Das ist in der Nacht vom 23. April auf den 24. April gegen 23.30 Uhr passiert: Der 26-jährige Fahrer eines Mazda verlor zwischen den Anschlussstellen Oberndorf und Rottweil aus bisher unbekannten Gründen die Herrschaft über seinen Wagen. Der Mazda prallte in die Mittelleitplanke, rollte auf der Überholspur aus und blieb schließlich dort stehen. Ausgerechnet auf der linken Spur. In dem Moment, als der junge Mann aus seinem Fahrzeug aussteigen wollte, brauste der Prototyp des noch geheimen nächsten M-Klassemodells von Mercedes mit offenbar hoher Geschwindigkeit heran, dort herrscht kein Tempolimit, und knallte mit voller Wucht in den stehenden Mazda. Dabei wurde der Mazda in zwei Teile zerrissen, der 26-Jährige kam ums Leben, der 52 Jahre alte Testfahrer von Mercedes verletzte sich schwer. Dass insbesondere auf der Autobahn 81 häufig Mercedes-Prototypen unterwegs sind, weiß die Rottweiler Polizei. Sprecher Ulrich Effenberger sagt: "Das dürfen sie auch, solange sie sich an die Verkehrsregeln halten."
Erlaubte und verbotene Test
War es eine "Testfahrt" oder eine "kundennahe Erprobungsfahrt"? So nennt Mercedes diese Einsätze. "Es war eine kundennahe Erprobungsfahrt", sagt Mercedes-Sprecher Christoph Horn. Testfahrten auf öffentlichen Straßen sind nämlich laut Straßenverkehrsordnung verboten. Die andere Kategorie nicht – was immer man darunter verstehen mag. So kann eine kundennahe Erprobungsfahrt bedeuten, dass die Klimaanlage unter praktischen Bedingungen getestet wird. Wogegen wenig spräche. Bei einer Testfahrt hingegen könnte es sich um Vollbremsungen oder Hochgeschwindigkeitstets handeln. "Die", sagt Horn, "werden immer auf dem Testgelände durchgeführt." Und dass getarnte Prototypen, wie jener der nächsten M-Klasse, auf normalen Straßen unterwegs sind, ist dann nichts ungewöhnliches, wenn sie sich auf Überführungsfahrten von einem Ort zum anderen befinden. Natürlich liegt der Gedanke nahe, dass währenddessen auch schon mal kräftig Gas ge-geben wird, weil man etwa bei den Hochgeschwindigkeitstest in Verzug ist. Schwierig für Außenstehende, bei diesem Dickicht an Möglichkeiten durchzublicken.
Testgelände oder Autobahn
Wie stern.de erfuhr, finden solche kundennahen Erprobungsfahrten bei Daimler zumeist im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr statt. Zum Beispiel soll es die "gemischte Straßenerprobung" geben, bei der jeweils bis zu 150 000 Kilometer auf Autobahnen, Land- und Stadtstraßen zu absolvieren seien. Dabei soll es sich ausdrücklich nicht um Vollgaserprobungen handeln. Die finden, so Christoph Horn, auf dem Testgelände in Papenburg/Emsland statt, das Daimler verpachtet hat, aber von der Betreibergesellschaft als Hauptmieter nutzt.
Daimler gibt zwar an, dass immer mehr Testkilometer nach Papenburg verlagert würden. So soll die Kilometerfresserei seit 2005 von zwei Millionen auf 16 Millionen Kilometer in Papenburg gesteigert worden sein. Dennoch könnte gerade Papen-burg das Problem sein – die Teststrecke ist von Stuttgart etwa 630 Kilometer entfernt. Das heißt, dass öffentliche Straßen mindestens für Überführungsfahrten genutzt werden müssen. Was währenddessen passiert, ob Vollgas getestet oder ob nur gemütlich gebummelt wird – allein Mercedes kennt die Antworten.