SCHEIBE Dick im Geschäft

Scheibe steht dazu: Er leidet unter der PC-Nerd-Krankheit Nummer eins: ein paar Kilo Übergewicht. Und wird dafür bestraft. Sie auch?

Ich nehme keine Drogen, rauche nicht mehr, saufe nicht über Gebühr und stelle keinen kleinen Mädchen nach. Trotzdem habe ich die Kardinalssünde Nummer eins begangen - ich habe ein paar Kilo Übergewicht, die Krankheit so vieler PC-Nerds. Doch für den Cola-Speck werde ich hart bestraft. Geht es Ihnen auch so?

Damals waren wir immer in Bewegung

Früher, wie in einem anderen Leben, habe ich Biologie studiert. Im Labor standen wir die ganze Zeit nur und hatten keine Zeit zum Hinsetzen. Dann rannten wir auch noch ständig zwischen dem Luftabzug, der Clean Bench, dem Radioaktiv-Raum, dem Kühlraum und dem kochend heißen Brutraum hin und her. Zwischendurch wurden wir auch noch von der TA (Technischen Angestellten) Kathi verfolgt und von ihr durchs ganze Gebäude gehetzt, nur weil wir ihr beim Pipetieren wieder Eis hinten in den Pullover gestopft hatten. Auch das üppige Mensa-Essen war kein Problem. Allein der lange Spaziergang durch die Villengegend von Berlin-Dahlem hin zur Mensa und wieder zurück zum Bio-Gebäude strampelte alle aufgenommenen Kalorien gleich wieder ab. Außerdem pafften wir uns in den Zentrifugenpausen die Lungen wund. Das hält dünn.

Meine Hände verbrauchen mehr Energie als der Rest der Körpers

Als vor etwa zehn Jahren konvertierter Computer-Nerd ist das ganz anders. Von morgens bis nachts sitze ich festgeklebt auf meinem Schreibtischstuhl und bewege nur noch die Augen und die Hände. Sicherlich wird in meinen Fingern, die im Stakkato über die Tasten huschen, mehr Adenosintriphosphat (die Energiewährung der Zelle, wie jeder Bioschüler weiß) verbrannt als im ganzen restlichen Körper zusammen. Aber es reicht eben nicht aus, ab und zu einmal zum Briefkasten zu gehen. Also setzt man an. Weil man die Bewegung abgesetzt hat. Da hilft auch der GyroTwister nichts, diese Wunderkugel, die ich als Werbegeschenk zu Weihnachten bekommen habe. Die mobile Kugelhantel entwickelt durch Rotation ein paar Kilo Gewicht. Doch das Gerät trainiert nur die Hände und nicht den Bauch. Und wie gesagt, die Hände sind eh gestählt. Ich könnte jederzeit Popeye in einem Film doubeln - an den Unterarmen sind durch das jahrelange Tippen genug Muckies vorhanden.

Die ständige Computerarbeit, mit dem Rauchen aufgehört und dann auch noch viel Cola und Red Bull gegen das Müdesein nach den immer wieder notwendigen Nachtschichten - das ist nicht gut für das Gewicht. Also schleppe ich ein paar Kilo zu viel mit mir herum. Nicht genug, um richtig dick zu werden, aber genug, um nicht länger als gestählter Football-Quarterback durchzugehen. Das ist eigentlich kein großes Thema, sondern eher ein Ärgernis, über das man ab und zu nachdenkt. Eher in dem Sinne: Wenn mal wieder Zeit ist, sollte man mehr Diätcola trinken, irgendeinen coolen Sport suchen und sich gesünder ernähren. Also keine Burger und Pizza mehr, sondern nur noch geschmackloses Gemüsezeug. Doch dann kommt der neue Abgabetermin, das Konto ist leer und man nimmt wieder mehr Aufträge an, als gesund ist.

Das große Problem ist die Umwelt. Und hier sammeln sicherlich viele Computer-Dickerchen die gleichen unschönen Erfahrungen: Auf einmal ist man der Mittelpunkt der Welt. In den Lästereien und Hänseleien seiner Umwelt.

»Boahh, hast Du zugenommen«

»Machst du eigentlich Sport?«, heißt es da spontan auf jeder Party. Andere geben ungefragt ihre Tipps zum Besten: »Du musst dich mehr bewegen.« Die Frauen halten sich eigentlich immer artig zurück und sind sehr lieb zu allen, die ein Problem mit dem »Powercenter« auf den Rippen haben. Die Männer wittern aber sofort ihre Chance, die Konkurrenz runterzudrücken. Verhasst sind mir vor allem die Leute, die einem gleich prüfend an den Bauch fassen und dann laustark durch den Raum brüllen: »Boahhh, hast du zugenommen?« Das sind dann die Kollegen, die sonst auch nicht eben dünn sind, aber einmal im Jahr eine völlig extreme Abmagerungskur machen. Und bis sie selbst wieder einen dicken Bauch haben, nutzen sie ihre Gelegenheit als Dünner, um ihre ehemaligen Leidensgenossen richtig rund zu machen.

Wie sich wohl wirklich Dicke fühlen...

Eigentlich ist es lächerlich, sich von diesen Attacken gestört zu fühlen. Es ist ja nur dummes Gelaber. Aber da es immer wieder auftritt und ich oft überlegen muss, wie sich dann wohl ein richtig Dicker mit mangelndem Selbstvertrauen fühlt, finde ich es schwer fehl am Platz.

Ich lästere ja auch nicht über die Bekannten, die auf jeder Party zu viel trinken, nur peinliche Sprüche machen, eine Glatze haben oder immer nach Schweiß riechen. Komisch, dass Scherze darüber tabu sind, während sich an den Dicken jeder frei »bedienen« kann.

Thema erledigt

Komisch ist auch immer wieder, dass sich so viele Leute vom gängigen Schönheitsideal gängeln lassen und sich jeder leckeren Mahlzeit verweigern, nur um ja nicht runder zu werden. Damit ist das Thema für mich auch erst einmal wieder erledigt. Ich habe noch einen Artikel zu schreiben und nehme deswegen gleich wieder auf dem Schreibtischstuhl Platz. All ihr leicht übergewichtigen PC-Freaks da draußen - ihr seid nicht alleine.

Carsten Scheibe

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