straße gehört heute nicht mehr dazu."
Vision der autogerechten Stadt
"Der Verkehr hatte damals enorm zugenommen", sagte René de Kam, Kurator für Stadtgeschichte in Utrecht, dem "Guardian" über die Entscheidung, den Kanal zu betonieren. "Es gab eine Art Ring um die Stadt, nämlich den Kanal. Es war sehr verlockend zu denken: Was wäre, wenn wir ihn einfach asphaltieren würden? Dann ist das Verkehrsproblem gelöst. Das Einkaufszentrum der Niederlande sollte mit dem Auto leicht erreichbar sein, dachten sie."
Rauws erklärte, dass das Projekt Utrecht nicht alleinsteht. Das Auto wird in vielen Innenstädten zurückgedrängt. Überall in den Niederlanden werden versiegelte Kanäle wieder freigelegt. "Es ist ein Trend, immer mehr Wasser in die Stadt zu bringen", sagte Rauws. Und es gibt einen weiteren Vorteil: "Wasser und Kanäle reduzieren den Aufheizungseffekt in der Stadt."
Mehr Grün und mehr Wasser in Utrecht
Die Altstadt von Utrecht soll in Zukunft wieder von einem grünen Wassergürtel umgeben sein. Die Bürger stimmten bereits 2002 in einer Volksabstimmung dafür, die Straßen wieder mit Wasser zu ersetzen. Aber erst in den letzten Jahren wurde Ernst gemacht mit den Bemühungen, dass Auto aus der Stadt zu drängen. Nun habe die Gemeinde "Wasser und Grün einer Autobahn für Autos vorgezogen", so Rauws. "Es ist ziemlich einzigartig, dass eine Autobahn, wieder umgebaut wird", sagte er. "Jetzt, wo der Kanal zurück ist, bietet er eine schöne Verbindung zu einer Fülle von wichtigen städtischen Funktionen. Unter anderem haben der Bahnhof, eine Bühne, ein Theater und Grünanlagen ihren Platz am Wasser gefunden".
Auch in deutschen Städten gab es ähnliche Planungen, Wasser durch Beton zu ersetzen. In Hamburg wollte man eine Autobahn quer durch die Stadt bauen – inklusive eines Tunnels unter der Alster. Eine ringförmige Stadtautobahn sollte auf Wasserstraßen wie dem Isebekkanal errichtet werden. Klamme Kassen und entschiedener Widerstand der Anwohner verhinderten diese Projekte.
Quelle: Guardian, Algemeen Dagblad
Lesen Sie auch: