Chaos seit der Übernahme "Elon hat Tesla im Stich gelassen": Musks Umgang mit Twitter zerstört sein Image als Business-Genie

Sucht jemanden, der in der Lage ist, "Twitter tatsächlich am Leben zu halten": Multimilliardär Elon Musk
Elons Musks Bild vom Visionär bröckelt
© Patrick Pleul / DPA
Seit Elon Musk die Führung bei Twitter übernommen hat, geht es beim Kurznachrichtendienst drunter und drüber. Ein neuer Bericht zeigt nun, wie wild es hinter den Kulissen wirklich zugeht. Das wirkt sich auch auf Musks andere Firmen aus.

Es war ein Ruf, wie ihn wenige Geschäftsleute auf der Welt haben. Wenn Elon Musk sich zu Themen wie künstlicher Intelligenz, Nachhaltigkeit oder dem Weg der Menschheit ins All äußerte, war ihm die Aufmerksamkeit sicher. Alles, was der Multimilliardär anfasste, schien zum Erfolg zu werden. Doch seit der Twitter-Übernahme bröckelt das Image gewaltig. Und inzwischen sind die Auswirkungen auch bei Musks anderen Unternehmen zu spüren.

Dass Musk ein extremer Mensch ist, weiß man seit Jahren. Er denkt schnell und groß, ist bereit dafür auch seine eigenen Grenzen auszutesten. Immer wieder machte er Schlagzeilen. Zum Beispiel, weil er in einer seiner Fabriken schlief – und das auch von seinen Angestellten erwartete. Und: Lange Zeit konnte er Kritik an seinem teils skurrilen Verhalten mit seinen Erfolgen kontern. SpaceX oder Tesla schafften es wirklich, ihre jeweilige Branche deutlich nach vorne zu bringen. Seit der Twitter-Übernahme fragen sich nun viele Beobachter: Lag das wirklich an Musk?

Führung mit dem Vorschlaghammer

Ein Anlass dafür sind die zahlreichen Berichte über Musks Verhalten bei Twitter. Über den Kurznachrichtendienst hatte der neue Chef schon seit Jahren gerne seine Gedanken geteilt, von konkreten Ideen bis zu offensichtlichen Trollversuchen. Glaubt man den Insider-Berichten, scheint er sich hinter den Kulissen seines 44-Milliarden-Dollar-Einkaufs aber kein Stück besser aufzuführen.

Das zeigt etwa ein ausführlicher Bericht der "Washington Post". Musk hat sich demnach mit seinem Team im zehnten Stockwerk des Twitter-Hauptquartiers eingerichtet, empfängt nur ausgewählte Besucher. Nach teils stundenlangem Warten werden Gäste angewiesen, nur mit ihm zu sprechen, wenn er sie anspricht. Und so sollen ihm manche nur beim Anschauen von Youtube-Videos zugesehen haben. 

Die von der Zeitung zitierten Angestellten geben sich entsprechend frustriert. Musk verstehe das Geschäft des Kurznachrichtendienstes schlicht nicht, klagen demnach mehrere. "Er sieht nie das große Bild", klagt einer. Stattdessen verstehe Musk das Soziale Netzwerk nur als Programmier-Herausforderung, verbringe den größten Teil seiner Arbeit dort mit kleinteiligen Änderungen an der Bedienung oder dem Versuch, die Seiten schneller zu laden.

Öffentliche Schlammschlacht

Die Wirkung nach Außen scheint er nicht wahrnehmen zu wollen – auch nicht, wenn sie rechtliche Folgen haben könnte. Nachdem Musk im Namen der Meinungsfreiheit quasi die gesamte Moderation bei Twitter entlassen hatten, warnten verschiedene Staaten und Organisationen wie die EU, dass dadurch rechtliche Verpflichtungen nicht umgesetzt werden könnten. Als ein Manager Musk auf Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber der US-Handelskommission hinwies, wurde ihm nur gesagt, er solle sich keine Sorgen machen. Minuten nach dem Meeting sei dann per E-Mail um Details zu den Vereinbarungen zwischen FTC und Twitter gebeten worden, berichtete er der "Post".

Das größte Problem sei, dass Musk sich als Teil eines Kulturkampfes bei Twitter sehe, sind sich mehrere Angestellte einig. Musk gibt sich als Verfechter einer radikalen Meinungsfreiheit, empfindet selbst Warnungen vor Falschmeldungen als unberechtigte Einschränkung. Entsprechend stürzte er sich in den letzten Wochen in die sogenannten "Twitter-Files", die eine vermeintliche Verschwörung der ehemaligen Twitter-Führung bei der Moderation von Inhalten beweisen sollen. Die Twitter-Angestellten reagierten irritiert, auch weil Musk der Journalistin Bari Weiss offenbar "völlig uneingeschränkten Zugriff" auf sämtliche internen Daten geben wollte. Weil sie auch Direktnachrichten zwischen Nutzern lesen sollte, wäre das nicht nur ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre, sondern auch ein Verstoß gegen rechtliche Vorgaben.

"Hexenjagd in Elon Musks Namen"

Musks Reaktion darauf verbessert die Situation nicht. Sein Team würde sich hochaggressiv Zugang zu allem verschaffen, klagen Angestellte. "Aber sie nutzen es nur für eine Hexenjagd in Elons Namen. So wollen sie Leute finden, die über ihn reden und die dann feuern", erklärt ein Insider der "Post". Musk tut wenig, diesen Eindruck zu zerstreuen. Immer wieder attackiert er ehemalige oder sogar noch aktive Twitter-Angestellte öffentlich per Tweet. Und prangerte ihr vermeintliches Fehlverhalten an.

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Dabei dürfte nicht helfen, dass Musk Twitter finanziell eher mehr Probleme machte. Hatten Anfang November viele Musk-Fans noch gehofft, er könnte den Kurznachrichtendienst dank seines Genies trotz seines viel zu hohen Kaufpreises profitabel machen, ist dieser Eindruck heute kaum noch zu halten. Musks Kampf für seine Version von Meinungsfreiheit kostet das Unternehmen Milliarden an Werbeeinnahmen, seine sich immer wieder von einer Minute auf die andere verändernde Idee eines Abo-Modells verspricht ebenfalls nicht die Kehrtwende. Dass Musk gerüchteweise weder Mieten noch Reisekosten zahlen will und immer öfter eine mögliche Zahlungsunfähigkeit Twitters in den Raum stellt, lässt das Bild nicht besser wirken.

Ein neuer Blick auf Tesla

Eine Folge von Musks immer erratischer wirkenden Verhaltens dürfte auch eine sich verändernde Sicht der Menschen auf Tesla sein. Dass Musk durchaus exzentrisch ist, sind die Aktionäre des Konzerns gewohnt. Trotzdem wurde der Autohersteller lange deutlich höher bewertet, als es die reinen Gewinnzahlen eigentlich hergaben. Ein Teil des Aktienpreises war immer die Idee, dass der skurrile, aber am Ende geniale Chef Musk die Firma in immer neue Höhen führen würde.

Diese Einstellung wird durch Musks Schlingerkurs bei Twitter gehörig ins Wanken gebracht. Das lässt sich auch am stetig sinkenden Aktienkurs ablesen. Zwar verweist Musk zurecht darauf, dass neben Tesla auch der übrige Markt in den letzten Monaten zurückgegangen ist, auch Firmen wie Microsoft und Google verloren haben. Tesla ist seit seinem Antritt bei Twitter aber noch erheblicher eingebrochen: Seit Anfang November hat sich der Wert der Aktie halbiert, der aktuelle Preis entspricht nur noch einem Viertel des bisherigen Allzeithochs. Sollte der Wert des Unternehmens weiter so stark sinken, könnte Tesla sogar seinen Platz als wertvollster Fahrzeughersteller der Welt verlieren – und hinter Toyota rutschen.

"Tesla hat keinen CEO"

Dabei spielt auch der Anschein eine Rolle, dass sich Musk kaum noch um seine anderen Unternehmen kümmert. "Elon hat Tesla im Stich gelassen und Tesla hat keinen CEO mehr, der dort auch arbeitet", klagte schon vor einer Woche KoGuan Leo bei Twitter. Der Zwischenruf des indonesischen Milliardärs sollte Musk zu denken geben: Er ist der drittgrößte Einzelaktionär des Autoherstellers, hält alleine etwa 22 Millionen Anteile des Autoherstellers. 

Elon sei wie ein stolzer Vater des Autokonzerns, erklärt Leo. "Tesla ist aber erwachsen geworden. Seine Forderung dürfte Musk wenig gefallen: "Wir brauchen einen Macher. Jemanden wie Tim Cook, nicht Elon." Der "New York Times"-Kolumnist Paul Krugman hinterfragt Musk sogar noch grundlegender. Und fragt in seinem neuen Newsletter: "Ergab Teslas Story jemals Sinn?"

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