Kartellurteil Microsoft verliert vor EU-Gericht

Das Europäische Gericht erster Instanz hat die Kartellstrafe der EU-Kommission gegen den Softwarekonzern Microsoft in wesentlichen Punkten bestätigt. Die Bußgelder in Höhe von 780 Millionen Dollar seien zu Recht verhängt worden. Für die EU-Kommission ging es auch darum, ihre Macht als Wettbewerbsbehörde zu beweisen.

Die EU-Kommission hat sich in der Auseinandersetzung mit dem US-Softwareriesen Microsoft in den wesentlichen Punkten durchgesetzt. Die EU-Richter bestätigten am Montag in Luxemburg das Bußgeld von 497 Millionen Euro gegen den weltgrößten Softwarekonzern wegen Marktmissbrauchs. Die Kommission habe vor drei Jahren Schwere und Dauer des Verstoßes angemessen geahndet, urteilte das Gericht.

Microsoft kann gegen die Entscheidung allerdings Berufung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegen. Noch habe der Konzern über das weitere Vorgehen nicht entschieden, erklärte Microsoft-Anwalt Brad Smith in Luxemburg. Man werde das Urteil zunächst genau prüfen.

Zustimmung von Barroso und Kroes

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüßte die Gerichtsentscheidung. "Das Urteil bestätigt die Objektivität und Glaubwürdigkeit der Wettbewerbspolitik der Kommission", erklärte Barroso in einer in Brüssel veröffentlichten Pressemitteilung. "Diese Politik schützt die Interessen der europäischen Verbraucher und gewährleistet einen fairen Wettbewerb." EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte: "Das Gericht hat eine wegweisende Entscheidung der Kommission bestätigt, die dazu dient, den Verbrauchern auf dem Software-Markt eine größere Auswahl zu verschaffen."

Microsoft müsse technische Einzelheiten für Konkurrenten offenlegen, damit deren Software für große Betriebsrechner mit dem Betriebssystem Windows vereinbar wird, entschied das zweithöchste Gericht. Diese Frage war einer der Hauptstreitpunkte in dem jahrelangen Verfahren gewesen. Das Gericht annullierte allerdings die Entscheidung der Kommission, einen Treuhänder zur Überwachung der Maßnahmen einzusetzen.

Die EU-Richter bestätigten auch die Entscheidung der EU- Kommission, wonach Microsoft in unzulässiger Weise Windows mit dem Multimedia-Abspielprogramm Media-Player gekoppelt hat. Microsoft ist der mit Abstand größte und wichtigste Brüsseler Wettbewerbsfall. Die Kommission hatte in diesem Streit ihr Prestige in der Wettbewerbspolitik aufs Spiel gesetzt.

Das Prestige der EU-Kommission steht auf dem Spiel

Microsoft gegen die EU-Kommission - bei dem Rechtsstreit geht es um viel mehr als um Bußgelder und Auflagen für den US-Softwareriesen. Nichts Geringeres als die Macht der Europäischen Kommission als Wettbewerbsbehörde, der sich auch die High-Tech-Industrie beugen muss, stand auf dem Spiel.

Chronik

1998: Das Software-Unternehmen Sun Microsystems legt gegen den Konkurrenten Microsoft Beschwerde bei der EU-Kommission ein. Der Vorwurf: Microsoft missbrauche seine beherrschende Stellung auf dem Markt für PC-Betriebssysteme.
Februar 2000: Die EU-Kommission leitet eine Untersuchung ein. Im Zentrum steht die Anschuldigung, dass Microsoft durch Verknüpfung seines PC-Betriebssystems Windows mit einer neuen Server-Software die Kombination von Windows mit Konkurrenzprodukten praktisch ausschließe.
August 2001: Das Verfahren wird ausgeweitet: Die Kommission kritisiert, dass Microsoft seine neue Software zum Abspielen von Musik und Videos, den Media Player, an sein Betriebssystem Windows gekoppelt habe. Microsoft schränke damit die Möglichkeiten von PC-Herstellern und Verbrauchern ein, ein Konkurrenzprodukt auszuwählen, zumal sich der Media Player nicht ohne weiteres entfernen lasse.
März 2004: Die EU-Kommission verhängt eine Rekordstrafe von 497 Millionen Euro gegen Microsoft "wegen Missbrauchs seiner Marktmacht in der EU". Zudem verpflichtet sie den US-Konzern, die Schnittstellen-Informationen offenzulegen, die die Wettbewerber brauchen, damit ihre Software-Produkte mit Windows-PC- und Server-Software kommunizieren können. Weiter verlangt die Kommission, Microsoft müsse das Betriebssystem Windows künftig auch ohne den Media Player anbieten.
Juni 2004: Microsoft legt gegen die Entscheidung der Kommission Klage vor dem Europäischen Gericht erster Instanz ein.
Juli 2006: Nach mehreren Warnungen an Microsoft verhängt die Kommission eine zweite Geldstrafe von 281 Millionen Euro, weil das Unternehmen die Verpflichtung zur vollständigen Offenlegung der Schnittstellen-Informationen nicht erfüllt habe.
März 2007: Die Kommission hält Microsoft vor, für die Bereitstellung der Schnittstellen-Informationen überhöhte Preise zu verlangen und droht, deshalb rückwirkend zum 1. August Geldstrafen von drei Millionen Euro täglich zu verhängen. Gegenwärtig prüft die Kommission die Antwort Microsofts auf diese Vorwürfe.
17. September 2007: Das Europäische Gericht erster Instanz bestätigt die Kommissionsentscheidung von März 2004.

