Das Jahr ist um. Genug geackert, der Urlaub steht vor der Tür. Aber kann jemand aus der IT-Branche wirklich mit ruhigem Gewissen Urlaub machen? Neh. Dieses Mal ziehe ich zum ersten Mal mit dem Notebook unter Arm an den Strand. Doch ist es wirklich so einfach, von Mallorca aus Dateien nach Deutschland zu senden? Es folgt ein Protokoll der bemühten Dilettanten...
Endlich den Aus-Knopf im Kopf drücken
In jedem Jahr der letzten Dekade war es so. Meistens habe ich noch bis morgens um vier am Rechner gesessen, obwohl die Familie um fünf bereits wieder aufstehen musste, um den Flieger in den Süden zu erwischen. So vieles war noch zu tun. Letzte Artikel mussten fertiggekloppt, letzte Mails geschrieben werden. Am Ende nutzte ich die finale Stunde, um die übrig gebliebenen Arbeiten unter meinen Kollegen zu verteilen. Dann saß ich irgendwann völlig ermattet im Flieger und konnte für zwei Wochen endlich den Power-off-Knopf im Schädel drücken. Wie schön.
Arbeit behält man lieber selbst
In diesem Jahr ist das leider nicht mehr drin. Die IT-Branche wurde ganz schön auf den Kopf gestellt. Erst brachen die Startups im Börsenfieber zusammen, dann krachte den Magazinen der Anzeigenmarkt um die Ohren. Massenentlassungen, Megapleiten - und fast alle meine selbstständigen Freunde sind Konkurs gegangen. In solchen Zeiten freut man sich, wenn Arbeit auf dem Tisch liegt. Und in solchen Zeiten verteilt man die Arbeit auch nicht mehr freigiebig unter den Kollegen, da das Portemonnaie selbst zu tiefe Löcher aufweist, als das man sich das leisten könnte.
Ich klickte alle Kauf-mich-Knöpfe
Kurzum: In diesem Jahr habe ich beschlossen, erstmals Arbeit mit in den Urlaub zu nehmen. Lange habe ich die Entscheidung aufgeschoben und überlegt, unter welchen Umständen es vielleicht doch noch klappen könnte mit der rechtzeitigen Abgabe aller Arbeiten. Doch nichts gelang so richtig, und am Ende wurde die Zeit knapp. Ein Notebook musste her. Als alter Online-Shopper schaute ich sofort in den Online-Instanzen von Dell und Media Markt vorbei. Super Angebote, allein - Lieferfristen von bis zu zwei Wochen. Da würde der Notebook bei mir erst am Ende des Urlaubes eintreffen. Ich wollte schon aufgeben, da erwischte ich einen Sony VAIO bei Promarkt. Solide Ausstattung, guter Preis. Vor allem: Lieferzeit: zwei Werktage. Ich schlug zu und klickte alle Kauf-mich-Knöpfe, die ich finden konnte.
Anscheinend ging denen bei Promarkt angesichts der teuren Bestellung die Muffe. Ein Tag später rief jemand an und bat darum, eine Kopie meines Persos und der Kreditkarte gefaxt zu bekommen. Kein Thema. Am zweiten Werktag war der Notebook tatsächlich da - perfekter Service. Ach, wie sind die Notebooks niedlich, klein und leicht geworden. Mein letzter Schleppable war sieben Jahre alt und hatte noch Windows 3.1 drauf. Wie sich doch die Geräte verändern. Ein Minirechner mit super Bildschirm, Modem, DVD-Player, CD-Brenner - warum brauche ich eigentlich noch einen richtigen Computer?
Herr Franz kümmert sich um das elektronische Baby
Ich hab aber keine Zeit für nix, muss Texte tippen. Herr Franz richtet mein elektronisches Baby für mich ein und installiert in endlosen Stunden Word, Paint Shop Pro, PowerDVD, den Palm Emulator, ACDSee, WinAmp, den Nero-Brenner, SenseConnect und all den anderen Kram, den ich zum Arbeiten brauche. Die Internet-Verbindung macht ihm Probleme. CompuServe lässt sich irgendwie nicht unter XP starten. Mit SenseConnect lässt sich aber immerhin eine Verbindung zu einem Call-by-Call-Anbieter aufbauen. Ich bestelle bei Amazon.de noch rasch eine Notebook-Tasche, lege CD-Rohlinge zum Brennen bereit und notiere bereits die Adressen und Telefonnummern der wichtigsten Ansprechpartner, die ich im Urlaub brauche. Alles ganz easy, oder?
