Designtrend Auto, was guckst Du?

Von Sabine Franz
Böse schauen viele aktuelle PKW-Gesichter. Mancher Fahrer genießt, dass er mit fiesem Grill und grimmigen Leuchten Eindruck schindet und zügiger vorankommt. Noch. Denn im KFZ-Piranhabecken kann bald keiner mehr den anderen beeindrucken.

Auf deutschen Straßen herrscht miese Stimmung. Zumindest, wenn man auf die Frontpartie vieler Autos schaut. Während die Motoren immer leiser schnurren, knurren uns ihre Gesichter an. Scheinwerfer glotzen mit zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen. Kühlergrille sehen entweder aus wie aufgeblähte Nüstern oder schmallippig zusammengepresst. Wer so daher kommt, schindet Eindruck, macht den Weg frei. Vor allem auf der Autobahn. "Überholprestige ist ein Grund dafür, dass der aggressive Look so angesagt ist", bestätigt Professor Lutz Fügener, Leiter des Studiengangs Transportation Design an der Hochschule Pforzheim. "Kommt solch ein Auto von hinten, wird das als gefährlich angesehen und der Vorausfahrende weicht nach rechts aus."

Freie Fahrt für Ferrari

Da haben wir’s, den Fahrzeuglook passend zur Ellbogengesellschaft. In Internetforen tauschen sich Autohalter darüber aus, ob Xenon-Scheinwerfer zu langsame Zeitgenossen besser von der linken Spur scheuchen. Laut einer Gewis-Umfrage räumt jeder Dritte freiwillig für einen Ferrari das Feld, für einen unschuldig dreinblickenden Smart oder Mini sind nur schlappe zwei Prozent dazu bereit. Und auch das Kino geht mit der Zeit: Fuhr Sean Connery alias James Bond vor vierzig Jahren einen verschmitzt dreinschauenden Aston Martin, stieg sein Nachfolger Daniel Craig für "Casino Royale" im letzten Jahr in eine düstere Kampfmaschine derselben Marke. Doch schon bald könnte Schluss sein mit böse. "Wenn sehr viele Modelle aggressiv wirken, auch solche, die dieses Image aus Käufersicht gar nicht tragen dürfen, dann beginnt der Trend zu verschleißen", so Fügener. "Und genau das passiert gerade."

Tierischer Look

Auch wenn Leinwand-VW-Käfer Herbie eine Seele hatte und Knight Riders Kitt mehr Verstand als David Hasselhoff, wirklich menschlich wirkt bis heute keines der Blechgesichter. Zwar bediente der Renault Twingo bis vor kurzem das Kindchenschema, jedoch eher comichaft überzeichnet. Vor allem kommen beim tiefen Blick in die Scheinwerfer Assoziationen zu Tieren auf. "Menschliche Gesichter sind zu komplex", erläutert Lutz Fügener. "Tieren dagegen werden simple Eigenschaften zugeordnet." Dank der inflationär häufig angeschrägten Leuchten meint man derzeit, sich im Verkehrsdschungel zwischen Raubtieren wieder zu finden. Der Audi A4 hat Ähnlichkeit mit einem T-Rex, der 7er BMW mit einem Reptil, bei der Limousine des Mitsubishi Lancer fehlen nur noch aufgemalte Zähne zum weißen Hai. Der Nissan Murano grummelt wie eine Bordeaux-Dogge, der Honda Civic wie ein Pitbull und die Peugeotflotte wie ein Rudel Leoparden. Zu verdanken haben wir die extreme Mimik zwischen Faltenblick und Kampfhundgesicht mit gefletschten Zähnen zum einen der Industrie, "die sich in den letzten fünf, sechs Jahren darauf verstiegen hat, Markengesichter zu entwickeln", sagt Fügener.

Bei so vielen Vorgaben von Design über Fußgängeraufprallschutz bis zu Scheinwerfervorschriften leide die Individualität, die Marken würden austauschbarer und im Rückspiegel sehe schließlich ein 100.000-Euro-Vehikel genauso aus wie eins für 25.000 Euro. Zum anderen ist laut Fügener "die zunehmende Emotionalisierung des Automobilmarktes im letzten Jahrzehnt" für die ausdrucksstarken Auto-Antlitze verantwortlich. Standen früher Qualität, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit ganz oben auf der Wunschliste des Kunden, werden diese Attribute dank verbesserter Technik längst vorausgesetzt. Stattdessen wächst die Lust aufs Äußere. Design wird, so das Ergebnis einer aktuellen Aral-Studie, gleichauf mit Sicherheit (44 Prozent) an Nummer drei der Gründe für den Autokauf genannt. Nur Preis-Leistungsverhältnis (54 Prozent) und Wirtschaftlichkeit (51 Prozent) sind dem Konsumenten noch wichtiger. Besonders Männer legen beim Kauf Wert aufs Auto-Image - ob der Blech-Diamant auch genügend Macht oder Geld verkörpert. "Während Männer ein Auto als Verlängerung der eigenen Körperlichkeit sehen, verstehen Frauen es als Accessoire", erklärt Lutz Fügener. "Frauen fahren auch ein Auto, das niedlich aussieht und nicht sehr schnell ist, ohne dass es ihr Ego kleiner macht."

Schluss mit KFZ-Mimik

Wird es also Zeit, dass wir auf der Straße wieder netter zueinander sind, dass mehr Autos wieder lächeln? Nicht unbedingt. Auch wenn mancher Autofahrer die freundliche Mimik eines New Beetle mit seiner grinsenden Motorhaube zum Beispiel als Beschwichtigungsgebärde im PS-Kampf interpretieren mag, Kulleraugenmodelle wie der retroorientierte Mini oder Fiat 500 hält der Design-Experte für vorübergehende Trends. "Autos, die sehr modisch sind, verschleißen ideell relativ schnell wieder. Und produziert wird, was Gewinn bringt." Welches Gesicht aber hat das Zeug zu Germanys next PS-Topmodel? Eine langlebigere Zukunft sagt Fügener Fahrzeugen mit neutraleren Gesichtern voraus, die dennoch Spielraum zur Interpretation lassen - ähnlich wie in den Achtzigern. "Damals wurden Autos eher neutral gehalten, damit sich jeder damit identifizieren konnte", so der Design-Professor. Erfolgreiches Beispiel war der Mercedes 123.

Aktuell verzichtet der Landrover Discovery auf jede Mimik und setzt auf glatte Symmetrie, ohne unmodern zu wirken. Auch der Öko-Trend tut sein Übriges und sorgt dafür, dass monströse vor allem bei SUVs beliebte Kühlergrills, die auf einen starken und damit weniger umweltfreundlichen Motor schließen lassen, bald nicht mehr zeitgemäß sind. Fügener: "Design- und LED-lichttechnisch gibt es erst einen Bruchteil von dem, was möglich ist. Viele Entwürfe traumhafter Autos, die zukunftsweisend aussehen, werden von Automobilfirmen weggeworfen oder unter Verschluss gehalten." Ein Unternehmen, das den Massenmarkt bedient, solle nicht nur beobachten, wie die Welt aussieht, sondern sie mitgestalten. Die Hersteller müssen sich nur trauen und die Kundschaft langsam ranführen. Denn wer an Retro gewöhnt ist, den erschreckt erst einmal ein Auto, das aussieht wie ein gelandetes Ufo.