Am Automaten, mit der App, am Computer, per Telefon oder im Reisezentrum – viele Wege führen zur Fahrkarte bei der Deutschen Bahn. Mit einem soll jedoch ab dem 1. Januar 2022 ein für alle mal Schluss sein: Das Unternehmen schafft nach Jahrzehnten den Ticketkauf beim Personal in den Fernzügen ab – erweitert die Möglichkeiten zum Fahrkartenerwerb dafür aber an anderer Stelle.
"Bordzuschlag" von 17 Euro entfällt
Das bestätigte eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf stern-Anfrage an diesem Freitag. Der Grund klingt einleuchtend. Die Möglichkeit, das Ticket nach Fahrtantritt bei der Schaffnerin oder beim Schaffner zu kaufen, werde "aktuell von weniger als einem Prozent aller Kunden genutzt". Zu der geringen Nachfrage dürfte auch der sogenannte Bordzuschlag beitragen, der in solchen Fällen erhoben wird. 17 Euro sind derzeit zuzüglich zum sogenannten Flexpreis fällig, wenn Fahrgäste erst nach dem Einsteigen beim Zugpersonal in den ICE-, Intercity- oder Eurocity-Zügen ihr Ticket kaufen.
Schon vor der Abschaffung des "personenbedienten Bordverkaufs" soll die Bahn-App "DB Navigator" und die Webseite der Bahn (www.bahn.de) ab dem 1. April 2021 kräftig aufgebohrt werden und das sogenannte Nachlösen ermöglichen, kündigte die Sprecherin an: "Dann können Tickets im Fernverkehr auch noch im Zug bis zehn Minuten nach Abfahrt digital gebucht werden. Das war bislang so nicht möglich. Für unsere Kunden vereinfacht sich das kurzfristige Kaufen eines Tickets im Zug also deutlich." Am Bahnhof zunächst ohne Fahrkarte spontan oder unter Zeitdruck in einen Zug zu steigen, geht also auch in Zukunft noch.
Auch Angebote, die bislang nur am Automaten oder im Reisezentrum verfügbar sind, sollen vom 1. April an per App oder über die Webseite der Bahn gekauft werden können, zum Beispiel Upgrades von der zweiten auf die erste Klasse. Weiterer Vorteil für spontane Passagierinnen und Passagiere beim Fahrkartenkauf mit dem Handy im Fernzug: Der Aufpreis von 17 Euro wird passé sein.

Dass Reisende ohne Smartphone zu unfreiwilligen Schwarzfahrern werden, etwa weil das Reisezentrum am Einstiegsbahnhof geschlossen hat oder der Automat kaputt ist, muss nach Angaben der Bahn-Sprecherin niemand befürchten. Solche Fälle sollen "registriert und geprüft" werden: "Der Kunde erhält in diesem Fall zunächst eine Fahrpreisnacherhebung, die im Nachgang aber auf den regulären Flexpreis reduziert wird."
Deutsche Bahn kann Kritik "nicht nachvollziehen"
Kritik an den Plänen der Bahn gibt es trotz der Vorteile für die Kundinnen und Kunden. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft hält die Entscheidung für "falsch" und befürchtet unter anderem "am Ende mehr Konfliktpotenzial auf den Zügen". Die Deutsche Bahn erklärt dazu, dies könne sie "nicht nachvollziehen", schließlich stelle die Änderung "im Wesentlichen eine Verbesserung für die Kunden dar". Zudem gebe es eine lange Übergangsphase, in der sich alle Beteiligten auf den Wegfall des Ticketkaufs beim Zugpersonal einstellen können, teilte sie dem stern mit.
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Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 5. Februar 2021 veröffentlicht.