Opel Insignia Herrschaftszeichen

Noch vor zwei bis drei Jahren hätte kaum jemand einen Pfifferling auf eine erfolgreiche Opel-Zukunft gesetzt. Inzwischen haben die Rüsselsheimer wieder große Pläne.

Noch vor zwei bis drei Jahren hätte kaum jemand einen Pfifferling auf eine erfolgreiche Opel-Zukunft gesetzt. Festgefahren im Schlick der von Konzernmutter GM verordneten Sparpolitik, aufgerieben zwischen den Mühlsteinen aus Image-Verfall und Qualitäts-Tiefflug gammelte die Traditionsmarke vor sich hin. Aus und vorbei. Die von Opel-Chef Carl-Peter Forster verordnete Frischzellenkur zeigt erste Auswirkungen.

Lebenszeichen

Der Vectra hat sich etabliert, Anfang 2004 kommt der Astra-Nachfolger, ein kleiner Roadster steht in den Startlöchern. Opels neues Selbstbewusstsein. Die Rüsselsheimer Autobauer trauen sich sogar wieder zu, einen Fuß in die Tür der automobilen Oberklasse zu bekommen. Deutliches Signal: die auf der IAA vorgestellte Studie Insignia. Der Name greift den Begriff Insignien auf, was sich laut Lexikon mit Herrschaftszeichen übersetzen lässt. Ein Blick auf Opels Oberklassen-Oldie Omega lässt auch eine weitere Interpretation zu: Lebenszeichen.

Dicker Pinsel

"Gutes Design muss sich mit wenigen Linien skizzieren lassen". Das gestalterische Glaubensbekenntnis von Opels oberstem Pinselschwinger Martin Smith klingt aus dem Munde eines Designer immer gut. Auch wenn er beim Entwurf des Insignia offensichtlich einen ganz dicken Pinsel verwendet hat. Opel will mit Macht und markigen Schwüngen Erfolgszone und Oberklasse zurückerobern.

Achtylinder-Power

Dazu hat Smith alle Stilrichtungen und Vorgaben miteinander verheiratet, die man in Rüsselheim gerade angesagt findet. Der Insignia ist eine Mischung aus Riesen-Coupé und Kombi und entspricht damit Carl-Peter Forsters Forderung nach Nischen-Fahrzeugen. Unter der langen Motorhaube bollert ein mächtiger Achtzylinder aus der Corvette, was dem neuen Selbstbewusstsein der Opelaner entspricht. Die hinteren Einzelsitze und der Kofferraum sind variabel, eine Tugend, die sich seit dem Erfolg des Zafira in praktisch jedem Opel findet. Die Idee, die hinteren Türen an einem Gelenkarm nach hinten schwingen zu lassen, ist innovativ. Noch so ein Schlagwort, das man unter dem Blitz gerne hört...

Hohes Risiko

Mit der überraschenden Insignia-Präsentation im Rahmen der IAA scheint auch die ewige Diskussion um einen Omega-Nachfolger beendet. Vieles sprach dafür, dass Opel vorerst auf einen in allen Belangen teuren Luxus-Ableger verzichtet. Wer nur durch diverse Sparprogramme mit dem Leben davongekommen ist, steht riskanten Multi-Millionen-Euro-Entwicklungen skeptisch gegenüber. Will heißen: Niemand stellt sich eine Luxus-Studie auf den Messestand und kann anschließend nichts damit anfangen.

Technische Daten

Motor

V8-Motor

Hubraum

ca. sechs Liter

Leistung

344 PS

Länge/Breite/Höhe

4.803/ 1.914/ 1.414 Millimeter

Radstand

2.915 Millimeter

0-100 km/h

unter sechs Sekunden

Höchstgeschw.

250 km/h (elektr. abgeregelt)

Unterstützung von höchster Ebene

Eine wichtiger Wegbereiter für den Insignia war allem Anschein nach GM-Entwicklungsvorstand Robert "Bob" Lutz. Seit der 70-jährige US-Schweizer in der GM-Zentrale über das Wohl und Wehe neuer Modelle entscheidet, denkt man in Detroit wesentlich mutiger. Da findet sich dann plötzlich auch das eine oder andere Milliönchen für die gewagten Herrschaftsambitionen des deutschen GM-Ablegers. Kein Wunder, dass Bob Lutz dem Insignia in Frankfurt persönlich die Plane vom Blech zog. Der Meister will dieses Auto für Opel und die Plattform für GM. Basta!

Pianobar-Ambiente

Die Rüsselheimer wissen, was sie an dem umtriebigen Alten haben, der sein Alter gerne in Fahrenheit angibt und so auf schmeichelhafte 21 Jahre oder Grad Celsius kommt. Als Dank haben sie ihm den Innenraum der Insignia-Studie gewidmet: mit Champagner-Kühlfach, Humidor und DVD-Player. Das übrige Pianobar-Ambiente aus dunklem Leder, düsteren Edelhölzern und schummrig schimmerndem Klavierlack erledigt den Rest. Der Insignia ist nur etwas für Leute mit ganz besonders exquisitem Geschmack, ganz besonders anspruchsvoller Familie und ganz besonders prallem Geldbeutel.

Der nächste Omega?

Vor einer Serienfertigung müssen sich alteingesessen Opel-Fans nicht fürchten. Ganz so mutig sind sie in Rüsselsheim dann doch wieder nicht. Aktuelle Omega-Fahrer dürfen allerdings darauf hoffen, dass sie in absehbarer Zukunft wieder einen Opel unterm Hintern haben werden, der den Steuermännern anderer Luxus-Limousinen die gesunde Farbe aus dem Gesicht pusten kann.

Jochen Knecht