Microsoft hat das letzte große Kriegsbeil mit einem Konkurrenten begraben und entschädigt seinen einstigen Erzrivalen RealNetworks mit insgesamt 761 Millionen US-Dollar. Beide Unternehmen wollen mit der friedlichen Einigung in ihrem Kartellrechtsstreit künftig auch enge Partner im Multimedia-Geschäft werden. Bislang war das Software-Unternehmen des einstmaligen Microsoft-Mitarbeiters Rob Glaser eines der lautstärksten Kritiker der Geschäftsgebaren von Microsoft.
RealNetworks hatte dem Software-Riesen wiederholt vorgeworfen, mit der engen Bündelung seines eigenen MediaPlayers an das Windows- Betriebssystem seine Marktmacht rechtswidrig gegen Konkurrenzprodukte wie den RealPlayer ausgespielt zu haben. "Heute schließen wir ein Kapitel und schlagen ein neues auf in unserer Beziehung zu Microsoft", sagte Glaser, Gründer und Chef von RealNetworks beim Handschlag mit Microsoft-Gründer Bill Gates in Seattle (US-Bundesstaat Washington).
RealNetworks zieht sich aus Verfahren zurück
Im Zuge der Einigung wird RealNetworks den Streit vor dem Federal Court in San Jose beilegen und sich auch aus den Kartellverfahren gegen Microsoft bei der EU-Kommission und in Korea zurückziehen. Von dem weltgrößten Softwarekonzern erhält der Multimedia-Spezialist insgesamt 460 Millionen Dollar in bar sowie Service-Leistungen zur Unterstützung seines Online-Musik-Services Rhapsody im Wert von 301 Millionen Dollar.
In seinem Online-Dienst MSN will Microsoft künftig für Reals Musik- und Spiele-Service werben und dem einstigen Rivalen damit Zugang zu deutlich mehr Kunden bieten. Digitale Spiele des neuen Partners sollen auf den Spiele-Websites von Microsofts Xbox-Konsole angeboten werden. Darüber hinaus wollen beide Unternehmen auch bei der Entwicklung neuer Technologien und Angebote zusammenarbeiten. Und im neuen Betriebssystem Vista, dem Nachfolger von Windows XP, sollen Nutzer künftig direkt auf die Download-Seiten von Real geleitet werden, wenn sie eine für den RealPlayer entwickelte Mediendatei öffnen wollen, die Abspielsoftware aber noch nicht installiert haben.
Kostspielige Ruhe an der Front
Die Ruhe an der Gerichtsfront hat sich Microsoft in den vergangenen rund zwei Jahren mit der jüngsten Einigung insgesamt etwa fünf Milliarden Dollar kosten lassen. Neben Vergleichen in Höhe von 750 und 775 Millionen Dollar mit AOL Time Warner und dem IT-Konzern IBM zahlte Microsoft zuletzt an seinen Konkurrenten Sun Microsystems 1,95 Milliarden Dollar.
Microsoft will sich den Rücken freihalten
Doch trotz der immensen Vergleichs-Zahlungen hielt der Softwarekonzern weiter an seiner "Friedenspolitik" fest. Auch mit der jüngsten Einigung will sich der Softwarekonzern für neue Aufgaben letztlich den Rücken frei halten. "Es ist eines der guten Geschäfte für beide Unternehmen", sagte Michael Gartenberg, Analyst beim Marktforschungsinstitut JupiterResearch dem Branchen-Report "c'net". "Microsoft befreit sich damit, um sich auf die Konkurrenten des 21. Jahrhunderts wie Google oder Apple Computer zu konzentrieren."
Ausgerechnet Apple hatte sich Real-Chef Glaser dabei noch vor rund anderthalb Jahren als favorisierten Partner gewünscht. Im April 2004 bot Glaser dem Apple-Chef Steve Jobs in einer E-Mail für das Online-Musikgeschäft eine taktische Allianz gegen den Softwaregiganten aus Redmond an. Andernfalls, so drohte er gleich, könne er gezwungen sein, einen Pakt mit Microsoft einzugehen. Jobs, Chef des mit großem Abstand weltweiten Marktführers für Online-Musik, soll auf die elektronische Anfrage nicht einmal reagiert haben.
Wessen Feind ist wessen Freund?
Für die jetzige Einigung mit Microsoft, sagte Glaser in einem Interview, hätten die Unternehmen vor rund einem Jahr ihre Gespräche aufgenommen. "Wenn es die Frage ist, ob es ein Beispiel von 'Der Feind meines Feindes ist mein Freund' war, würde ich nein sagen." Die Motivation zu diesem Schritt sei doch vielschichtiger gewesen. RealNetworks bietet seit Mitte der 90er Jahre Software für die Wiedergabe von Audio und Videodateien im Internet an. Die Umsätze gingen allerdings kontinuierlich zurück, nachdem Microsoft mit eigener Multimedia-Software auf den Markt kam.
Die EU-Kommission teilte unterdessen mit, die Einigung habe keinen Einfluss auf den Brüsseler Microsoft-Wettbewerbsfall. "Wir müssen sicherstellen, dass Microsoft sich vollständig an die Kommissionsentscheidung vom März 2004 hält", sagte der Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Die Kommission hatte damals Microsoft zur Öffnung des Betriebssystems Windows in bestimmten Bereichen aufgefordert, um für mehr Wettbewerb im Softwaremarkt zu sorgen.