Scheibes Kolumne Verflixte Technik

Stern.de-Kolumnist Carsten Scheibe wird vor Schreck weiß wie eine Kalkwand: Der Computer ist einfach nicht mehr cool. Niemand will mehr etwas von der früheren Kultkiste wissen. Verzweifelt versucht Scheibe, die PC-Technik neu im Alltag zu etablieren.

Ach, das waren noch Zeiten. Damals, als wie am Yukon nach Gold geschürft haben - bei minus 70 Grad und mit nix zum Beißen in der Tasche. Tschuldigung, das waren ja unsere Ahnen. Bei uns Mittdreißigern klingt das Wehklagen ein wenig anders. Etwa so: Ach damals, das waren noch Zeiten. Als wir mit unserem neuen 286er angeben und mit Megahertz-Zahlen protzen konnten. Als der Kumpel auf Knien darum bat, sich doch bitte, bitte, bitte ein Update vom neuen "Word für DOS" auf Diskette ziehen zu dürfen. Als die Komplettlösung von "Leisure Suite Larry 1" noch für eine Flasche Whiskey gehandelt wurde - unter Freunden.

Nix mehr übrig vom Ruhm

Heute ist vom Ruhm des Computers nix mehr übrig geblieben. Die Freunde sind froh, wenn sie irgendeine uralte "Word"-Version auf CD geklaut im Schrank zu stehen haben: "Ob ich nun Word 2000 oder Word 2003 nicht nutze, ist doch wurscht". Ansonsten ist es ihnen herzlichst egal, ob mein Computer mehr Megahertz-Umdrehungen hat als ihrer.

Hauptsache, sie haben überhaupt einen Computer. Braucht man ja manchmal. Ansonsten ist das klobige Teil einfach nicht mehr der Rede wert. Der Kult von früher ist verblasst. Nicht einmal mehr auf langweiligen Parties rotten sich die Männer beim Bier zusammen, um über Computer zu fachsimpeln. Innovationen gibt es auch keine mehr. Ich fürchte um meinen Job, schließlich lebe ich doch davon, Computer-Workshops zu schreiben und neue Trends zu finden. Meine Frau weiß Rat: "Schreib doch mal über was anderes, etwa über Gartengestaltung, Mode oder Kinder." Toller Rat. Ich beschließe, mein Schicksal nicht länger zu beweinen und gehe stattdessen zum Angriff über. Mein hehres Ziel: Mit lauter guten Ideen werde ich daran arbeiten, dem Computer wieder zu mehr Bedeutung im Alltag zu verhelfen.

Der Computer-Fernseher

"Was ist denn das?", stöhnt meine Frau aus dem Wohnzimmer. Ich schaue aus der Küche hinüber und grinse. "Das ist ein Computer", kläre ich sie auf. Den alten Fernseher habe ich schon vor Stunden zur Mülldeponie gebracht. Stattdessen steht in unserer Schrankwand nun mein 22-Zoll-Flachbildschirm. Den Computer habe ich direkt daneben gestellt. Über die TV-Karte ist der Computer mit der Kabelbuchse verbunden. Ich setze mich an den Wohnzimmertisch und greife nach der Funkmaus, die auf einer Mausmatte liegt. "Hier. Kabellos. Wie eine Fernbedienung", kläre ich meine Frau auf. Ich zeige ihr und den Kindern, auf welches Icon man doppelklicken muss, um das Fernsehprogramm zu starten - am besten gleich im Vollbildmodus. Während sich meine Kinder drüber freuen, dass ich im Kinderkanal hängen geblieben bin, sucht meine Frau nach dem Videorekorder. Der ist natürlich auch schon weg. Ab sofort nehmen wir die Filme direkt auf der Festplatte auf. Nur Premiere kriege ich nicht in den Rechner hinein. Aber das wollten wir aus Kostengründen eh abbestellen. Linus ist der 22-Zoll-Monitor zu klein. Ob es den nicht auch in größer gibt? Tage später mosert meine Frau, dass es sie tierisch nervt, dass sie sich immer mit Passwort anmelden muss, um den Rechner einzuschalten und fern zusehen. Sie hat nämlich keine Lust, auch noch die Tastatur auf dem Wohnzimmertisch zu dulden. Kein Problem: Ich schalte die Passwortabfrage aus. Grinsend verheimliche ich ihr, dass der Computer einen eingebauten Rosamunde-Pilcher-Filter hat.

Ich verweigere mich der Anschaffung eines Navigationssystems fürs Auto und lege mir stattdessen einen PDA mit Navigations-Software und GPS-Modul vor. Das ist zwar teurer als ein Navigationssystem. Aber meine Aufgabe ist es ja, den Computer wieder mehr ins Zentrum des alltäglichen Lebens zu rücken. Und wenn es eben nur ein ganz kleiner Computer ist.

Bei der nächsten Fahrt von Falkensee nach Berlin schließe ich den PDA an das GPS-Modul an und gebe die Route vor. Prompt zeigt mir das Gerät einen Ausschnitt der Landkarte an und erklärt, wie ich zu fahren habe. Wir fahren los - mit geschlossenem Schiebedach. Ansonsten scheint die Sonne nämlich genau auf das Display des auf dem Armaturenbrett befestigten PDAs - und ich kann nicht mehr erkennen, wie ich fahren soll.

Die neue Umgehungsstraße kennt das Programm noch nicht. Es fordert einen anderen Weg durch zahllose kleine Straßen. Meine Frau nörgelt. Sie kenne doch den Weg eh aus dem Kopf und sei keinesfalls gewillt, einen Umweg zu fahren, nur weil die blöde Kiste eine bereits seit drei Jahren existierende Straße nicht kennt. Ich bettele, jammere und drohe. Mit Erfolg. Wir folgen dem PDA - und landen am Ende mitten in der Schweinesuhle eines verlassenen Bauernhofs. Die Räder fressen sich fest, wir verpassen unseren Termin. Kurzum: Der PDA wird kurzerhand von weiblicher Seite aus dem Auto verbannt. Dieses Experiment ist wohl grandios gescheitert.

Ich verwende den PDA anschließend, um mit den Kindern eine GPS-Hatz mitzumachen. Dabei muss man versuchen, vorgegebene Längen- und Breitengrad-Koordinaten mit der Hilfe des GPS-Moduls aufzuspüren, um so einen vergrabenen Schatz zu finden. Die Kinder sind allerdings "not amused", als sie nach Stunden der Querfeldein-Wanderei feststellen müssen, dass sich der gefundene Schatz weder in die Sparbüchse stecken noch auffressen lässt. In einer versteckten Plastikbüchse liegt nur doofer Krimskrams.

Ich gebe auf

Was soll ich jetzt noch machen? Die Urlaubsfotos brenne ich schon seit Monaten auf eine Video-CD, das ist kein Brüller mehr. Die Kinder haben auch alle Computerspiele durchgespielt. Soll ich den Rechner zum MP3-Server umbauen, der dann Lautsprecher in allen Etagen des Hauses anfunkt?

Ach, ich geb’s auf, meine Mühen werden ja doch nicht honoriert. Was sagte meine Frau noch? Ich soll in Zukunft lieber über die Gartengestaltung schreiben? Einen Gedanken wäre es doch wert. Vielleicht kommt schon morgen mein erster Artikel zum neuen Thema; mit dem grünen Daumen getippt: "Stiefmütterchen richtig umtopfen: Ein Workshop in zehn Schritten." Hört sich eigentlich ganz gut an… Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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