Apps für den Straßenverkehr Die Veräppelung des Autos

  • von Margret Hucko
Der Erfolg des Computerkonzerns Apple zwingt auch die Auto- und Zweiradindustrie zum Umdenken. Daimler und Mini etwa präsentieren auf dem Pariser Autosalon Roller mit iPhone. Die Liaison mit den Kaliforniern ist nicht ohne Risiko.

Das iPhone übernimmt beim neuen Mini-Roller eine Schlüsselrolle. Klappe auf, iPhone rein und schon lässt sich der Elektroscooter auf Knopfdruck starten. Auch beim Prototypen von Smart, ebenfalls ein Roller, geht ohne Apple-Telefon am Steuer nichts. Kein Motor dreht sich, keine Musik erklingt. Was die Hersteller als Studien auf dem ab Donnerstag beginnenden Autosalon in Paris zeigen, ist in abgespeckter Form längst Realität: die "Veräppelung" des Autos. "Der Kunde erwartet, dass er das, was er auf seinen Geräten sieht, auch im Auto hat", sagt Ralf Lamberti, Direktor in der Vorentwicklung von Daimler. Ein hohes Unterhaltungs- und Informationsangebot an Bord entscheidet mittlerweile sogar über den Autokauf.

Im Kampf um Marktanteile werden Hersteller wie Apple so zum entscheidenden Kaufanreiz. "Bei einigen Zielgruppen rangiert es mindestens auf dem gleichen Niveau wie Sicherheit oder Fahreigenschaften", weiß Lamberti. Es seien vor allem Smartphones im Allgemeinen, die den Autobau beeinflussen. "Apple nimmt dabei aber eine ganz besondere Rolle ein", so der Ingenieur. Denn während Automarken wie Daimler oder BMW bestenfalls im Markenwert stagnieren, wuchs Apple in den vergangenen Monaten rasant. Um gleich drei Plätze kletterte der Konzern auf Platz 17 der wertvollsten Marken der Welt, welche die Marktforschung Interbrand ermittelt.

Autoexperten wie Stefan Bratzel vom Center of Automotive warnen die Autobauer davor, sich in eine Abhängigkeit zu begeben: Apple gilt in der Branche als wenig kooperativ. Die Amerikaner entwickeln neue Produkte stets unter großer Geheimhaltung. Kommt es doch zu Kooperationen, sind sie nahezu kompromisslos. Verträge können angenommen oder abgelehnt werden. Verhandlungsmasse gibt es fast nicht, heißt es bei Unternehmen, die bereits mit Apple zu tun hatten. "Es ist nicht nur Apple, mit denen wir zusammenarbeiten, sondern wir sprechen auch mit anderen Smartphone-Herstellern oder Firmen wie Google oder Facebook", sagt Lamberti.

Apples Glanz soll abfärben

Durch die Zusammenarbeit mit dem Technikgiganten aus Kalifornien versucht die Autoindustrie, von dessen Kultstatus zu profitieren. Dass die Autoindustrie danach lechzt, zeigt, dass sie es selbst versäumt haben, ein konkurrenzfähiges Entertainment an Bord anzubieten. "Bei den Rollern ist mir nicht klar, ob das iPhone ein Zubehör für den Scooter oder der Scooter ein Accessoire für das iPhone ist", bemerkt Designprofessor Paolo Tumminelli kritisch, der in Köln an der International School of Design lehrt. Egal wie herum - die Autohersteller hoffen so, junge Kunden wieder fürs eigene Produkt zu begeistern.

Oft ist es dabei nur die Logik, welche die Autobauer von Apple übernehmen. Beinahe schon als Standard gilt bei Premiumherstellern wie Daimler oder Audi die von Apple abgeguckte Darstellung von Musikalben, der sogenannte Coverflow, in ihren Multifunktionsanzeigen. "Wir sind mit Apple im Gespräch - auch um sicherzustellen, dass wir nicht gegen von Apple geschützte Patente verstoßen", so Lamberti. So beschäftigt Daimler allein 25 Mitarbeiter in Palo Alto, Kalifornien, die sich regelmäßig um Apple, Facebook und Google kümmern.

Wöchentlich mindestens einmal spräche man zusammen. Auch, um wichtige Entwicklungen nicht zu verschlafen. Ändert Apple die Stecker für iPod oder iPad, sind die Autohersteller gezwungen, schnell zu reagieren. "In Zukunft werden wir uns noch mehr fragen: Was muss ich noch im Auto haben und was kann ich aus dem Internet ziehen?", sagt Lamberti.

Die ersten Automobilzulieferer haben das Problem erkannt und bieten Geräte an, deren Software jederzeit über eine mobile Datenverbindung aktualisiert werden kann. So arbeitet zum Beispiel der Zulieferer Continental mit der Deutschen Telekom zusammen. Deren Produkt AutoLinQ mit einem großen Bildschirm basiert auf dem maßgeblich von Google entwickelten Betriebssystem Android.

Trotz der Verschlossenheit Apples, reißen die Gerüchte nicht ab, der Hersteller könnte irgendwann ein eigenes iCar auf die Straße bringen. Nicht zuletzt, weil Apple den ehemaligen Audi-Designer Julian Hönig verpflichtete. "Gemeinsam mit einem Zulieferer, beispielsweise Magna, könnte Apple ein Auto bauen", mutmaßt Autoexperte Bratzel.

Interesse vonseiten der Autoindustrie, mit Apple in einem Autoprojekt zu kooperieren, hat es gerüchteweise bereits gegeben. So traf sich VW -Chef Martin Winterkorn bereits vor Jahren mit Steve Jobs . Anschließend sagte er: "Es gab bisher lediglich einen ersten Meinungsaustausch mit Apple - von dieser Industrie mit ihren schnellen Produktzyklen können wir sicher noch lernen." Den ersten Wagen, der das verkaufsträchtige i der Kalifornier im Namen trägt heißt: iBrabus. Eine 350.000 Euro teure S-Klasse, die von dem in Bottrop ansässigen Tuner Brabus mit einem iPad als zentralem Bildschirm ausgerüstet wurde.

Diesen Text haben wir für Sie in der Financial Times Deutschlandgefunden.

FTD