Hätte Microsoft gewonnen, wäre die Kommission in argen Schwierigkeiten, räumte ein Vertreter der Behörde ein. "Das würde unsere Fähigkeit in Frage stellen, den Wettbewerb in der High-Tech-Branche zu regulieren." Vor drei Jahren hatte die Kommission Microsoft eine erste Strafe von 497 Millionen Euro auferlegt, weil der Konzern seine marktbeherrschende Stellung bei Betriebssystemen ausnutze und damit seine Konkurrenten bei anderen Programmen schade. Dagegen setzte sich der Konzern juristisch zur Wehr.

Streitpunkt eins: der Media-Player

Dabei geht es um das Programm Media-Player, das Videos und Musikstücke aus dem Internet abspielt. Mit dessen Einbau in sein Betriebssystem Windows, das inzwischen auf 95 Prozent aller PCs installiert ist, habe Microsoft Konkurrenzprodukte wie den RealPlayer vom Markt vertrieben. Eine Monopolstellung aber führt zu überhöhten Preisen für die Verbraucher. Die Kommission zwang Microsoft, Windows auch ohne MediaPlayer auf den Markt zu bringen. Eine Sanktion, die verpuffte, denn kaum jemand kaufte dieses Produkt.

Streitpunkt zwei: Server

Der zweite zentrale Punkt betrifft Server, die mehrere Computer untereinander oder mit Druckern und anderen Geräten verbinden. Früher stellte Microsoft die Daten zur Verfügung, die Serversoftware-Firmen zur Vernetzung mit Windows brauchen. Das änderte sich, als Microsoft selbst in das Geschäft mit Servern einstieg. Seinen Marktanteil konnte der Konzern hier binnen weniger Jahre auf 80 Prozent verdoppeln. Die Kommission erlegte Microsoft deshalb auf, seinen Konkurrenten die Informationen zur Vernetzung mit Windows weiter zur Verfügung zu stellen. Daran hielt sich das Unternehmen aber nicht. Noch nie zuvor in der 50-jährigen Geschichte der Europäischen Union habe sich ein Unternehmen Wettbewerbsentscheidungen widersetzt, stellte die Kommission damals verwundert fest - und verhängte weitere 280 Millionen Euro Bußgeld.

Microsoft ist geübt im Kämpfen

Hätte Microsoft auf der ganzen Linie Recht bekommen, hätte die Firma die Bußgelder verzinst zurückbekommen. Für das von Bill Gates gegründete Weltunternehmen wäre das aber nicht mehr als Taschengeld. Schließlich hat es in seiner Geschichte bereits 5,6 Milliarden Dollar in Rechtsstreitigkeiten mit Behörden und Privatfirmen hingeblättert - ohne sein Geschäftsgebaren grundlegend zu ändern.

Der Software-Gigant sieht sich als Opfer von Angriffen einiger weniger Konkurrenten, die die Presse und auch Regierungen für ihre Attacken gegen Microsoft einspannten. Dabei habe sich das Verhältnis zu einstigen Rivalen wie etwa Novell und Sun Microsystems doch klar entspannt, meint Dave Heiner von Microsoft: "Ich denke, mit den meisten Firmen läuft es recht gut."

DPA · Reuters
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