Früher, zu Studentenzeiten, haben wir uns fast täglich in den Videotheken Berlins herumgedrückt. Da gab es eine, weit oben im Wedding. Die hatte rund um die Uhr offen, bot die Ausstellungsfläche eines halben Fußballfeldes und stellte von allen neuen Hits mindestens 20 Kopien in die Regale. Spät am Abend haben wir uns dann meistens vier, fünf Filme von Schauspielern wie Stallone, Schwarzenegger, Dudikoff, Seagal oder Van Damme ausgeborgt, um sie dann an einem Stück zu schauen - mit einem Kasten Bier und einer Stange Kippen bis in den Morgen hinein. Dann musste einer von uns die Filme zurückbringen, das kostete dann nur vier Mark pro Film.
Erster Kontakt mit der Automatenvideothek
Seitdem war ich lange nicht mehr in einer Videothek. Viele Filme kriege ich so zum Testen zugeschickt, andere kaufe ich online bei Amazon, das ist am einfachsten. Raubkopien lehne ich ab, ich möchte beim Filmeschauen nicht auf meinen Rumklang und auf mein gestochen scharfes Bild verzichten. Außerdem kommt ja noch die moralische Komponente mit dazu. Auch die Online-Videotheken habe ich noch nicht ausprobiert, das ist mir zu kompliziert mit dem Filme eintüten und mit der Post versenden.
Bei einem Termin für meine lokale Anzeigenzeitung in Falkensee lernte ich jüngst eine Automatenvideothek kennen - und war völlig fasziniert von diesen Möglichkeiten. Um da mitzumachen, brauche ich eine Plastikkarte, auf die ich ein Guthaben in Euro transferiere. Anschließend kann ich rund um die Uhr mit dieser Karte die Tür zur ansonsten hermetisch abgeriegelten und menschenleeren Videothek öffnen, also auch morgens um drei oder am Samstagabend, wenn sonst schon alles zu hat. An einem Terminal mit Bildschirm lasse ich mich beraten. Ich kann hier im gesamten Fundus wühlen, mir die DVD-Favoriten zeigen lassen oder gezielt nach Genres, Schauspielern, Regisseuren oder auch nach Neuheiten suchen. Rufe ich einen Film auf, gibt es das Cover zu sehen, eine Inhaltsangabe zu lesen und oft genug auch einen Trailer zu sehen.
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Mein dreckiger Schreibtisch
Müssen eigentlich alle Kreativen kleine Dreckferkel sein, was die Ordnung auf ihrem Schreibtisch anbelangt? Fast scheint es so! Carsten Scheibe sammelt die "schlimmsten" Tatsachenfotos aus der ganzen Welt. Staunen, Erschrecken, Mitmachen: DreckigerSchreibtisch.de
Zum Glück gibt's Trailer
Wie oft borgt man sich doch einen Film aus, ohne zu wissen, ob er gut zu sein verspricht oder nicht. Jetzt kann ich mir endlich einen Trailer anschauen und weiß dann schon eher, ob das etwas für mich ist oder nicht. Ein Tastendruck reicht dann auch schon aus, um den Film anzufordern. Er wird dann in einer dünnen Plastikschale aus einem Automaten ausgespuckt. Mensch, was diese Anonymität der Selbstbedienung alleine für den Sexmarkt bedeutet. Pornos ausborgen, ohne dass der zufällig anwesende Nachbar oder der Videothekenbetreiber alles über die eigenen sexuellen Präferenzen erfährt. Bringt man den Film dann innerhalb weniger Stunden wieder zurück, sind die Kosten minimal.
Noch besser: Passend zur Videothek gibt es eine Internet-Seite, auf der ich erfahre, welche Filme zurzeit in der Videothek gerade verfügbar sind. So fahre ich nicht umsonst den Weg zur Automatenvideothek. Anderer Gedanke: Ich kann einzelne Filme online auch reservieren, sodass keine Gefahr besteht, dass sie mir in letzter Sekunde doch noch jemand wegschnappt.
Ich dachte eigentlich, es wäre schon alles erfunden. Dieses Geschäftsmodell mit Internet-Anbindung hat mich dann aber doch überrascht.
Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania