Scheibes Kolumne Mäuse auf dem Tisch

stern.de-Kolumnist Scheibe ist für zwei Tage aus dem Büro. Grund genug für seine drei zurückgelassenen Mitarbeiter, die Party-Pizza zu bestellen. Wie das Sprichwort sagt: Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Wenn nur nicht die frauenfeindlichen Computer wären.

Es gibt Dinge im Leben eines Mitarbeiters, die zaubern ein strahlendes Lächeln auf sein Gesicht. Bei mir passiert das, wenn mein Chef, Carsten Scheibe, für ein paar Tage seinen Keller verlässt und sich in die große weite Welt begibt. Er übergibt uns Zurückgelassenen Schlüssel und Verantwortung, und wir hören meistens nur noch per E-Mail von ihm. Das heißt dann eigentlich für mich und meine zwei Kolleginnen: viel Spaß, figurfeindliche Cola und Pizza und echte, da nicht mitgehörte "Frauengespräche". Die Arbeit wird nebenbei erledigt.

Genau dieses Bild hatte ich im Kopf, als mein Chef ankündigte, für zwei Tage unterwegs zu sein. In Gedanken sah ich mich schon Pizza, Eis und Cola konsumieren und Tränen lachen. Mit strahlender Laune erreichte ich an diesem Morgen das Büro. Dort der erste Dämpfer: Meine Schreibtisch lief über vor Arbeit, und meine Mailbox sah auch nicht besser aus. Na gut, dann eben ein Pizzastück weniger und ein bisschen mehr Arbeit. Wenn alles gut lief, sollte ich nach ein paar Stunden konzentrierten Arbeitens fertig sein. Dafür brauche ich aber vernünftige Musik, also erst mal meinen Lieblingsradiosender über das Internet angemacht. Schon tauchte das erste Problem auf: Mein Browser öffnete sich nicht. Ich klickte - nichts passierte. Klickte nochmals - wieder nichts. Mangels besserer Ideen fing ich an, wie ein Maschinengewehr zu klicken: klick, klick, klick, klick. Immer noch nichts. Langsam panisch werdend, fiel mir nur noch der "Affengriff" ein: Str-Alt-Entf. Task-Manager auf, nichts. Ach Mann, ich hatte jetzt schon keine Lust mehr. Blödes Ding. Dann halt neu starten. Das funktionierte.

Eine Flut von Flüchen

Nach ein paar Minuten störungsfreien Arbeitens kam ein leiser Hilfeschrei vom Schreibtisch hinter mir. Meine Kollegin Jeanine hatte offensichtlich auch Computerprobleme. Ihr Word funktionierte nicht mehr. Also gemeinsam herumgeklickt, gedrückt, geflucht, neugestartet. Nach einer Weile funktionierte es plötzlich wieder. Genauso blödes Ding wie mein Computer. Ich war reif für meine erste Cola des Tages. Mich betrinkend, sprang ich schnell zurück an meinen Computer. Der hatte sich mangels Beschäftigung aus dem Reich der Lebenden verabschiedet und aufgehängt. Noch einmal neustarten. Der Zucker aus der Cola reichte nicht mehr, ich brauchte was Stärkeres, um das hier zu überstehen. Stand da nicht noch Schokolade auf Carstens Schreibtisch? Jeanine und ich teilten die Schokolade schwesterlich, denn ihr Computer hatte einen neuen Weg entdeckt, uns zum Verzweifeln zu bringen: Der Bildschirm wurde für einige Minuten völlig schwarz und ließ sich erst durch das Spielen von Beethovens Neunter auf seiner Tastatur wieder zum Leben erwecken. Es wurde Zeit für die zweite Cola des Tages.

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Zurück an meinem Computer, hatte der sich überlegt, zur Abwechslung ständig Fenster und Programme zu öffnen, die ich gar nicht angeklickt hatte. Nach einem zehnminütigen Kampf fing ich leise an zu weinen. Wie kann eine Maschine nur so grausam sein? Ich brauchte die nächste Cola. Nach dem Trinken der dritten setze mein Verstand langsam aus und der Irrsinn ein. Typischer Fall von Zuckerschock. Als mein Computer mit einem Schlag die Arbeit einer Stunde löschte, fing ich statt zu weinen zu singen an: "Santa is coming to town". Am Ende dieses Arbeitstages lag immer noch ein Riesenberg Arbeit auf meinem Schreibtisch, hatte ich zwei Liter Cola, eine Packung Schokolade und eine Pizza verdrückt, und tanzte und sang zur Freude meiner Kolleginnen meine eigene Interpretation von "Cats". Manchmal ist es doch für die Mäuse gut, wenn die Katze da ist.

Eine Glosse von Antonia Stahl, Typemania

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