Las Vegas Tuning Show Diamanten für das Thunder-Häschen

Von Axel F. Busse/Las Vegas
Speichen mit Lederoberfläche, Pailetten statt Lack und ein Golf-Häschen mit 380 PS. Dazu schüttet Jay Leno Bio-Diesel in seine 650 PS-Turbine. Auf der SEMA feiert sich die automobile Unvernunft.

Der Name VW Passat scheint nur wenig geeignet, Phantasien von Freiheit und Abenteuer, Wünsche nach Geschwindigkeitsrausch und Beschleunigungsorgien zu wecken. Noch viel weniger zieht die biedere Limousine geschmeidige junge Damen an, die ihre samtene Haut dringend am Leder des Beifahrersitzes reiben wollen. Bisher. Auf der SEMA ist alles anders. Sie gilt als die größte Tuning-Show der Welt und vereint alle, die nach Chrom, Spoilern und spärlich bekleideten Mädchen lechzen.

Der Wunsch nach Individualisierung und mega-schrillem Outfit macht auch vor einem VW Passat nicht halt. Von der Studie RGT Passat waren die Messe-Besucher im vergangenen Jahr so hingerissen, dass jetzt das gesamte Stylingpaket offiziell als VW-Zubehör in limitierter Auflage von 2000 Stück angeboten wird. Bei einem Mega-Automarkt wie den USA verspricht diese Anzahl allerhöchste Exklusivität. Dieses Jahr hat Volkswagen of America im Las Vegas Convention Center weitere Appetithappen präsentiert: Eine "Euro-Tuning" genannte Zubehörlinie bietet Frontspoiler, Seitenschweller und Heckdiffusor für den Golf, der in USA als "Rabbit" verkauft wird, zum Paketpreis an.

Leichter wird schneller

Wem das nicht reicht, kann sich an der 380 PS starken Studie Rabbit R GTI erfreuen. Mittels Turboaufladung und durch konsequente Gewichtsreduzierung soll er für eine Beschleunigung von 4,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h gut sein. Daneben sorgt der Golf auch noch als "Thunder Bunny" für Aufsehen.

Leichtbauweise kennzeichnet auch einen anderen Star der Show. General Motors versucht, mit der Studie "Eco Jet" die Themen Leistung und Umweltverträglichkeit zu vereinen. Den Anstoß zu Bau des 4,67 Meter langen und 2,02 Meter breiten Straßenufos aus Aluminium, Karbon und Kevlar gab der US-Talkmaster und Auto-Enthusiast Jay Leno. Als Antriebsaggregat dient ein Honeywell LT-101 Turbinenmotor, der 650 PS und 543 Nm Drehmoment leistet. Allerdings verbrennt er statt hochoktanigen Benzins nur Bio-Diesel. Der Motor sitzt in dem modifizierten Aluminiumrahmen einer Corvette Z06. Für die Umsetzung des Konzepts zeichnet das General Motors "Advanced Design Studio" in Kalifornien verantwortlich.

Höher oder tiefer

Dem gewöhnlichen Wochenend-Rennfahrer fehlen solche professionellen Ressourcen natürlich. Er ist auf die Anbauteile angewiesen, die ihm die Industrie zur Verfügung stellt. Wenn das überbordende Angebot auf mehr als 100.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche eine Erkenntnis vermittelt, dann diese: Außer Reifen lässt sich alles verchromen. Wer in der Tuning-Hierarchie höher hinaus will, muss sein Auto tiefer legen, je näher am Asphalt, desto besser. Fahren kann man dann zwar nicht mehr damit, aber es sieht ja so cool aus, wenn die 22-Zoll-Felgen fast zur Hälfte unter den Kotflügelausschnitten verschwinden.

Das ist die Low-Rider-Fraktion. Zur anderen Seite gehört beispielsweise Karl Krantz. Er hat seinen 85er Chevi Impala mit 30-Zöllern so hochgepuscht, dass er beim Öffnen der Fahrertür das Schloss auf Augenhöhe hat. Der 27-Jährige Autobastler aus Florida ist vom Felgenhersteller MHT eingeladen worden, das neue Prunkstück der Firma zu präsentieren: Eine Felge, deren innerer Ring sich drehen kann, selbst wenn das Fahrzeug steht.

Schwarze Löcher

Felgen, Reifen und Scheiben, die so schwarz sind, dass man sich fragt, wie dadurch die Fahrbahn zu erkennen sein soll, sind zwar für den Auftritt auf dem Boulevard wichtig, nur drinnen darf natürlich nicht das karierte Einheitspolster aus der Serie zu sehen sein. Instrumententräger, aus dem vollen Alublock gefräst, Carbon-Einfassungen in jeder Form und Größe sowie Langflor-Plüsch auf den Sitzen steigern das Wohlbefinden jedes Tuning-Fans. Wenn dann der SL auch noch sein Paillettenkleid überstreift, ist ihm die Aufmerksamkeit des Publikums – zumindest für Minuten – gewiss. Wer als Ausgangsprodukt für den Umbau statt eines Neuwagens zum Beispiel lieber einen 37er Ford Truck nimmt, wird ebenfalls bei den Ausstattern fündig. Niemand muss sich mehr auf schmierigen Trödelmärkten mühsam seine Originalteile zusammenklauben – alles ist als Nachbau und schick verchromt vom Spezialhersteller zu haben.

Die exzessive Verbastelung von unauffälliger Massenware zu schrägen Krawall-Schlitten ist keine Spezialität der Mittelklasse. Auch ein Rolls Royce Phantom ist vor der Ergänzung durch Anbauteile und 22- oder 24-Zoll-Felgen nicht sicher. Die Speichen dürfen dann aber gern von Spezialisten wie Asanti oder Lexani mit feinstem Lederfinish optimiert oder mit Edelsteineinlagen versehen werden. Da können leicht mal 20.000 Dollar für eine Felge draufgehen. Ganz neu auf der SEMA: Die unsichtbare Felge. Vollständig aus Acrylglas gefertigt, gibt sie den Blick frei auf Bremsscheiben und –sättel, auf Federbeine und Aschsschenkel.

Trend "Zero Clothing"

Auch Schenkel anderer Natur dürfen nicht fehlen auf einer Tuningshow. Reizende Hostessen und chronisch zu knapper Bekleidung sind unverzichtbares Accessoire jedes hochgezüchteten Custom-Cars. Und wer keine sanft geformten Kotflügel, Scherentüren oder blitzende Reifenträger zu bieten hat, ist erst recht angewiesen auf die Unterstützung durch visuelle Anreize weiblicher Art. Die Firma Cobra ist so ein Aussteller. Von den Produzenten anderer Sport- und Rennsitze unterscheidet sich das Unternehmen dadurch, dass es eine eigene "Miss Cobra Seat" kürt. Gegen rund 80 andere Bewerberinnen hat sich Holly Weber durchgesetzt und der Gefahr, durch zu enge Kleidung aufzufallen, entgeht sie dadurch, dass sie fast gar nichts mehr anhat. Bereitwillig signiert sie Poster mit ihrer Abbildung. Ein großer Erfolg für die 22-Jährige Kalifornierin, der Hoffnung auf einen Karrieresprung macht. Ihre Vorgängerin bei Cobra hat es als Model sogar bis in einen Werbspot für das Super-Bowl-Finale geschafft.