Wo steckt das Modem im Handy?
Wir denken - zwei Tage vor der Reise - intensiver über die Problematik nach. Ich tippe also auf Mallorca meine Texte in den Notebook und mache meine Screenshots. Alles kein Thema, obwohl es sicherlich ungewohnt ist, auf der kleinen Tastatur zu schreiben. Wie kommen die Texte aber nach Deutschland? Ich rufe meinen Kumpel Carsten an: »Das Handy musst du nehmen, dann bist du unabhängig.« Wir schließen also probeweise das Handy via Kabel an den Notebook an und installieren die nötigen Treiber von einer Nokia-CD. Alles klappt, wir können Klingeltöne und Bilder zwischen Handy und dem Notebook hin und her schieben. Wir können aber aus dem Notebook heraus über das Handy keine Verbindung zum Internet aufbauen. Kumpel Dieter weiß Rat: »Ihr dürft keine Call-by-Call-Anbieter anwählen. Keine 0800-Nummern über das Handy. Fragt bei eurem Provider nach der richtigen Nummer«. Machen wir, geht aber auch nicht. Irgendwie findet der Notebook zwar das Handy, aber kein Modem. Wir verstehen nur Bahnhof. Die Nokia-Anleitung zum Thema kann man in der Pfeife rauchen.
Egal. Wir schließen einfach den Notebook über das interne Modem an die Telefonanlage des Hotels an und - ssst - gehen die Daten über die Leitung. Auch hier hat Dieter einen Bremser parat: »Deutsche Call-by-Call-Nummern kannste vergessen. Du brauchst eine spanische Nummer«. Die besorgen wir uns, überlegen dann aber, wie da wohl abgerechnet wird. Geht das überhaupt? Ich surfe durchs Netz, anstatt die letzten Texte zu schreiben, und stolpere über einen Text von Jörg Schieb beim WDR. Der alte PC-Meister empfiehlt, einen europaweit tätigen Provider wie AOL oder T-Online zu verwenden, der entsprechende Einwahlnummern fürs Ausland bereithält. Zu dumm: Da muss man den Auslands-Login noch von Deutschland aus anmelden. Außerdem bin ich da eh nicht Mitglied. Dieter ruft noch mal an und fragt, ob ich denn überhaupt einen Telefonbuchsenadapter für Spanien hätte. Hab ich nicht. Er aber. Liegt nur dummerweise in Hamburg und nicht in Berlin. Inzwischen ist aber längst Donnerstag, und am Samstag früh fliege ich bereits. Kein Problem für uns alte Online-Hasen. Im Nu haben wir bei Misco ein Adapter-Set für ganz Europa ausgemacht und wollen es sicherheitshalber per Telefon bestellen, weil das Paket unbedingt am Freitag da sein muss. Im Hörer ist aber nur ein Endlosband zu hören: Feiertag in Bayern. Der legt anscheinend alle Online-Shops auf Eis, denn auch bei der Konkurrenz kann uns niemand beraten. Verzweifelt versucht es Frau Junge ganz persönlich im Media Markt um die Ecke. Die haben die Adapter mangels Nachfrage aber gerade aus dem Sortiment genommen. Dieter empfiehlt, die Telefonbüchse im Hotel mit dem Schraubenzieher zu zerlegen und die Kabel manuell mit den Fingern zu verbinden: »Brauchst nur zwei Kabel dazu, der Rest ist eh Firlefanz«.
Gesucht: Hotelboy mit PC-Kenntnissen
Plan C, nur zur Sicherheit. Ich rufe bei DHL an und frage nach, ob die auch Kurier-Sendungen auf Mallorca abholen und nach Deutschland bringen. Klaro. Ob ich denn eine Kundenummer habe. Habe ich. Nur leider ist das eine nationale. Hätte ich eine internationale Kundennummer, so hätte DHL einfach eine Rechnung gestellt. So muss ich die Sendung vor Ort bezahlen. Ich sehe mich schon, wie ich auf Mallorca bei der DHL-Filiale anrufe, da jemand erwische, der nur spanisch spricht, um dann den ganzen Tag an der Rezeption auf den Fahrer zu warten, während meine Familie lustig am Pool plantscht. Ich entscheide, dass ich vor Ort irgendeinen Hotelboy mit PC-Kenntnissen suche, dem 50 Euro in die Hand drücke und ihn dazu zwinge, meine Dateien auf seinem Rechner nach Deutschland zu mailen. Warum muss das auch alles immer so kompliziert sein? Und warum mache ich immer alles auf dem letzten Drücker?
Carsten Scheibe