Vor einem Jahr hat Audi Motorsportgeschichte geschrieben: der erste Sieg eines Diesel getriebenen Rennwagens beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Diesmal tritt Peugeot ebenfalls mit einem 12-Zylinder-Diesel an, um Audi die Krone zu entreißen.
Einen Franzosen als Sieger hat das Traditionsrennen schon länger nicht gesehen – und Samstag startet es zum 75. Mal. Auch wenn es so schön medienwirksam klänge – der Krieg der Welten ist das Duell zwischen Audi und Peugeot in Le Mans nicht. Es sind nicht zwei konkurrierende technische Konzepte zur Erreichung eines Ziels, nicht alt gegen neu, allenfalls Titelträger gegen Herausforderer.
Die beiden Zwölfzylinder-Dieselmotoren tragen zwar unterschiedliche Firmenlogos, doch sind sie in der Leistung fast gleich und abgesehen vom Zylinderwinkel sogar in vielen Bauteilen identisch, da sich die Teams auf die gleichen Zulieferer wie Bosch oder Michelin verlassen. Beide Boliden fahren mit Rußpartikelfiltern und tanken den gleichen Kraftstoff - denn der britisch-holländische Ölmulti Shell beliefert alle Wettbewerber in Le Mans.
10-Prozent-Handicap für die Selbstzünder
Worum geht es also tatsächlich? Natürlich um die Ehre und um die Frage, ob man ein Antriebskonzept, das vor einem Jahr Spitze war, noch verbessern kann. Gleichzeitig hat das Reglement, das vom veranstaltenden Automobilclub festgelegt wird, die Chancen der benzinbetriebenen Autos verbessert. Vergangenes Jahr durften bei den Ottomotoren und dem Audi, der als einziger mit Diesel fuhr, die Tanks gleich groß sein (90 Liter). Diesmal bekommen die Selbstzünder als Handicap zehn Prozent weniger Sprit, denn dank des geringeren Verbrauchs mussten die Audis seltener tanken als die Konkurrenz.
Seltener Tanken müssen ist nicht nur bei Privat-Pkw von Vorteil: Zwar ist das 24-Stunden-Rennen ein Wettbewerb auf Marathon-Distanz, das Tempo ist aber so hoch wie bei einem Sprintrennen. Die Zeit, die für Tankstopps und Reifenwechsel gebraucht wird, fehlt zum Kilometerfressen. In Le Mans gewinnt das Team, das in 24 Stunden die längste Strecke zurückgelegt hat.
Dass der Dieselmotor effizienter arbeitet und mehr aus dem Sprit macht, ist heute technisches Allgemeingut. Wie man aus dem Kraftstoff selbst mehr herausholt, dass ist eine Aufgabe, mit der bei Shell Personal in Kompaniestärke betraut ist. Der synthetische Dieselsprit, dessen stoffliche Grundlage Erdgas ist, trieb 2006 den Audi R 10 an. "Mehr als 20 Prozent" dieser Flüssigkeit besteht aus so genanntem GTL (Gas to Liquid = "verflüssigtes Gas"). Wie viel genau, mag Dr. Wolfgang Wagner, Chef der Kraftstoffentwicklung bei Shell, nicht verraten. Auch der Dieselkraftstoff, der an den mit Muscheln verzierten Tankstellen als "V-Power" angeboten wird, enthält GTL, aber nur fünf Prozent.
Die Essenz mit den drei Buchstaben ist farb- und geruchlos, und wer sie in einer Laterne verbrennt, kann keinerlei Rußentwicklung feststellen. Die GTL-Mixtur, die an der Tankstelle abgegeben wird, ist um rund 10 Cent je Liter teurer als der normale Diesel, weshalb Shell viel Energie darauf verwendet, die Vorteile von V-Power zu preisen. Rund 15 Prozent der deutschen Kunden, die bei Shell Diesel tanken, entscheiden sich dafür. Inzwischen bieten auch Aral und Total zwei Dieselsorten an, wobei allerdings Aral nicht auf GTL-Technologie, sondern auf vermeintlich Leistung steigernde Additive setzt.
Mehr Strecke für mehr Geld
Die Vorteile des High-Tech-Diesels sind mess- und erlebbar. Optimale Verbrennung, kraftvoller Drehmomentverlauf, mehr Schub zeigen die Versuche, für die Shell und Audi einen A4 mit zwei Tanks ausgerüstet haben. Aus dem einen rinnt herkömmlicher Kraftstoff zu den Einspritzdüsen, aus dem anderen das GTL-Gemisch. Während der Fahrt kann man umschalten, sämtliche Leistungsdaten werden aufgezeichnet und ausgewertet. Nur wenige Sprints- auf der Start-Ziel-Geraden von Le Mans sind nötig, um die Unterschiede zu erkennen. In nur 8,5 Sekunden Beschleunigungsfahrt hat der Zukunftssprit dem A4 einen Vorteil von rund fünf Metern Strecke gebracht. Das heißt: wären zwei Vergleichsfahrzeuge gut zweieinhalb Stunden unterwegs, hätte das eine einen Vorteil von fünf Kilometern herausgefahren. Ob das die Mehrkosten von rund sechs Euro je Tankfüllung rechtfertigt, muss der Fahrer entscheiden.
Die Fahrer der Le-Mans-Rennwagen haben auf die Spritwahl keinen Einfluss. Der Verbrauch eines R 10 ist auf etwa 40 Liter je 100 Kilometer zu taxieren. Der Peugeot dürfte in der gleichen Größenordnung liegen – Spitze 330 km/h inklusive. Gut möglich, dass es bei der Marke mit dem Löwen außer um den Beweis technischer Kompetenz noch um etwas anders geht. Es ließe sich gut an, wenn der schnellste Rennwagen in Le Mans ein Franzose wäre, schließlich ist Paris die Geburtsstadt von Rudolf Diesel.